Eine Frage der Qualität

GLOBALISIERUNG Biolebensmittel kommen aus aller Welt. Für Käufer stellt sich die Frage: An welchen Kriterien werden die Produkte gemessen und wer garantiert deren Einhaltung?

VON MIRKO HEINEMANN

Die Äpfel kommen aus Neuseeland, die Sonnenblumenkerne aus China, der Weizen aus Kasachstan. Türkische Linsen, bulgarische Gurken und ägyptische Kartoffeln liegen inzwischen in den Regalen der Biosupermärkte. Immer mehr Lebensmittel aus ökologischem Anbau werden importiert. Die meisten stammen aus europäischen Nachbarländern. So kommt etwa ein Drittel der Biomilch aus Dänemark und Österreich, rund ein Fünftel des Bioschweinefleischs aus den Niederlanden, Österreich, Dänemark und Italien. Soja wird etwa aus Kasachstan, Argentinien, Indien und Brasilien importiert. Biokartoffeln stammen vorwiegend aus Israel, Ägypten und Österreich. Aus Deutschland stammen nur die Hälfte aller Bioäpfel, neben Italien und Österreich sind Argentinien und Neuseeland die wichtigsten Exporteure für den deutschen Markt.

Angeblich ist das alles eben auch „bio“. Was aber bedeutet das? Kann man dem asiatischen Biobetrieb in gleichem Maße vertrauen wie dem Biobauern im Nachbardorf? Allein in Deutschland konkurriert bereits eine unübersichtliche Vielzahl von über 100 Biosiegeln. So prangt auf rund 66.000 Produkten das sechseckige staatliche Biosiegel, seit 2010 gibt es auch noch das EU-Biologo, es zeigt zwölf Sterne in Form eines Blatts auf grünem Grund. Dazu kommen die Siegel der Bioverbände, deren Mitglieder meist noch strengere Auflagen erfüllen müssen.

Schaut man über die Grenzen Europas hinaus, wird man mit völlig unbekannten Abkürzungen und Labeln konfrontiert: USDA Organic heißt das staatliche Siegel in den USA, in Japan JAS. „Verbraucher müssen diese Siegel nicht kennen“, beruhigt Peter Röhrig, stellvertretender Geschäftsführer beim Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e. V. (BÖLW). „Alle Biolebensmittel, die in die EU importiert werden, müssen die Anforderungen des EU-Siegels erfüllen.“ Diese entsprechen denen des staatlichen deutschen Siegels. So dürfen Lebensmittel auch nach EU-Verordnung immerhin 0,9 Prozent gentechnisch verändertes Material enthalten. 95 Prozent der Inhaltsstoffe müssen aus ökologischem Anbau kommen. Wer es strenger haben will, muss auf Produkte mit den Siegeln von Verbänden wie Demeter oder Bioland zurückgreifen.

Die Kontrolle beim ausländischen Produzenten obliegt legitimierten Zertifizierungsstellen. Dass diese Kontrollen nicht perfekt sind, zeigte sich Ende 2011 in Italien. Dort hatten Kriminelle 700.000 Tonnen konventionelle Lebensmittel kurzerhand als Bioprodukte deklariert. Mehl, Soja und Trockenfrüchte im Wert von 220 Millionen Euro wurden in mehrere europäische Länder verkauft, auch nach Deutschland. Unterstützung hatten die Betrüger offenbar auch vonseiten der Zertifizierungsstelle, ein Regionaldirektor wurde verhaftet.

„Die Überwachung der Kontrollstellen gehört zu den wichtigsten Bestandteilen des Systems“, so Stephan Dabbert von der Universität Hohenheim. Der Wissenschaftler hatte im Rahmen eines Forschungsprojekts im vergangenen Jahr die europäischen Kontrollmechanismen analysiert und einen Sechs-Punkte-Plan zur Verbesserung erstellt. Darin mahnt er eine einheitliche Überwachung der Kontrollstellen an, mehr Transparenz und eine bessere Akzeptanz des Ökosiegels der Europäischen Union: „Die Gemeinschaft braucht ein europäisches Forum, in dem sie sich regelmäßig darüber austauschen kann, wie genau im Detail die Ökokontrollverordnungen umgesetzt wurden“, meint Dabbert. Wichtig seien außerdem bessere Informationen über die Anforderungen des Kontrollsystems für Ökounternehmer. Dies betreffe insbesondere die neuen Mitgliedstaaten.

Stellt sich die Frage, ob die zunehmenden Importe der Idee von biologischer Landwirtschaft nicht entgegenstehen, die gern mit kurzen Vertriebswegen und regionalen Produkten wirbt, um die Umwelt zu schonen. Das Problem: Selbst wenn die Verbraucher es wünschten – die heimische Biobranche könnte die stark steigende Nachfrage derzeit gar nicht befriedigen. „Das liegt vor allem daran, dass die Rahmenbedingungen für die Bioproduktion schwieriger geworden sind. Biogasanlagen werden zurzeit so stark bezuschusst, dass sie die Biobauern beim Wettbewerb um Ackerflächen ausstechen. Und in einigen Bundesländern wurde die Ökoförderung gedrosselt“, erläutert Peter Röhrig vom BÖLW. Zahlreiche Biowaren müssten daher bereits importiert werden.

Für die Zukunft wird der Import noch wichtiger werden. Im Jahr 2015 soll die derzeitige Regelung auslaufen, dass bei der Fütterung von Bioschweinen und Biogeflügel nach EG-Ökoverordnung noch bis zu 5 Prozent konventionelle Eiweißkomponenten erlaubt sind. Danach sollen die Tiere zu 100 Prozent mit Biofutter versorgt werden. Bis dahin erwartet der BÖLW, dass mehr Leguminosen, die als Futter eingesetzt werden, importiert werden.