Sri Lankas Wahl stärkt nicht den Frieden

Der bisherige Premierminister Mahinda Rajapakse gewinnt knapp die Präsidentschaftswahl. Zum neuen Premier will er den Chef der radikalen singhalesischen Partei JVP machen, die jegliche Autonomielösung für die Tamilengebiete ablehnt

AUS COLOMBO RALF LEONHARD

Mahinda Rajapakse hat an seinem gestrigen 60. Geburtstag allen Grund zum Feiern. Wahlkommissar Dayananda Dissanayake erklärt den bisherigen Premierminister am frühen Nachmittag zum Sieger der Präsidentenwahlen. Mit 50,29 Prozent der gültigen Stimmen liegt Rajapakse so knapp vor seinem Rivalen Ranil Wickramesinghe, dass den ganzen Vormittag noch Unklarheit über den Ausgang herrschte.

Die Anspannung ist in den Straßen der Hauptstadt Colombo spürbar. An strategischen Punkten ist Polizei postiert. Vor allem kleine Geschäftsleute halten ihre Läden geschlossen. Der sonst so chaotische Verkehr ist dürftig und geradezu manierlich. Die befürchteten Proteste oder Zusammenstöße rivalisierender Parteigänger bleiben aber aus.

Bei einer Differenz von kaum 180.000 der über 9,5 Millionen abgegebenen Stimmen bleiben Manipulationsvorwürfe nicht aus. In Colombo waren mehrere tausend Personen mit gültigen Wahlkarten nicht in den Registern erfasst. Die meisten dieser Personen gehörten ethnischen oder religiösen Minderheiten an, die eher zur Opposition neigen.

Den Antrag von Wickramesinghes Vereinigter Nationalpartei (UNP), die Wahlen im Norden wiederholen zu lassen, weist der Wahlkommissar ab. Denn während die Wahlbeteiligung landesweit bei 74 Prozent lag, befolgte die tamilische Bevölkerung in den nördlichen Provinzen den Boykottaufruf der Rebellenorganisation Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE). So lag im Distrikt Jaffna die Beteiligung unter 1 Prozent. In der Stadt Kilinochchi, dem Sitz der interimistischen LTTE-Verwaltung, wählte nur eine Person. Die Stimme ging an Wickramesinghe, der versprochen hatte, den Friedensdialog mit der LTTE bedingungslos wieder aufzunehmen.

Seit Februar 2002 herrscht eine prekäre Waffenruhe, die den 20 Jahre von beiden Seiten brutal geführten Bürgerkrieg vorerst beendete. 64.000 Tote und nahezu 1 Million Vertriebene sind die Bilanz des durch ethnische Intoleranz ausgelösten Konflikts. Immer wieder werden politische Morde verübt, für die niemand die Verantwortung übernimmt. Anschläge auf rund 60 vermeintliche Armeespitzel werden der LTTE ebenso zur Last gelegt wie das Attentat auf Außenminister Lakshman Kadiragamar im August. Auch mehrere LTTE-Kader wurden in den vergangenen Monaten ermordet. An der Ostküste operiert eine LTTE-Abspaltung unter Armeeschutz als Paramilitärs. Am gestrigen Morgen werfen Unbekannte zwei Handgranaten in eine Moschee in Akkaraipattu an der Ostküste. Sechs Muslime sterben, mindestens 18 werden verletzt. Kurz vor den Wahlen hatte es mehrere ähnliche Anschläge auf Büros der regierungsnahen Tamilenpartei EPDP gegeben.

Das Wahlergebnis zeigt die Zerrissenheit des Landes. Im dicht besiedelten Süden und Westen, wo sich die singhalesisch-buddhistische Mehrheit konzentriert, siegt Rajapakse in fast allen Wahlkreisen. Im tamilischen Norden und im gemischt-ethnischen Osten liegt Wickramesinghe deutlich vorn. Die Unternehmer, die auf einen dauerhaften Frieden drängen, und das diplomatische Corps sehen der Amtsführung des künftigen Präsidenten mit Skepsis entgegen. Er hat versprochen, den Chef der radikal singhalesisch-nationalistischen Partei JVP zum Premier zu ernennen. Die JVP lehnt jede Autonomielösung für die Tamilengebiete ab. Damit sind neue Konflikte vorprogrammiert. Die bisherige Präsidentin Chandrika Kumaratunga wird ihr Amt in den nächsten Tagen an ihren Nachfolger weitergeben, ihren Einfluss als Vorsitzende der regierenden Sri Lanka Freiheitspartei aber behalten.

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