ZDF-Krimi über Rechtsextreme: Nazifreundlich programmiert
Kommissar Stubbe ermittelt in einem rechtsextrem dominierten Dorf voll böser Bullen und lieber Linken. Vor der Ausstrahlung am Samstag diskutierte man in Berlin.
In Hamburg spült die Elbe eine Leiche ans Ufer. Der Mann ist Vietnamese und - so kommt sehr schnell heraus - aus einem fiktiven brandenburgischen Städtchen namens Elbermünde. Kommissar Stubbe, gespielt von Wolfgang Stumph, fährt hin und entdeckt eine von Rechtsextremen dominierte Kommune. Die Polizisten schauen bei Nazi-Straftaten gern weg und ihre Meinung zum Mord steht fest: Die Zigarettenmafia hat den Mann auf dem Gewissen. Stubbe sieht das anders. Für ihn ist recht bald klar, dass der Mord einen rechtsextremen Hintergrund hat.
Das ZDF zeigte den Film, der am Samstag um 20.15 Uhr läuft, am Montagabend in einer Vorpremiere in Berlin, danach diskutierten der Hauptdarsteller und Regisseur Peter Kahane noch mit Innenminister Thomas de Maizière, dem brandenburgischen Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg und dem erfahrenen Rechtsextremismus-Bekämpfer Bernd Wagner.
Positiv ist, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen anerkannt wird, welche Gefahren von den Neonazis auf dem angeblich idyllischen Land ausgehen und welche von den Erwachsenen gar nicht wahrgenommene Angst Jugendliche in diesen Gegenden oftmals haben müssen, wenn sie anders als die Rechtsextremen sein wollen.
Doch der Film will zu viel, möglichst jede Situation zeigen, die typisch ist für eine von Rechtsextremen dominierte Kommune und den Umgang der Polizei mit dieser Situation: Eine Demo der Linken wird zusammengeschlagen, die Polizisten schreiten nur behäbig ein. Als zwei Nazigegner des Nachts misshandelt werden, verlangt die Polizei nur die Ausweise der Opfer. Nach einem weiteren Mord an einem Neonazi muss die gesamte Bürgerinitiative gegen rechts zum Verhör - trotz Belegen, dass seine Kameraden die Tat begangen haben.
Es wirkt, als müsste hier eine Liste typischer Vergehen abgearbeitet werden, und das lässt das Werk holzschnittartig erscheinen. Dem Zuschauer ist sofort klar, dass der vietnamesische Restaurantbesitzer nicht von der Mafia ermordet worden sein kann, so offensichtlich versucht die Polizei eine Nazi-Beteiligung zu vertuschen.
Die Nazigegner werden in ihrer ersten Szene mit einer überdrehten Tanzeinlage eindeutig als Lebewesen gekennzeichnet, die Polizisten wirken wie Roboter mit nazifreundlicher Programmierung. Es ist klar, wo die Guten und die Bösen stehen und wer die Fehler macht. Das ist schade. Denn die aufgezählten Probleme gibt es zwar im Alltag, aber sie zeigen sich meist nicht in einem Schwarz-Weiß-Kontrast, genau das macht ihre Handhabung schwierig. Polizisten handeln im Umgang mit Rechtsextremen oft falsch, aber eben häufig aus Überforderung oder Gleichgültigkeit. Dies zu zeigen wäre eindrucksvoll gewesen. Doch sowohl die Motivation der Charaktere als auch die Grauzonen kommen zu kurz.
In der Diskussion sagten die Experten dann lauter richtige Dinge, des Öfteren um den Hauptdarsteller einzufangen. Stumph sagte, Wessis wie der sächsische NPD-Chef Holger Apfel würden die Rechtsextremen um sich scharen. Damit wollte er seine Ostdeutschen vor dem Nazi-Verdacht schützen. Abgesehen davon, dass sämtliche Statistiken ein spezielles Naziproblem im Osten zeigen, müssen diese Aussagen für jemanden, der im Osten auf dem Land groß geworden ist, einfach nur zynisch klingen. So ähnlich klingen nämlich auch die Bürgermeister, welche gern betonen, in ihrer Stadt gebe es kein besonderes Problem. Sicherlich wird kaum ein von Rechtsextremen Bedrohter dies als Schutz empfinden.
Mit einer zweiten Bemerkung hat Stumph allerdings recht: Der Rechtsextremismus ist in der Mitte der Gesellschaft verankert. Rassistische Einstellungen stecken in vielen, auch bei Linken. Wird dies nicht anerkannt, hören auch die stereotypen Zuweisungen - hier die Guten, da die Bösen - nicht auf.
Leser*innenkommentare
Baerlinaer
Gast
Rassismus, Gewalt, Sexismus, Denkschienen, Plakatierungen, Vorurteile, Rechthaberei, Feindbilder...
Manche scheinen wirklich zu glauben diese ganzen Dinge seien frei im Raum schwebend und man muss sich nur entscheiden. Nee.. leider nicht, kein (!) Mensch ist frei von all diesen "Eigenheiten", der Mensch hat diverse Schwächen und dazu gehören u.a. die o.g. Es geht viel mehr darum gegen diese eigenen Schwächen zu arbeiten, als andere zu bekämpfen, denen man diese Schwächen vorhält, was ja völlig sinnlos und deshalb auch ineffektiv ist, sonst wären ja diese Dinge längst im Griff!
Und wie kann jemand denken dass sog. Linke nie Rassisten wären (sog. Feindbilder: DIE Kapiltalisten, DIE Amis, DIE Bonzen, DER Staat, DIE Spiesser.. usw. ) Ausserdem ist Linkssein kein Prädikat, und zudem auch noch kaum definierbar und schon garnicht statisch.. übrigens genausowenig wie rechts. Vielmehr machen es sich viele derer einfach in ihrem Nest (Kiez, Gruppe, Denkschema) bequem und glauben, damit sei es getan.
Das Thema ist hier wie überall: ständiger Zweifel, permanente Selbstkritik und bitte: Humor! .. aber nicht Glaube, Lehre, Ideologie, Doktrin!
Ich rede hier natürlich gegen Wände, aber was solls.
anonymos
Gast
ich gebe medienmacher in allen Punkten recht.
es ist außerdem wirklich amüsant zu sehen, wie Leute die offensichtlich keine Ahnung von der Linken Szene und antifaschistischer Arbeit haben (und auch konkrete Demoerfahrung) sich hier aufregen und über etwas urteilen das sie nicht kennen.
Und der Punkt mit "linkem Rassismus" ist ebenfalls unglaublich lächerlich, wenn es abneigung gegenüber Leuten gibt, dann aufgrund deren Einstellung und nicht aufgrund der Herkunft.
3, 4 Jahre und taz hat bild-niveau erreicht...
myrna
Gast
@bruno:
linker rassismus äußert sich meist ziemlich dezent. amis sind oberflächlich, japaner arbeitstiere, chinesen vertragen keinen käse, afrikaner haben mehr rhythmus im blut, araber sind impulsiv, italiener quatschen ständig, türken telefonieren dauernd und deutsche sind ungebildet (außer ihnen selbst natürlich) und eben halt: im osten sind alle jugendlichen rechts.
das hat dann zwar nicht die verhehrenden folgen, die rechte mit ihrem rassismus anrichten, aber rassistisch bleibt es trotzdem. wenn man jetzt mal davon absieht, dass es menschliche rassen nicht gibt, sondern dass wir allesamt eigentlich nur eine unterart des bonobos sind.
Brian von Nazareth
Gast
"Der Rechtsextremismus ist in der Mitte der Gesellschaft verankert. Rassistische Einstellungen stecken in vielen, auch bei Linken."
LOL !
Seit wann steht die taz für die Mitte?
Man braucht sich doch nur mal Euren braunen Kommentarbereich anzusehen, da weiss man dann, wo der deutsche Rechtsextremismus angekommen ist.
Ihr habt die PI-Truppe doch geradezu hier zu Euch eingeladen, vermutlich damit Ihr höhere Zugriffszahlen für die Werbung bekommt.
Wer schon mit dem geligen Diekmann für einen Genossenschaftsanteil ins Bett steigt, der wird die braune Truppe doch nicht verprellen ...
medienmacher
Gast
@Lea: Ich habe wie von Dir über meinen Kommentar nachgedacht. Er ist nicht scharf genug formuliert! Wenn sich der Autor über ein Klischee der "lieben Linke und böse Bullen" ärgert, war er eventuell noch nie selbst auf einer Antifademo. In meiner langjährigen Wahrnehmung sind linke tatsächölich eher lieb und Bullen eher böse. Untätigkeit bei Rechten, aber auch Willkürverhaftungen bei Linken. Entspricht das etwa nicht der Realität? Das, was hier beschrieben wird, stimmt zumindest mit meinen Beobachtungen überein. Und prompt wird die Story aufgrund der Tatsache, daß sie Ähnlichkeit zur Wirklichkeit herstellt, von einem Filmkritiker in die Tonne getreten. Ich gehe davon aus, daß Kultur die Aufgabe hat, den Finger in die Wunde zu legen. Und wenn sie es denn tut und die Dinge beim Namen nennt, findet sich garantiert ein Naseweis, der alles gezeigte als Klischee abtut. Wohl nicht verqueres Regietheater genug, hm? Zu wenig intellektuelle Verfremdung? Zu verständlich? Zuviel Brecht? Ich kann der Kritik nicht folgen. Sie ist in meinen Augen so bourgeois wie unnütz.
PS: Nein, ich heisse auch nicht Stefan.
schlegel
Gast
@ hto:
Na, das nenne ich mal einen Rundumschlag. Und alles in einem Satz! Nur, was hat das mit Film und der Kritik zu tun?
myrna
Gast
@lea:
keine ahnung, wer medienmacher ist und wer stefan.
kannst du dir wirklich nicht vorstellen, dass ziemlich viele menschen seine meinung teilen?
das einzige wort in seinem beitrag, das ich nicht unterschreiben würde, ist "ausgerechnet", denn die taz hat für mich schon seit über 10 jahren spiegelniveau erreicht und sorgt nur noch dafür, dass alles so bleibt, wie es ist.
Lea
Gast
@mediemacher
Denk bitte noch mal nach über deine Meinung!
PS: Stefan, bist du das etwa?
hto
Gast
"... - hier die Guten, da die Bösen - nicht auf."
Und wann wohl, hört Ausbeutung und Unterdrückung, arm und reich, Gewinner und Verlierer, usw. auf - wenn wir im "gesunden" Konkurrenzdenken des "freiheitlichen" Wettbewerbs mit Nano- und Gentechnologie ausreichend systemrational-stumpfsinnig bewußtseinsbetäubt funktionalisiert werden können???
Wilhelm Reich und Kurt Lasswitz
Gast
Liebe Westdrehbuchschreiber
Zur Realität geöhrt aber
aber leider auch dazu das die Wirtschaftlichen Zusammenbrüche
der Wende 1989 in Polen und dem gesammtenOstblock Soziale Armut
und einhergehende höherere Kriminalitätsraten hervorgebracht haben.
Das bekommt man an der Französischen Grenze natürlich weniger
unmittelbar mit.
So haben diese Prozesse nunmal dazu beigetragen das sich diese
Wahrnemungsmuster aufbauten. Die Vietnamesenmafia und Polenmafia sind
genauso realität im Ostblock wie die Stasiseilschaften
in Dresden beim Bau der Chemnitsautobahnschmiergelder oder die
Seilschaften der Vogel-Strauß-Conection oder des Kölner Klüngels.
Nur einseitig die Schieflage im Rechten Milleu des Ostens zu suchen,
wird dem Prozess nicht gerecht.
Der Aufkeimende Rassimus junger Ost und Nordeutscher ist Produkt der
Ökonomischen Schieflage und des Lohngefälles zwischen
Südwesteuropa und China auf der Anderen Seite.
Diese Sozialen Schärfen bilden viele Tentakel.
Einer dieser Köpfe der Medusa ist die Fremdenfeindlichkeit
der andere Kopf ist die aus Arbeitslosigkeit einhergehende
Bildungsarmut und der schärfere Verdrängungswettbewerb um
die Existenz durch die Rar gesähten Arbeitsplätze.
Großes Lob an den Redaktuer der TAZ.
Er hat ziemlich komplex versucht das Thema zu beleuchten
ohne gleich in Vereinfachende Polarisierender weise in
Vorurteile "Ostwest" abzugleiten..
Nur so kann man das Geschwühr des
Rechtsextremismus beseitigen.
Indem man die Triebfedern des Hasses bestehend
aus Eigenliebe, Vorurteilen und Nichtwissen ausradiert.
Und dies in Ost und West,
Zur Toleranz gehört das man
alle Volksgruppen als Menschen begreift
die alle die Selben Chancen und Möglichkeiten haben.
Aber eben auch die selben Pflichten und Löhne.
medienmacher
Gast
Meine Güte, gehts noch? Da gibt es einmal einen Film, der die Problematik des Rechtsextremismus mit Sympathie für die Linken zeigt (was wirklich selten genug ist) und schon wird der Streifen mit Häme übergossen - ausgerechnet aus dem Lager der taz. Da kann sich das konservative Lager im Sender, welches den Film bestimmt nicht produzieren wollte, gestärkt auf den Rücken klopfen... Prima Job gemacht, Herr Filmkritiker.
Ihr name
Gast
ich kann dem artikel nicht entnehmen, was in bezug auf den besprochenen film den titel "nazifreundlich programmiert" rechtfertigt!?
was soll denn nazifreundlich sein? dass der film mit überzogenen stereotypen arbeitet u er deshalb nicht ernst genommen werden braucht, ist das das nazifreundliche???
Bruno Gbronski
Gast
Der letzte Absatz hat mich doch sehr verwundert. Rassismus bei den Linken? Steht in der TAZ? OK.
Kann mir irgendjemand erklären, um welche Form von Rassismus und gegen wen es dabei geht?
Das ist eine ernsthafte Frage, es interessiert mich brennend.
Fritz
Gast
Lechts und rinks: Was soll in der Mitte der Gesellschaft angekommen sein? Das ist doch eher Phantasie. Man muesste erstens ein rechtes Weltbild nachweisen. Dafuer muesste man erstmal definieren, was man meint. Dann muesste man nachweisen, dass dieses Weltbild der Grund fuer bestimmte Taten war. Zu der ersten Frage stell ich mal die Frage, was denn ein linkes von einem rechten Weltbild unterscheidet. Das ist doch selbstverstaendlich, man geht in linke Kneipen? Im Uebrigen gibt es einen Kleinkrieg mit selbstvernannten Antifaschisten. Die haben natuerlich immer recht, wie schon in der DDR. Sie sind aber nicht wirklich anders. Schmeisst doch mal deren Tisch um. Mahler ist auch bei Linken in. Europa sowieso out. In der DDR ist alles anders.
Berlin
Gast
Wieviele Menschen sind sich eigenlich bewusst wann, von wem und zu welchem Zweck die Rundfunkgebühr in eingeführt wurde?
reblek
Gast
"Kommissar Stubbe ermittelt in einem rechtsextrem dominierten Dorf voll böser Bullen und lieber Linken." Was ist das denn für ein Genitiv - "voll lieber Linken". Ich schlage vor: "voll lieber Linker".
vic
Gast
Ich kann keine drastische Überzeichnung erkennen. Vielmehr bringt der Film die Fakten- in der zur Verfügung stehenden Zeit- auf den Punkt.
martin
Gast
bin ja mal gespannt wann sich ein Filmemacher mal an die Links Szene traut.. aber da kann ich wohl lange warten...