Foltervorwürfe gegen britische Armee: Aus Angst vor den Besatzern

Irakische Menschenrechtler klagen: Ermittlungen gegen mutmaßliche britische Folterer kommen zu spät. Sie fordern die Aufarbeitung der Besatzungszeit.

Ein Bild aus dem Jahr 2006: In Basra flüchten Kinder, nachdem sie einen britischen Panzer mit Steinen attackiert haben. Bild: ap

BAGDAD taz | Irakische Menschenrechtler haben am Sonntag eine umfassende Untersuchung sämtlicher Vergehen der britischen und amerikanischen Soldaten im Irak gefordert. Aus ihrer Sicht handelt es sich bei den jetzt bekannt gewordenen Foltervorwürfen gegen britische Soldaten nur um einen kleinen Teil der Rechtsverstöße insgesamt. Die Ermittlungen des Londoner Verteidigungsministeriums in 33 Fällen mutmaßlicher Folter seien ein gutes Zeichen, sagte die Menschenrechtsaktivistin Hala Talib al-Ani im Gespräch mit der taz. "Aber die Ermittlungen kommen viel zu spät." Wie viele Iraker zweifelt Ani daran, dass das britische Militär gegen Straftäter in den eigenen Reihen vorgeht. "Erst wenn die Täter abgestraft werden, glaube ich, dass sie Ernst machen", sagt al-Ani. "Vor allem müssen die Opfer entschädigt werden."

Dass die Opfer sich erst jetzt trauen, Klage gegen die britischen Soldaten zu erheben, liegt aus Sicht von irakischen Menschenrechtsorganisationen auch an der Angst, die während des Kriegs im Irak in den vergangenen Jahren herrschte. Die Opfer hätten aus Angst davor, erneut in Gefangenschaft zu geraten, bis nach dem Abzug der Briten gewartet, sagte der Menschenrechtsaktivist Mazin Yunis, der die 33 Fälle zusammengetragen hat. Etliche seien auch jetzt noch zurückhaltend, weil sie fürchteten, dass ihre Namen an die irakischen Behörden oder die Amerikaner übermittelt würden. Seit dem Rückzug der Briten aus Basra haben die Amerikaner das Kommando im Südirak übernommen. Besonders im Fall von sexueller Gewalt wollen Gefangene nicht, dass ihre Namen an die Öffentlichkeit gelangen. Vergewaltigung im Gefängnis gilt im Irak immer noch als Delikt, das dem Opfer mehr schadet als dem mutmaßlichen Täter. Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt werden, werden bis heute häufig von ihrer eigenen Familie ermordet.

Mehrere Menschenrechtsorganisationen im Irak verlangen indes, dass nicht nur die Misshandlung von Gefangenen durch die Briten oder Amerikaner geahndet wird, sondern die Besatzung insgesamt. "Sie haben nicht nur Gefangene misshandelt", sagt der Menschenrechtler Jassem Mohammed. "Die Besatzung hat Hunderttausende von Toten gefordert. Frauen verloren ihre Ehemänner, Kinder ihre Väter. Das muss untersucht werden." Wie al-Ani verlangt Mohammed, dass die Vereinten Nationen eine Untersuchung gegen die Amerikaner und Briten einleitet. Nur die UN könne eine unabhängige Untersuchung garantieren. Das irakische Parlament müsse einen entsprechenden Beschluss fassen.

Die irakischen Politiker sind derweil vor allen mit den Vorbereitungen der für Januar angesetzten Parlamentswahlen beschäftigt. Die Regierung hat kürzlich ein Abkommen mit London über die Ausbildung ihrer Marine und den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen geschlossen. "Die Ermittlungen werfen kein gutes Licht auf unsere Beziehungen", sagte der schiitische Politiker Kais al-Ameri im Gespräch. Regierungschef Nuri al-Maliki hat sich nicht zu der Untersuchung geäußert. Bei einer Veranstaltung in Bagdad versprach er den Bürgern die Verschönerung ihrer Stadt.

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