piwik no script img

RechtsschutzGericht untersagt Stasi-Berichte

Radio Bremen darf nicht mehr über den Verdacht gegen den SPD-Politiker Jürgen Pohlmann berichten: Amtsgericht Tiergarten verhängt einstweilige Verfügung.

Begünstigte der Staatssicherheit kamen ohne Kontrolle durch: Grenzübergang Berlin-Friedrichstraße. Bild: Archiv

Der Bremer SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Jürgen Pohlmann hat vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten eine einstweilige Verfügung gegen Radio Bremen erwirkt, nach der dem Sender verschiedene Aussagen über mögliche Zusammenhänge zwischen Pohlmann und der DDR-Sondergruppe "Ralf Forster" untersagt werden. Grundlage der einstweiligen Verfügung ist eine eidesstattliche Erklärung, in der Pohlmann behauptet, er habe keine Kontakte zu dieser Einheit gehabt, die auch Sprengstoff- und Nahkampf-Trainings in der DDR durchführte. Das Gericht erließ die einstweilige Verfügung wegen der Dringlichkeit ohne Anhörung, um einen schnellen Rechtsschutz zu gewährleisten.

Pohlmann hatte am vergangenen Sonntag über seinen Anwalt Johannes Eisenberg eine Erklärung veröffentlicht. "Ich war nie Mitglied der ,Gruppe Aktion' beziehungsweise einer ,Militärorganisation der DKP' beziehungsweise der ,Gruppe Ralf Forster'", heißt es da, "ich kannte weder die Ausbildungslager ,Am Springsee' oder in Streganz. Ich bin anerkannter Kriegsdienstverweigerer. Ich habe nie an einer militärischen Ausbildung in der DDR - oder in irgendeinem anderen Land - teilgenommen."

Während seiner Mitgliedschaft in der DKP, sagt Pohlmann, habe er "nicht von der Existenz der oben genannten Organisation" gewusst, erst "nach der Wende" habe er aus Presse- und Fernsehberichten davon erfahren.

Pohlmanns Karteikarte bei der Staatssicherheit ist mit einem Verweis auf die Gruppe "Ralf Forster" versehen und es gibt Papiere, in denen Pohlmanns Ausreise von der Stasi besonders "avisiert" wurde, damit er an der Grenze schnell durchgelassen wird. Vor diesem Hintergrund stuft die Stasi-Unterlagenbehörde Pohlmann als "begünstigte" Person ein, deren Akte nicht der Vertraulichkeit unterliegt. Radio Bremen hatte gemeldet, einzelne Ausreisetermine - in einem Fall nachts - lägen unmittelbar nach Terminen von Ausbildungs-Lehrgängen der Gruppe "Ralf Forster". Zu den Terminen hat Pohlmann nun erklärt, habe er in einem Falle "zusammen mit meiner Ehefrau" ein Bremer Parteimitglied besucht, das in der Berliner Charité behandelt wurde. Einen anderen Termin könne er sich nicht erklären, da er in diesem Zeitraum an einer familiären Geburtstagsfeier in Bremen teilgenommen habe. An Ausbildungslehrgängen habe er nicht teilgenommen.

Mit der einstweiligen Verfügung wird Radio Bremen unter Androhung von 250.000 Euro Ordnungsgeld - ersatzweise Ordnungshaft für den Intendanten - sogar untersagt, über das zeitlichen Zusammenfallen von Ausbildungslehrgängen und Reisevermerken zu berichten. Nicht einmal die Feststellung, es gebe einen "Verdacht" gegen Pohlmann, darf der Sender "sinngemäß oder im Zusammenhang mit dem Antragsteller" (Pohlmann) noch weiter verbreiten.

Die im Internet veröffentlichten Radio-Bremen-Texte wurden daraufhin gesperrt. Unabhängig vom Hauptverfahren hat der Sender die Möglichkeit, gegen die einstweilige Verfügung Beschwerde einzulegen. Für das entsprechende Verfahren könnte er darlegen, auf welche Hinweise in den Stasi-Unterlagen sich die Tatsachenbehauptungen stützen. Die Stasi hatte nach der Öffnung der Mauer begonnen, die umfangreichen Aktenbestände systematisch zu zerstören.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!