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Manipulationen, Mobbing und CyberbullyingSchleichende Akzeptanz

Manche jugendliche AnführerInnen sind eher auf subtile Weise gewalttätig, sagen Wissenschaftler.

Die Kamera im Handy: Eine beliebtes Tatwerkzeug für Cyberbullying. Bild: dpa

BERLIN taz | Vor allem junge Mädchen kennen das: die geheimen und weniger geheimen Botschaften, die ausgetauscht werden, um Mitschülerinnen ein- oder auszugrenzen. "Relationale Aggression" nennen das die Psychologen, im Unterschied zur "körperlichen Aggression". Während physische Gewalt aber eher von Jugendlichen angewandt wird, die sozial wenig erfolgreich sind, üben sich in der relationalen Aggression auch "die Durchsetzungsstarken, die Anführer", sagt Anja Dienhardt.

Dienhardt, Diplom-Psychologin und Wissenschaftlerin an der Technischen Universität (TU) Berlin, referiert auf dem internationalen 14. "Workshop Aggression", auf dem mehr als 100 WissenschaftlerInnen bis zum Sonntag über Formen der Jugendgewalt diskutieren (www.workshop-aggression.de).

Während die körperliche Gewalt gesellschaftlich geächtet ist, ließe sich für die relationale Aggression eine "schleichende zunehmende Akzeptanz" beobachten, sagt Dienhardt. Zu dieser Form der subtilen Gewalt zählen die Psychologen das gezielte Streuen von Gerüchten, das Zerstören von Freundschaften durch Manipulieren, Verleumden, Mobben. Das fiese Intrigantentum findet sich bei Mädchen eher als bei Jungs, aber auch Jungs, die gewalttätig sind, zeigten zusätzlich noch diese Form der angeblich weiblichen Aggression, sagt Angela Ittel, Professorin für Psychologie an der TU Berlin.

Bei einer Erhebung unter 800 Berliner SchülerInnen erklärten immerhin zwei Drittel, relationale Aggression anzuwenden. Die ForscherInnen stellten dabei durch wiederholte Befragungen fest, dass sich das Intrigantentum mit den Jahren nicht auswächst. Während die Jugendlichen immer weniger körperliche Gewalt anwenden, je älter sie werden, lassen die Versuche der Machtausübung durch Manipulation und Mobbing auch in der Adoleszenz nicht nach.

Mädchen sind dabei verletzbarer durch die Psychomasche. Sie litten mehr unter der "relationalen Aggression" als Jungs, schildert Ittel. Dabei ist die vermeintlich "weibliche" Aggression der manipulativen Psychostrategien später auch in manchen männerdominierten Führungsetagen zu finden. "Männer, die sich weiblicher Strategien bedienen, sind unter Umständen die Manager von morgen", sagt Dienhardt.

Die Geschlechterklischees über die angeblich subtilere weibliche Gewalt stimmen also nicht unbedingt. Beim "Cyberbullying", dem Verleumden oder Schmähen via Internet oder Handy, "sind Jungs eher die Opfer als Mädchen", sagt Anja Schultze-Krumbolz, Psychologin an der Freien Universität Berlin. In neuen Erhebungen unter SchülerInnen in Berlin und Bremen gab jeder Fünfte an, schon einmal von "Cyberbullying" betroffen gewesen zu sein, berichtet die Wissenschaftlerin.

"Cyberbullying" ist allerdings keine Strategie sozialer Gewinner, im Gegenteil. Diejenigen, die weder als Opfer noch als Täter von Mobbing im Netz auftreten, haben "eher höhere soziale Kompetenzen und einen höheren Bildungsgrad", erklärt Schultze-Krumbolz.

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4 Kommentare

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  • KM
    klaus-Dieter May

    Ein Apell an die Bundesregierung, Regierungen der Bundesländer und Politiker lassen Sie Ihren Worten gegen Mobbing und Gewalt doch endlich mal Taten folgen!

     

    Der soziale Arbeitsschutz, also der Schutz vor Unfairness am Arbeitsplatz, könnte ohne großen Aufwand verstärkt werden; denn die jetzige Arbeitsschutz-Vorschrift ist völlig zahnlos (s. Internet: LASI LV34, einfach mal googeln..) . Kein Wunder, dass es soviel Unfairness gibt: seriöse Schätzungen gehen von einem jährl. Schaden von 20 Milliard. EUR aus. Das ließe sich leicht ändern. Aber warum wurde es dann nicht längst geändert? Dafür gibt es Gründe...

     

    Der Schlüssel dafür liegt bei der ASMK (Arbeits- u. Sozialministerkonferernz), in 2009 hat Bayern die Federführung (Fr. Ministerin Haderthauer), die Konferenz findet demnächst statt.

     

    Klaus-Dieter May

    "Pro Fairness gegen Mobbing"

    http://www.buerger-marktplatz.de

  • PD
    Pan Dora

    Ein Apell an die verantwortliche Generation

     

    Unsere Zeit ist durch eine Zunahme struktureller psychischer und direkter Gewalt geprägt, die wir besonders Kinder und Jugendliche erfahren lassen. In vielen Regionen der Erde werden ihnen die grundlegenden Lebenschancen und Überlebenschancen entzogen, aber eben auch in den Industrieländern wird ihnen die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebensentwurfs bzw. einer eigenständigen Entwicklung zunehmend genommen.

     

    Betroffen von der Brutalisierung sind nicht nur Kinder in Ländern, in denen sie direkt und ihre Eltern unübersehbar ausgebeutet und versklavt oder dem Hungertod überlassen werden, sondern auch in den Regionen relativer Wohlhabenheit. Zunehmend werden Kinder und Jugendliche ausschliesslich auf die zukünftige Verwertbarkeit in den Prozessen wirtschaftlicher Interessen ausgerichtet. Zur Beurteilung von individuellen Entwicklungswegen werden in den Industrieländern standardisierte Maßstäbe herangezogen, die nicht dem Begreifen und der Förderung individueller Entwicklungen dienen, sondern der Selektion und Einpassung. Kindern und Menschen, die sich nicht in die Schablonen der vorgegebenen Standards einpassen lassen, auch nicht durch medikamentöse Behandlung, wird auch ein Zugang zu menschenwürdiger und erst recht mündiger Existenz versagt. War in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts bis in die frühen 80er Jahre der BRD noch eine ganze Generation Profiteure der libertinären Entwicklungen und des Bildungsversprechens, das durch die „68er“ ermöglicht worden war, beteiligt sich heute jene Generation an einer allgemeinen Versklavung ihrer Kindergeneration oder macht sich des widerspruchlosen Mitwisser- und Mitläufertums schuldig. Nicht mehr das Erziehungs- und Bildungsleitbild eines kritischen, eigenständig denkenden Menschen beherrscht die Köpfe bis in die „intellektuelle“ Öffentlichkeit hinein, sondern das des erfolgreichen Anpassers, der es im allgemeinen Konkurrenzkampf an die Spitze der Wettbewerber schafft. Hier werden Menschen mit Elitequalitäten vermutet.

     

    Mit Verachtung und versteckter Angst wird auf jene geblickt, die hierbei zurückbleiben oder straucheln oder dem Stress nicht gewachsen sind. Wir sprechen von Kinderrechten und glauben allein das Verbot physischer Gewalt Kindern gegenüber reiche dazu aus, wobei uns die Gewalt Kindern gegenüber außerhalb der Grenzen unseres Landes überhaupt nicht interessieren und täglich erfolgreich verdrängt werden. Wer letztlich die hochpolierten Steine für das Edelbad aus dem Steinbruch holt, davon möchten wir lieber nichts wissen.

     

    Mißtrauisch und mit Häme werden aber auch all jene beäugt, die andere Lebensentwürfe oder zumindest Ziele versuchen. Unsere Gesellschaft rüstet in jeder Hinsicht auf: Überwachung, Kriege, Feindbilder, Anpassungsdruck und nicht zuletzt Verschärfung der Gesetzgebung gegenüber Jugendlichen. In den Fokus öffentlichen Unverständnisses und Unmuts werden all jene gezerrt und auch gleich zum Feind der Gesellschaft, ja sogar als Verantwortliche für die Verwerfungen zementierter, sozialer Ungleichheit erklärt, die doch vor allem und offensichtlich als Opfer der Zustände angesehen werden müssen. Wir bewegen uns hierbei auf schon gekannte Zeiten hin. Nur wenige, wie der Regisseur Michael Haneke, mit seinem Film „das weisse Band“ widerstehen, dabei dem Mainstream. Was er in seinem Meisterwerk durch zwingende Bilder, ein herausragendes Buch und erstklassige Schauspieler herausarbeitet, lehrt uns zurecht das Fürchten – vor dem, was wir tagtäglich unwidersprochen zulassen. Schon jetzt fürchten die „braven“ Bürger, daß die heranwachsende Generation auf unheimliche Weise zurückschlagen wird – und zwar ihnen auf das verlogene und brutale Maul und daß man ihnen die Illusion einer heilen Welt nehmen könnte. Und es mag sein, daß die so mißhandelte Generation uns unsere Fühllosigkeit, Mitleidlosigkeit und unseren Zynismus eines Tages tatsächlich in gleicher Münze heimzahlt. Was wir versäumen ist kriminell und bereitet den Nährboden für Verbrechertum. Es wäre ein Wunder, wir wachten endlich auf und träten gemeinsam mit den kommenden Generationen für eine gerechtere und lebenswerte Welt ein. Laßt uns das Wunder wagen.

  • KM
    klaus-Dieter May

    Ein Apell an die Bundesregierung, Regierungen der Bundesländer und Politiker lassen Sie Ihren Worten gegen Mobbing und Gewalt doch endlich mal Taten folgen!

     

    Der soziale Arbeitsschutz, also der Schutz vor Unfairness am Arbeitsplatz, könnte ohne großen Aufwand verstärkt werden; denn die jetzige Arbeitsschutz-Vorschrift ist völlig zahnlos (s. Internet: LASI LV34, einfach mal googeln..) . Kein Wunder, dass es soviel Unfairness gibt: seriöse Schätzungen gehen von einem jährl. Schaden von 20 Milliard. EUR aus. Das ließe sich leicht ändern. Aber warum wurde es dann nicht längst geändert? Dafür gibt es Gründe...

     

    Der Schlüssel dafür liegt bei der ASMK (Arbeits- u. Sozialministerkonferernz), in 2009 hat Bayern die Federführung (Fr. Ministerin Haderthauer), die Konferenz findet demnächst statt.

     

    Klaus-Dieter May

    "Pro Fairness gegen Mobbing"

    http://www.buerger-marktplatz.de

  • PD
    Pan Dora

    Ein Apell an die verantwortliche Generation

     

    Unsere Zeit ist durch eine Zunahme struktureller psychischer und direkter Gewalt geprägt, die wir besonders Kinder und Jugendliche erfahren lassen. In vielen Regionen der Erde werden ihnen die grundlegenden Lebenschancen und Überlebenschancen entzogen, aber eben auch in den Industrieländern wird ihnen die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebensentwurfs bzw. einer eigenständigen Entwicklung zunehmend genommen.

     

    Betroffen von der Brutalisierung sind nicht nur Kinder in Ländern, in denen sie direkt und ihre Eltern unübersehbar ausgebeutet und versklavt oder dem Hungertod überlassen werden, sondern auch in den Regionen relativer Wohlhabenheit. Zunehmend werden Kinder und Jugendliche ausschliesslich auf die zukünftige Verwertbarkeit in den Prozessen wirtschaftlicher Interessen ausgerichtet. Zur Beurteilung von individuellen Entwicklungswegen werden in den Industrieländern standardisierte Maßstäbe herangezogen, die nicht dem Begreifen und der Förderung individueller Entwicklungen dienen, sondern der Selektion und Einpassung. Kindern und Menschen, die sich nicht in die Schablonen der vorgegebenen Standards einpassen lassen, auch nicht durch medikamentöse Behandlung, wird auch ein Zugang zu menschenwürdiger und erst recht mündiger Existenz versagt. War in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts bis in die frühen 80er Jahre der BRD noch eine ganze Generation Profiteure der libertinären Entwicklungen und des Bildungsversprechens, das durch die „68er“ ermöglicht worden war, beteiligt sich heute jene Generation an einer allgemeinen Versklavung ihrer Kindergeneration oder macht sich des widerspruchlosen Mitwisser- und Mitläufertums schuldig. Nicht mehr das Erziehungs- und Bildungsleitbild eines kritischen, eigenständig denkenden Menschen beherrscht die Köpfe bis in die „intellektuelle“ Öffentlichkeit hinein, sondern das des erfolgreichen Anpassers, der es im allgemeinen Konkurrenzkampf an die Spitze der Wettbewerber schafft. Hier werden Menschen mit Elitequalitäten vermutet.

     

    Mit Verachtung und versteckter Angst wird auf jene geblickt, die hierbei zurückbleiben oder straucheln oder dem Stress nicht gewachsen sind. Wir sprechen von Kinderrechten und glauben allein das Verbot physischer Gewalt Kindern gegenüber reiche dazu aus, wobei uns die Gewalt Kindern gegenüber außerhalb der Grenzen unseres Landes überhaupt nicht interessieren und täglich erfolgreich verdrängt werden. Wer letztlich die hochpolierten Steine für das Edelbad aus dem Steinbruch holt, davon möchten wir lieber nichts wissen.

     

    Mißtrauisch und mit Häme werden aber auch all jene beäugt, die andere Lebensentwürfe oder zumindest Ziele versuchen. Unsere Gesellschaft rüstet in jeder Hinsicht auf: Überwachung, Kriege, Feindbilder, Anpassungsdruck und nicht zuletzt Verschärfung der Gesetzgebung gegenüber Jugendlichen. In den Fokus öffentlichen Unverständnisses und Unmuts werden all jene gezerrt und auch gleich zum Feind der Gesellschaft, ja sogar als Verantwortliche für die Verwerfungen zementierter, sozialer Ungleichheit erklärt, die doch vor allem und offensichtlich als Opfer der Zustände angesehen werden müssen. Wir bewegen uns hierbei auf schon gekannte Zeiten hin. Nur wenige, wie der Regisseur Michael Haneke, mit seinem Film „das weisse Band“ widerstehen, dabei dem Mainstream. Was er in seinem Meisterwerk durch zwingende Bilder, ein herausragendes Buch und erstklassige Schauspieler herausarbeitet, lehrt uns zurecht das Fürchten – vor dem, was wir tagtäglich unwidersprochen zulassen. Schon jetzt fürchten die „braven“ Bürger, daß die heranwachsende Generation auf unheimliche Weise zurückschlagen wird – und zwar ihnen auf das verlogene und brutale Maul und daß man ihnen die Illusion einer heilen Welt nehmen könnte. Und es mag sein, daß die so mißhandelte Generation uns unsere Fühllosigkeit, Mitleidlosigkeit und unseren Zynismus eines Tages tatsächlich in gleicher Münze heimzahlt. Was wir versäumen ist kriminell und bereitet den Nährboden für Verbrechertum. Es wäre ein Wunder, wir wachten endlich auf und träten gemeinsam mit den kommenden Generationen für eine gerechtere und lebenswerte Welt ein. Laßt uns das Wunder wagen.