Atomkonzern sammelt Infos über Gegner: Dossiers aufgetaucht
Beim Stromkonzern Vattenfall wurden Informationen über Atomkraftgegner gesammelt. Konzernspitze distanziert sich davon: Es gab keinen Auftrag.
BERLIN taz | Eine Mitarbeiterin des Energiekonzerns Vattenfall hat offenbar über längere Zeit Daten zu Atomkraftgegnern erfasst. Nach Recherchen der taz liegen von mindestens zwei Gegnerinnen des Pannenreaktors Krümmel Dossiers beim Atomkonzern vor. Eine Konzern-Sprecherin bestätigte am Freitag, dass eine Mitarbeiterin ein Papier über die Bündnisgrünen-Politikerin Bettina Boll sowie über eine SPD-Abgeordnete des Landtags Niedersachsen angelegt hat. Die Sprecherin sagte, Vattenfall distanziere sich ausdrücklich von dem Vorgang. "Es hat keinen Auftrag gegeben, diese Informationen zusammenzustellen", sagte sie. Es handele sich um die "persönliche Einschätzung einer bei Vattenfall angestellten Person".
Das Dossier, welches der taz vorliegt, war offenbar mit Blick auf Informationsveranstaltungen zwischen Vattenfall und Anwohnern sowie Politikern der Region angelegt worden. In ihm befinden sich auch Fotos beider Politikerinnen. Außerdem hatte die Mitarbeiterin des Konzerns Informationen über die atomkritischen Meinungen der beiden Gegnerinnen und persönliche Einschätzungen zusammengetragen. Unter der Überschrift "Vorsicht bei Bettina Boll" heißt es beispielsweise: "Argumentiert rein emotional, ausschweifende Wortbeiträge, muss nach 1-2 Minuten ermahnt werden."
Die Mitarbeiterin, welche für das Dossier verantwortlich zeichnet, ist laut Angaben der Sprecherin seit Monaten nicht mehr im Atombereich von Vattenfall angestellt. Sie arbeite jedoch an anderer Stelle weiterhin im Konzern. Der Reaktor Krümmel ist seit zwei Jahren vom Netz. Er war nach einem Trafo-Unfall 2007 und zwei Jahren Stillstand im Juni kurzfristig wieder in Betrieb genommen worden - um den nächsten Störfall zu erleben.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen