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Berliner ImmobilienmarktEntspannter wohnen

Das große Mieter-Fressen findet in Berlin noch nicht statt. Dafür gehen die Immobilien-Umsätze rapide zurück.

In Berlin lässt sich noch relativ entspannt ein Mietvertrag unterschreiben. Bild: dpa

"Abkühlung", wie Maren Kern den aktuellen Zustand auf dem Immobiliensektor in Berlin und der Region nennt, ist noch eine euphemistische Umschreibung, die an den Neusprech von Analysten erinnert. In Wirklichkeit müsste man es als "Absturz" oder "Totaleinbruch" bezeichnen, was die Vorsitzende vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmer e. V. (BBU) über den Berliner Immobilien- und Wohnungsmarkt von 2007 bis 2009 erzählt.

Die Umsätze mit bebauten Grundstücken sanken 2008 in Berlin im Vergleich zum Vorjahr um 48 Prozent. In Potsdam waren es sogar 60 Prozent. 2,8 Milliarden Euro weniger wurden in der Hauptstadt umgeschlagen. Der Neubau von Ein- und Mehrfamilienhäusern rutschte von fast 6.000 auf zirka 4.400 Baumaßnahmen. Etwas weniger hart traf es den Markt mit Eigentumswohnungen, wo nur 8 Prozent - bei insgesamt 15.440 Veräußerungen - weniger verkauft wurden. Bei der Bewertung der Zahlen kommt Kern dann doch einmal das Wort "katastrophal" über die Lippen. Die Finanzkrise habe den Immobilienmarkt der Region "bis in dieses Jahr hinein erschüttert". Tendenz gleichbleibend.

Was des einen Leid ist, bietet anderen Stabilität. In Berlin zur Miete wohnen bedeutet noch immer, nur moderaten Steigerungen ausgesetzt zu sein. Ausreißer inbegriffen. Zudem bleibt - trotz des großen Minus beim Wohnungsbau - der Markt stabil. Zu diesen Aussagen kommt in seinem neuesten "Marktmonitor 2009" der BBU, dessen Mitgliedsunternehmen immerhin 40 Prozent (700.000 Wohnungen) des Berliner Wohnungsmarktes bewirtschaften.

800.000 bestehende und neu abgeschlossene Mietverträge hat der Dachverband der überwiegend gemeinnützigen Wohnungsunternehmen 2008 und 2009 von Gewos/Hamburg auswerten lassen. Trotzdem können die großen Zahlen die jüngsten Untersuchungen für die bezirklichen Mietspiegel nicht korrigieren, die den Berliner Wohnungsmarkt durch private Anbieter deutlich verschärft einordnen.

Bemerkenswert für Kern und die Immobilienwirtin Christine Preuß sind besonders, dass sich die "Ausdifferenzierungen" auf dem bezirklichen Wohnungsmarkt ungewöhnlicher als erwartet gestalten. Zwar zahlte man 2008 im Südwesten der Stadt wie gehabt die höchsten Durchschnittsmieten (5,13 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter) und die niedrigsten in Reinickendorf (4,42 Euro). Vor Neukölln mit knapp 5 Euro rangieren Pankow und Marzahn-Hellersdorf (4,40 Euro) und im "Minimum-Sektor" bei kleinen Wohnungen sogar Mitte. Dort gibt es - wie auch immer - vereinzelt noch ab 1,85 Euro pro Quadratmeter Wohnraum. "Noch gibt es Raum im Kiez" - wenn auch immer weniger für alle.

Überraschend an der Studie ist auch, dass "die Behauptung, bei Neuvermietung wird kräftig zugelangt, unbegründet ist", so der BBU. Die Datenvergleiche von 40.000 Neuverträgen hätten ergeben, dass durchschnittlich 2,8 Prozent mehr und 5,08 Euro pro Quadratmeter verlangt werde.

Den Grund für die relative Preisstabiliät bei Mieten und Neuverträgen sieht Kern "im entspannten Wohnungsmarkt mit vier Prozent Leerstand" (107.000 Wohnungen). Was auch für den BBU nur rosige Zeiten bedeutet: Wie kürzlich die Linke fordert der BBU neue Förderkonzepte im sozialen Wohnungsbau. Die "intensive Auseinandersetzung mit Wohnraumversorgung einkommensschwacher Haushalte" sei notwendig. Nur so könne die Mischung der Stadt erhalten werden.

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