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Ikea-AnsiedlungEin Bürgerbegehren zu viel

Ikea-Gegner sprechen den Ikea-Befürwortern die Berechtigung ab, ein Bürgerbegehren durchzuführen. Sie wollen dieses juristisch verhindern.

Keine Lust auf ein Riesen-Möbelhaus in der Fußgängerzone: Flugblatt der Anit.-Ikea-Leute. Bild: Initiative

Volkes Wille ist manchmal erschreckend uneindeutig. Seit auch in Hamburg Bürgerbegehren und Volksentscheide in der Verfassung verankert sind, gibt es immer mehr Bürgerinitiativen, die zum gleichen Thema mit entgegengesetzten Positionen versuchen, parlamentarische Entscheidungen durch Volksgesetzgebung auszubremsen.

"Ohne Dach ist Krach", fordern da Anwohner der A 7 die Überdeckelung derselben, während die Initiative "Mehr Wurzelraum für Apfelbaum" sich dagegen wehrt, Schrebergärten auf den geplanten Autobahn-Deckel zu verlegen, um diesen zu finanzieren. Im Namen des Volkes fordert eine Initiative die Ausweitung der beschlossenen Schulreform auf zehn statt nur sechs Jahre gemeinsamen Lernens, während die Konkurrenz-Ini die Total-Rücknahme der Reform per Volksabstimmung durchsetzen will.

Auch bei der umstrittenen Ansiedlung einer Ikea-Filiale an der Großen Bergstraße in Altona sind seit Monaten gleich zwei Initiativen und zwei Bürgerbegehren am Start: Eine für und eine gegen das schwedische Möbel-Imperium.

Die Ikea-Gegner starteten bereits vergangenen August ein Bürgerbegehren und haben nun noch bis zum 27. Februar Zeit, knapp 6.000 Unterschriften beizubringen, um einen Bürgerentscheid Mitte kommenden Jahres zu erzwingen. Schneller ist da die Konkurrenz: "Pro-Ikea-Sprecher" Klaus-Peter Sydow kündigte am Dienstag an, noch in dieser Woche eine entsprechende Zahl an Unterschriften dem Bezirksamt vorzulegen, damit es "zu einer schnellen Entscheidung über die Ikea-Ansiedlung" komme.

Die Initiative "Kein Ikea in Altona" bezweifelt allerdings die Rechtmäßigkeit des gegenläufigen Bürgerbegehrens und will nun rechtlich dagegen vorgehen. Initiativen-Sprecherin Bettina Göbel: "Bürgerentscheide sind eindeutig als korrektives Element zu den Beschlüssen der Parlamente eingeführt worden. Dieses Bürgerbegehren, dass von den in Altona regierenden Parteien unterstützt wird, will aber nur das absegnen, was die Altonaer Bezirksversammlung sowieso schon beschlossen hat." Und das sei gar nicht zulässig.

Die Anti-Ikea-Initiative, die das Möbelhaus vor allem wegen der zu erwartenden Verkehrszunahme ablehnt, kann darauf verweisen, dass sich im Internet-Auftritt der Ikea-Befürworter ein Aufruf der regierenden CDU-Bezirksfraktion findet, das Bürgerbegehren zu unterstützen. Die Unterschriftenlisten trage dagegen das Logo der Altonaer Einzelhändlervereinigung ECA, die nur "ihre Partikularanliegen, nicht aber allgemeine Bürgerinteressen" vertrete.

Zudem sei der Text des Bürgerbegehrens äußerst tendenziös: "Sind Sie dafür, dass in Altona Altstadt ein Ikea Möbelhaus gebaut wird und der Stadtteil dadurch nachhaltig belebt und attraktiver wird?", lautet die Formulierung, die den Altonaern derzeit zum Unterschreiben vorgelegt wird.

Die Ikea-Gegner dagegen bieten Polemik nicht auf ihren Unterschriftenlisten, sondern nur auf ihren Flugblättern. "Wohnst du noch, oder gehst du schon?" formen sie da einen Werbeslogan der schwedischen Möbelkette um und versuchen sich mit Reimen: "Ikea - bad Idea".

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1 Kommentar

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  • LD
    Lothar de Decker

    In der Benachrichtigung über den Bürgerentscheid "PRO IKEA", die den Altonaer Haushalten zum Jahresausklang vom Bezirksamt Altona zugeschickt wurde, heißt es in der Information zur Vorlage des Bürgerbegehrens:

    1. Das Frappant muss weg.

    2. 350 neue Arbeitsplätze werden geschaffen.

    3. Die Nahversorgung der Bevölkerung wird

    erheblich verbessert.

    4. Interessante Einzelhandelsgeschäfte werden sich

    in Folge der IKEA-Ansiedlung hier wieder

    etablieren.

    5. Der ganze Stadtteil wird wieder attraktiver und

    belebter.

    6. Die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr

    ist sehr gut. Das sollten wir für ein

    umsatzstarkes Einrichtungshaus nutzen.

     

    Zu 1. Zur Zeit wohnen und arbeiten viele Menschen im alten Karstadt-Gebäude, u.a. Künstler, Architekten etc. Eine sehr illustre Gesellschaft! Die "Bausünde der 1970er Jahre" könnte - aufgefrischt durch einen "individuellen" Anstrich, als eine Art Kulturdenkmal erhalten bleiben und dürfte für weitere kreative Menschen ein neuer und bezahlbarer (Mieten!) Arbeitsplatz werden.

    Zu 2. Arbeitsplätze "um jeden Preis" werden vielleicht geschaffen - aber "zu welchem Preis"? Was würden die neuen Mitarbeiter verdienen? Hier wie überall wird die Forderung nach Mindestlöhnen laut (oder - noch besser - ein Bedingungsloses Grundeinkommen -, damit "Lohnsklaverei" von vornherein unterbunden wird).

    Zu 3. Welche Nahversorgung soll verbessert werden? In Hamburg gibt es zwei große Ikea-Geschäfte, die für die Nahversorgung bereits bestens sorgen.

    Zu 4. Inwieweit Einzelhandelsgeschäfte sich tatsächlich etablieren, bleibt abzuwarten. Das ist völlig offen, denn möglicherweise wollen Menschen nur bei Ikea einkaufen, vielleicht dort noch etwas essen (weil es billig ist) - um dann sofort wieder von dannen zu ziehen. Andere Sachen werden möglicherweise ganz woanders gekauft und nicht unbedingt in Altona.

    Zu 5. Der Stadtteil wird in der Tat "belebt", aber nicht attraktiver oder beliebter! Es werden täglich tausende Kunden erwartet. Viele von ihnen lassen ihr liebstes Stück, das Auto, nicht in der Garage stehen. Also: Eine "Belebung" mit viel Lärm, Gedrängel, Stress und Abgasen, die vor allem die Anwohner zu spüren bekommen.

    Zu 6. Viele Käufer werden den öffentlichen Nahverkehr nicht nutzen, sondern aus Gründen der Bequemlichkeit ihre Einkäufe mit dem Auto tätigen. Viele Straßen der Umgebung werden zugeparkt, der Ikea eigene Parkplatz (850) könnte sehr schnell überfordert sein.

    7. Last but not least: Das neue Gebäude von Ikea soll viel größer und höher werden als das jetzige Frappant. Ein gigantischer, gelber Riese! Möchten Sie, liebe Leser, dort wohnen? Nein! Aber dort wohnen bereits viele Menschen! Die Frage lautet: Cui bono - für wen lohnt sich das Ganze in erster

    Linie? Für Ingvar Kamprad, den Ikea-Gründer! Wie heißt es doch so treffend in einem sehr bekannten Buch: "Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat" (Matth. 13,12).