Kupfer im Biolandbau: Galgenfrist für Pestizid
Biobauern in der Zwickmühle: Gegen Pilze hilft nur ein Kupferpräparat, das sich im Boden anreichert. Nun wird eine Alternative gesucht, weil das Fungizid ab 2016 verboten werden soll.
Gegen den Falschen Mehltau ist kein Kraut gewachsen. Die im Bio-Anbau üblichen Pflanzenschutzmittel wie Quassiaholz-Extrakte oder Gesteinsmehl sind gegen den Schadpilz Plasmopara viticola praktisch machtlos. Deshalb müssen Biobauern hier zu einem stärkeren Fungizid greifen - zu Kupfer. Das wird als Kupferlösung auf die Blätter gespritzt und lässt so die Reben ungestört gedeihen. Auch im Obst-, Kartoffel- und Hopfenanbau ist die milchigblaue Kupferlösung im Kampf gegen diverse Pilzkrankheiten nicht wegzudenken.
Die Crux dabei: Kupfer reichert sich im Boden an, weil es nicht von Bodenmikroben abgebaut wird. Zudem hat eine Literaturstudie des Umweltbundesamtes (UBA) ergeben, dass durch zu viel Kupfer die Biodiversität zurückgeht und Nützlinge wie Regenwürmer zu Schaden kommen. Das bereitet vielen Biobauern Unbehagen und wird darum bei den Verbänden seit 25 Jahren intensiv diskutiert. "Das widerspricht natürlich dem Gedanken der Nachhaltigkeit", so meint Ralf Alsfeld von Naturland.
Die EU-Kommission möchte Kupfer darum verbieten, so wie es deutsche Umweltbehörden schon seit Jahren fordern. Vorerst hat die EU dem Fungizid jedoch eine siebenjährige Galgenfrist eingeräumt - ab 2016 soll es aber gar nicht mehr ausgebracht werden dürfen. Dieses Ultimatum setzt die Bioverbände nun unter immensen Zugzwang.
"Denn trotz aller Forschung, die es bislang gab, hat man noch keine brauchbare Alternative für das Kupfer gefunden", so Klaus-Peter Wilbois vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) in Frankfurt am Main. Im ökologischen Hopfen-, Wein- und Obstanbau stehen so 50 bis 100 Prozent der Erträge auf dem Spiel. Zudem rechnen Experten des Julius-Kühn-Instituts (JKI) in den nächsten Jahren mit einer Verdopplung der Ökoweinbaufläche auf circa 5.000 Hektar.
Auch viele Obstbauern planen einen Ausstieg aus der konventionellen Landwirtschaft. Aber nur, wenn man gute Alternativen für das Kupfer findet.
Das Gros der Kupferbelastung stammt jedoch aus dem konventionellen Anbau. Laut Zahlen aus dem JKI gelangen jährlich rund 3.500 Tonnen Kupfer in die Natur: 2.400 Tonnen stammen allein aus Düngemitteln, vor allem aus Gülle, weil Kupfer im Tierfutter steckt, 320 Tonnen werden durch Pflanzenschutzmittel eingetragen, davon nur ein Zehntel aus dem Bioanbau.
Ein Verbot trifft die konventionelle Landwirtschaft jedoch nicht so stark, da sie über andere Pestizide verfügt, die das Pilzwachstum verhindern. Zudem ist die chemische Industrie, was die Entwicklung neuer Pestizide betrifft, finanziell und personell besser aufgestellt als die Bio-Branche.
Seit dem Jahr 1885 sind Kupferlösungen hierzulande im Einsatz. Der französische Botaniker Pierre-Marie-Alexis Millardet hat das Pilzgift erfunden. Doch über die Jahrzehnte hat sich das Schwermetall in den Böden angereichert. Früher war man auch nicht zimperlich - in den 1960er Jahren hat man im konventionellen Anbau eine Menge von 60 Kilogramm Kupfer pro Hektar gespritzt - ein Biobauer darf hingegen nur drei Kilogramm pro Hektar Land ausbringen.
Kupfer bindet sich stark an die Bodenpartikel und gelangt somit zwar nicht ins Grundwasser, in Oberflächenwasser kann es sich hingegen sehr gut verbreiten. Laut dem UBA-Gutachten sind Böden in Weinbauregionen darum nachweislich stärker belastet als etwa Forstböden.
Ein gesundheitliches Problem stellt das Fungizid immerhin nicht dar - Lebensmittelbehörden finden bei ihren Routineuntersuchungen in den Trauben keine erhöhten Kupfergehalte.
Kürzlich haben sich nun die Bioverbände Bioland, Demeter, Ecovin, Gäa und Naturland zusammengefunden und ein Strategiepapier erarbeitet. Derzeit setzt man vor allem auf eine Reduzierung von Kupfer - in fünf Jahren will man 2,5 Kilogramm pro Hektar und Jahr anpeilen. Für das Umweltministerium ist das Strategiepapier allerdings nicht ausreichend - die Minimierungsstrategie könne nur eine Übergangslösung sein.
Des Weiteren erhoffen sich alle Beteiligten Hilfe aus der Wissenschaft: So werden etwa im Bundesprogramm ökologischer Anbau weitere biologische Maßnahmen gegen den Falschen Mehltau, die Kraut- und Knollenfäule oder den Apfelschorf erforscht. Einige Möglichkeiten gibt es bereits heute: Bauern können beispielsweise auf widerstandsfähige, robuste Sorten ausweichen, bei Äpfeln ist das etwa der Topaz.
Pilzresistente Rotweinsorten heißen Regent, Johanniter oder Helios. Der Absatz dieser Weine ist jedoch momentan problematisch, da der Verbraucher diese Sorten nicht kennt. Trotzdem wird etwa dem Regent ein Boom am Biomarkt vorhergesagt.
Auch im Hopfenanbau kann der Bauer robuste Sorten pflanzen, die nicht von Parasiten befallen werden, allerdings sind diese auch nur für bestimmte Biersorten geeignet. Die besten Einsparpotenziale von Kupfer gibt es im Kartoffelanbau, indem der Bauer etwa seine Knollen vorkeimen lässt, bevor er sie aussetzt und frühe Sorten verwendet. Auch der Standort spielt beim Pilzbefall eine wichtige Rolle. "In trockeneren Gegenden wie zum Beispiel im Regenschatten des Harzes kommen Kartoffelbauern mitunter ganz ohne Kupfer aus", so Wilbois.
Insgesamt ist die Forschungslage jedoch nicht zufriedenstellend. "Man muss jetzt viel Geld in die Hand nehmen, um die Forschung voranzutreiben", rät der FiBL-Mitarbeiter.
Doch woher dieses Geld kommen könnte, ist bislang ungewiss. Das Bundesumweltministerium (BMU) hat bereits mehrmals das Landwirtschaftsministerium aufgefordert, in der Sache Engagement zu zeigen. "Aber dort reagiert man nicht", so Ronald Heinemann, Pressereferent vom BMU.
Verbraucher sollten sich jedoch nicht von der Diskussion über Kupfer abschrecken lassen. Zahlreiche Vergleichsstudien belegen, dass in biologisch bewirtschafteten Flächen im Schnitt 30 Prozent mehr Arten und 50 Prozent mehr Individuen leben als auf intensiv bewirtschafteten Böden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Strategien gegen Fake-News
Das Dilemma der freien Rede