WAS BISHER GESCHAH (5)
: Dissident wider Willen

Was, antwortet Partovi fast zu defensiv, soll Panahi denn machen, wenn er keine Geschichten über sein Land mehr erzählen kann?

Ein einsames, wenngleich lautes Buh nach der Pressevorführung. Da hätte sich der iranische Geheimdienst aber ein bisschen mehr Mühe geben können. Auf dem Weg zur Pressekonferenz ein Schild mit Foto von Jafar Panahi, das sich der offiziellen Forderung der Bundesregierung anschließt, den Regisseur zur Berlinale anreisen zu lassen. Genützt hat das konkret erst mal nichts. Aber so langsam dürfte das Regime begriffen haben, dass es sich als Konsequenz des politischen Urteils gegen Panahi seinen eigenen Ai Weiwei eingehandelt hat.

Gegen die Anreise des Koregisseurs und Kohauptdarstellers Kamboziya Partovi und der Schauspielerin Maryam Moghadam hat Teheran jedenfalls nicht einzuschreiten gewagt. Auf dem Podium der PK sitzen nun nur, aber immerhin diese beiden. Sie mit tief in die Stirn gezogenem Hut und vor Aufregung zitternd. Er macht kein bisschen einen eingeschüchterten Eindruck und vertritt Panahi, mit dem er, sagt er, seit 1979 befreundet ist, ruhig und selbstbewusst. Richtig voll sind die Konferenzen ja nur, wenn die Kollegen irgendwelche Weltstars mit dümmlichen Fragen behelligen können. Für eine PK ohne Stars ist das Interesse jedoch beträchtlich.

Natürlich wird immer wieder nach den möglichen Folgen des Verstoßes gegen das Berufsverbot gefragt, für Panahi und auch für die beiden. Partovi zuckt mit der Schulter und erklärt, dass das keiner weiß. Moghadam äußert sich dazu nicht, deutet aber klug die von ihr dargestellte Figur. Sehr präzise fallen die Antworten eher nicht aus, kann aber auch am Farsi-Deutsch-Übersetzer liegen, der nicht den sattelfestesten Eindruck macht.

Leider ist ja Teil der Haft ohne Haft, dass der Regisseur nun auch von der Presse und der Weltöffentlichkeit in die Rolle des Dissidenten gedrängt wird. Von der hoch raffinierten Machart des Films ist darum in keiner Frage wirklich die Rede, anders als noch bei den mittelmäßigsten Arbeiten wird nicht einmal als Eingangsstatement höflich das Werk selbst gelobt. Einem iranischen Journalisten immerhin scheint der Film nicht zu gefallen: kein Vergleich mit den Meisterwerken von früher.

Was, antwortet Partovi fast zu defensiv, soll Panahi denn machen, wenn er keine Geschichten über sein Land mehr erzählen kann? Dann erzählt er eben von sich und seiner fatalen Situation, was bleibt ihm übrig. Vor allem habe er arbeiten wollen. Darum habe er ohne klares Ziel geschrieben, im kleinsten Kreis gedreht, ohne zu wissen, wer den Film jemals sieht. Habt ihr ihn denn nicht gesehen, möchte man die Fragenden fragen. Dass Panahi der Lage ein so herausragendes Werk abgerungen hat, ist doch der eigentliche Triumph.

EKKEHARD KNÖRER