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Interview mit BP-Vorstandvositzendem Franke"Wir sind Pioniere"

Weg vom Öl? Der Widerspruch "fossil vs. erneuerbar" existiere nicht, sagt Uwe Franke, BP-Vorstandsvorsitzender. BP werde 2050 die führende Rolle im Energiesektor spielen: Man sei wendig.

Ölpumpen und Leitungen in Bahrain. Bild: ap

taz: Herr Doktor Franke, selbst Ihre Energielobby fordert inzwischen "Klimaschutz sofort", wie zuletzt im World Energy Outlook. Wie kommt's?

Uwe Franke: Wir sind uns alle einig, dass das 2-Grad-Ziel eingehalten werden muss. Dafür müssen bis 2050 deutliche Maßnahmen umgesetzt werden. Und je eher man anfängt, die CO2-Emissionen zu senken, umso besser. Das darf aber nicht Hals über Kopf passieren, weil wir beachten müssen, dass es bezahlbar bleibt. Wir müssen also die Maßnahmen umsetzen, die CO2 sparen, aber dies auch zu den niedrigsten Kosten.

Was heißt das für Sie konkret?

ap

Uwe Franke, 60,Vorstandsvorsitzender der Deutschen BP. Er steht seit Mai 2008 auch dem deutschen Verband der Mineralölwirtschaft vor. In den 1990er-Jahren leitete er unter anderem das Handelsgeschäft der BP Oil Europe in Brüssel. 1999 übernahm er den Chefposten bei der Deutschen BP

Daraus ergibt sich eine gewisse Reihenfolge. Die allererste Maßnahme ist Energieeffizienz. Der zweite Punkt ist, dass das CO2-Problem global ist und nicht nur in Deutschland oder Europa gelöst werden kann. Wir müssen prüfen, wo CO2 am günstigsten eingespart werden kann. Aus meiner Sicht müssen wir mehr für die sogenannten CDM-Projekte tun, also in Entwicklungsländern finanzierte Klimaschutzmaßnahmen, deren Emissionseinsparung wir uns hier anrechnen lassen dürfen.

Wenn bis 2050 80 Prozent CO2 eingespart werden müssen, dann wird das nicht reichen. Dann muss man auch hier etwas machen.

Zurzeit laufen wir Gefahr, Geld für die falschen Dinge zu verschwenden. Wir sollten uns vor Aktivismus hüten und rationale Entscheidungen treffen. Wenn wir Klimaschutz zu teuer betreiben, gefährden wir die europäische Industrie, die dann ihre Tätigkeit ins Ausland verlagert. Das wird dem Klima schaden.

Eine wesentliche Mitschuld am Klimaproblem hat auch die Ölindustrie, die lange versucht hat - als die Klimasache schon ziemlich klar war -, da noch möglichst viel Verwirrung hineinzubringen.

BP war unter den Ersten unserer Industrie, die laut und deutlich schon 1997 Maßnahmen gefordert haben. Wir sind die Pioniere des Emissionshandels, indem wir das Instrument intern als Erste 1998 eingeführt haben. Ich will aber nicht bestreiten, dass es auch in der Mineralölwirtschaft Zweifler gegeben hat, wie in jeder anderen Industrie und wie bei vielen Politikern auch.

Haben Sie denn den Eindruck, dass das jetzt nicht mehr so ist? Das war ja schon die Mehrheit in der Ölindustrie, die den Klimawandel angezweifelt hat.

Alle haben dazugelernt, auch die, die gezweifelt haben. Ich glaube, inzwischen erkennen fast alle, dass an dem Klimaproblem etwas dran ist. Es ist nur zu unterscheiden zwischen jenen, die es erkannt haben und nichts tun, und jenen, die es erkannt haben und etwas tun.

Wenn wir die von der Wissenschaft geforderten Reduktionsziele wirklich erreichen und mindestens 80 Prozent weniger CO2 ausstoßen, würde Ihr gesamtes Geschäftsmodell nicht mehr ohne Weiteres funktionieren. Wie stellen Sie sich dann überhaupt vor, als Mineralölkonzern noch Geschäfte zu machen?

Die Senkung um 80 Prozent ist das Ziel bis 2050 – bis dahin wird in der Welt viel passieren. Wir werden uns anpassen, sodass wir auch 2050 noch eine der führenden Energiefirmen der Welt sein werden. Wir dürfen eines nicht vergessen: Schätzungen ergeben, dass die Welt bis 2030 zwischen 40 und 50 Prozent mehr Energie braucht. Die muss irgendwo herkommen. Der Widerspruch "fossil oder erneuerbar" existiert nicht. Wir werden einen Weg finden müssen, alle verfügbaren Energien zu benutzen.

Wie sehen für Sie dennoch die Alternativen der Zukunft aus?

Alternativen bestehen im sinnvollen Einsatz von Biokraftstoffen in Kombination mit Hybriden im klassischen Verbrennungsmotor. Wir arbeiten zum Beispiel an der Entwicklung von Biobutanol, das 85 Prozent des Energiegehalts von Benzin besitzt.

Wo bekommen Sie Biobutanol her?

Es wird genauso hergestellt wie Ethanol, also etwa aus Zuckerrohr. Wir werden 2015 die erste Butanol-Anlage stehen haben. Beim Zuckerrohr haben wir den Vorteil, dass aus einer sehr geringen Fläche eine sehr hohe Ausbeute zu erzielen ist und die Produktion nur wenig mit der Nahrungskette in Konflikt gerät. In Brasilien stehen genügend Flächen zur Verfügung, und zwar außerhalb des Regenwaldes.

Bei den Mengen an Autos bekommt man immer ein Flächenproblem. Es ist immer ein Eingriff in das Ökosystem. Aus dem Problem kommen Sie nicht heraus.

Ich glaube, dass der Anbau in Brasilien am wenigsten Konflikte erzeugt. Da können wir auch gerne zusammen in die brasilianische Botschaft gehen. Die bemühen sich darum, dieses Vorurteil zu beseitigen. Dieses Argument, das auch gerne von Umweltschützern benutzt wird, ist wirklich nur Unsinn.

Eine Studie wirft Ölkonzernen vor, sie nähmen immer mehr CO2-Ausstoß in Kauf, weil es immer schwieriger sei, Öl überhaupt zu fördern – auch ein unsinniges Argument?

Mit dem zweiten Teil Ihrer Frage stimme ich überein, mit dem ersten weniger. Denn wir entwickeln ständig neue, CO2-ärmere Technologien.

Der nächste große Schritt in Richtung mehr Klimaschutz ist die Konferenz in Kopenhagen. Erwarten Sie einen guten Abschluss?

Ich bin für die Konferenz skeptisch. Wenn jemand feste Zusagen von den Schwellenländern und den USA für quantitative Ziele erwartet, dürfte er enttäuscht werden. Was wir erwarten können, ist ein Konsens darüber, dass Aktion gefordert ist, dass alle dem Prinzip zustimmen, dass die ärmeren Länder, die am meisten vom Klimawandel betroffen, aber finanziell unterentwickelt sind, Zuschüsse brauchen.

Den Konsens haben wir jetzt schon oft genug gehört. Alle sind sich einig: Es muss eine Finanzierung geben, es muss Reduktionsziele geben.

Richtig. Wir brauchen die Verpflichtung auf quantitative Ziele - sowohl monetärer Art als auch bei den Reduktionszielen. Aber dies sind diplomatische Verhandlungen und ist kein Tarifkonflikt. Darum werden auch die Ergebnisse in der Sprache der Diplomaten formuliert. Ich hoffe, man wird sich wenigstens auf eine ganze Menge Prinzipien einigen. Die Ausarbeitung der Details wird dann auf einer weiteren Konferenz erfolgen. Das ist der Weg der Politik. Und der erfordert eine gewisse Geduld.

Das Klima hat keine Geduld.

Na ja, ob das Klima Geduld hat, ist reine Spekulation. Wir haben keine Zeit zu verlieren, aber Hektik und den Kopf abschalten bringt uns nicht weiter. Wenn es heißt, Kopenhagen sei an zu hohen Erwartungen gescheitert, gewinnen wir auch nichts. Es muss aus Kopenhagen einen Weg nach vorne geben, einen Weg, der weitere Schritte festlegt. Entscheidend ist: Wir brauchen einen weltweiten Preis für CO2. Jede Emission muss Geld kosten. Das muss global gelten, sonst kommen wir aus dem sogenannten Carbon Leakage", also der Verschiebung der Produktion, nicht heraus.

Wie bewerten Sie die neue schwarz-gelben Bundesregierung? Ist sie nicht zu zögerlich?

Man muss jede Regierung an dem messen, was sie liefert. Der Koalitionsvertrag ist der Beginn, nicht das Ende. Im Koalitionsvertrag hat die neue Regierung doch mit der Faust auf den Tisch gehauen: Eine CO2-Minderung von 40 Prozent, das ist doch eine Ansage.

Die Regierung sagt nicht, wie sie es erreichen will.

Sie sagt es doch: 40 Prozent – das bleibt ein mutiger Schritt. Die EU will ja im Schnitt auf 20 Prozent kommen. Die Regierung wird in der EU dafür werben müssen, damit nicht womöglich Länder sagen: Super, Deutschland macht minus 40 Prozent, dann müssen wir gar nichts mehr tun … Und nun schauen wir mal, was in den Details kommt. Wenn ich die Interviews richtig lese, habe ich nicht den Eindruck, dass Umweltminister Norbert Röttgen mit seinen Leistungen hinter seine Vorgänger zurückfallen will.

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