piwik no script img

Luftangriff in KunduzErmittlungen können starten

Ein Untersuchungsausschuss soll sich mit dem Luftangriff in Kundus beschäftigen. Für die Ermittlungen gegen Oberst Georg Klein ist endlich der Bericht der Feldjäger eingetroffen.

Was genau geschah beim Luftangriff auf den Tanklaster? Bild: dpa

BERLIN taz | Noch vor Weihnachten soll es einen Untersuchungsausschuss zur Vertuschungsaffäre nach dem Luftangriff in Kundus geben. Der Verteidigungsausschuss des Bundestags beschloss am Mittwoch, in der kommenden Woche einen Untersuchungsauftrag zu formulieren. In zwei Wochen soll er sich dann in einen Untersuchungsausschuss verwandeln. Dies sieht das Grundgesetz so vor.

Dazu müssen sich Koalitions- und Oppositionsfraktionen allerdings noch einig werden, was von ihren Sitzungen geheim bleiben soll. SPD, Grüne und Linke verlangen, dass ein großer Teil der Sitzungen öffentlich stattfindet, die Koalitionsfraktionen wollen die Öffentlichkeit nur in Ausnahmefällen zulassen.

Doch haben Grüne und Linke bereits angekündigt, dass sie im Zweifel einen weiteren parlamentarischen Untersuchungsausschuss verlangen werden. Diese Drohung könnte für eine Einigung reichen – zumal Union und FDP sich ebenfalls zu Transparenz bekennen.

Während der Ausschuss eher die Beschönigung und Vertuschung durch die Bundesregierung behandelt, befasst sich die Justiz mit der Frage, ob sich Oberst Georg Klein strafbar gemacht hat, als er das Bombardement zweier Tanklaster mit bis zu 142 Toten orderte.

Seit Anfang November prüft die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, ob ein Kriegsverbrechen vorliegt. In einer ersten Stellungnahme hieß es, nach bloßer Zeitungslektüre habe man noch keinen Anfangsverdacht. Das dürfte sich inzwischen aber geändert haben.

Seit Wochen werten die Bundesanwälte den Nato-Untersuchungsbericht aus. Wie die taz erfuhr, schickte das Verteidigungsministerium nun endlich auch den Feldjäger-Bericht, den der ehemalige Minister Franz Josef Jung (CDU) den Ermittlern wochenlang vorenthalten hatte. "Wir mussten nicht mahnen", sagte Oberstaatsanwalt Frank Wallenta auf Nachfrage, "hätten es aber sicher bald getan." Außerdem übersandte das Verteidigungsministerium weitere Unterlagen, die die Bundesanwaltschaft auch prüfen muss.

Wie man in Karlsruhe hört, kann das noch Wochen dauern. Bisher wird nur geprüft, ob überhaupt ein Ermittlungsverfahren gegen Klein eingeleitet wird. Voraussetzung für ein Verfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch ist, dass in Afghanistan ein "bewaffneter Konflikt" vorliegt.

Außerdem müsste es Anhaltspunkte dafür geben, dass Klein "sicher erwartete", es werde bei dem Bombardement unverhältnismäßig viele zivile Opfer geben. Im bewaffneten Konflikt ist nicht jede Tötung von Zivilisten strafbar.

Wenn die Bundesanwaltschaft einen bewaffneten Konflikt verneint, wäre das für Klein eher ungünstig. Dann müsste eine normale Staatsanwaltschaft den Fall übernehmen und wegen Mord oder fahrlässiger Tötung ermitteln. Im normalen Strafrecht sind die Strafbarkeitsschwellen niedriger und die Strafen höher als im Kriegsrecht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • R
    Raoul

    Wenn hier und anderswo versucht wird, den Oberst Klein zu exkulpieren, dann hat dies ein besonderes "Gschmäckle". Vermutlich soll die Justiz und allem die Öffentlichkeit im Vorfeld beeinflusst werden.

     

    Klein hat entschieden und befohlen. Mehr als 140 Menschen (darunter selbstverständlich auch Terroristen) haben bei dem Angriff ihr Leben verloren.

     

    Eine saubere Aufarbeitung im Bundestags-untersuchungsauschuss und durch die Justiz ist notwendig. In einer Demokratie darf nichts vertuscht werden. Ganz gleich, ob es einer Regierung, der Bundeswehr oder "interessierten" Kreisen passt oder nicht.

  • V
    vic

    Nicht zu fassen wie hier von allen Seiten kreative Wortklauberei betrieben wird, nur um Klein und die Merkel-Regierung sauber aus dem Desaster zu retten.

    Die zivile Staatsanwaltschaft windet sich wie ein Aal, und jeder Parlamentarische Untersuchungsausschuss war bislang vor allem ein Parlamentarischer Vertuschungsausschuss.

  • A
    audio001

    Das ganze Verhalten der Verantwortlichen war und ist nicht plausibel! Selbst wenn (schlimm genug) durch eine vermutlich unangemessene fahrlässige Befehlsgebung eines Offiziers vor Ort, Zivilisten zu Schaden gekommen sind, hätte es für die Verantwortlichen doch keinen plausiblen Grund gegeben zu versuchen dieses zu verschleiern!?

     

    Warum sollten die Verantwortlichen in Bundeswehr oder Bundesverteidigungsministerium ein mögliches Fehlverhalten eines Offiziers vor Ort decken wollen?

     

    Für mich persönlich bekäme - wenn überhaupt - das Ganze nur einen Sinn, wenn in der Zeit vor dem Angriff bereits eine Informationslage gegenüber dem Einsatzführungskommando bzw. dem Bundesverteidigungsministerium (oder wem auch immer?) bestanden hätte, aus der man in der Öffentlichkeit den Schluss hätte ziehen können, dass es möglicherweise eine Einflussnahme auf die Geschehnisse sprich Befehlsgebung vor Ort gegeben haben könnte!?

     

    Anders formuliert: Könnte es sein, dass sich der verantwortliche Offizier vor Ort für das „go“ des Luftangriffs, an anderer Stelle rückversichert hatte?

     

    Und offensichtlich haben sich diese Stunden vor dem Luftangriff (22.00 bis 1.30 Uhr), aus Sicht der Geschehnisse im Einsatzführungskommando bzw. dem Bundesverteidigungsministerium, bislang einer abschließenden Bewertung entzogen!- Insoweit ist auch diese Fragestellung abschließend im Untersuchungsausschuss zu klären!

  • R
    Raoul

    Wenn hier und anderswo versucht wird, den Oberst Klein zu exkulpieren, dann hat dies ein besonderes "Gschmäckle". Vermutlich soll die Justiz und allem die Öffentlichkeit im Vorfeld beeinflusst werden.

     

    Klein hat entschieden und befohlen. Mehr als 140 Menschen (darunter selbstverständlich auch Terroristen) haben bei dem Angriff ihr Leben verloren.

     

    Eine saubere Aufarbeitung im Bundestags-untersuchungsauschuss und durch die Justiz ist notwendig. In einer Demokratie darf nichts vertuscht werden. Ganz gleich, ob es einer Regierung, der Bundeswehr oder "interessierten" Kreisen passt oder nicht.

  • V
    vic

    Nicht zu fassen wie hier von allen Seiten kreative Wortklauberei betrieben wird, nur um Klein und die Merkel-Regierung sauber aus dem Desaster zu retten.

    Die zivile Staatsanwaltschaft windet sich wie ein Aal, und jeder Parlamentarische Untersuchungsausschuss war bislang vor allem ein Parlamentarischer Vertuschungsausschuss.

  • A
    audio001

    Das ganze Verhalten der Verantwortlichen war und ist nicht plausibel! Selbst wenn (schlimm genug) durch eine vermutlich unangemessene fahrlässige Befehlsgebung eines Offiziers vor Ort, Zivilisten zu Schaden gekommen sind, hätte es für die Verantwortlichen doch keinen plausiblen Grund gegeben zu versuchen dieses zu verschleiern!?

     

    Warum sollten die Verantwortlichen in Bundeswehr oder Bundesverteidigungsministerium ein mögliches Fehlverhalten eines Offiziers vor Ort decken wollen?

     

    Für mich persönlich bekäme - wenn überhaupt - das Ganze nur einen Sinn, wenn in der Zeit vor dem Angriff bereits eine Informationslage gegenüber dem Einsatzführungskommando bzw. dem Bundesverteidigungsministerium (oder wem auch immer?) bestanden hätte, aus der man in der Öffentlichkeit den Schluss hätte ziehen können, dass es möglicherweise eine Einflussnahme auf die Geschehnisse sprich Befehlsgebung vor Ort gegeben haben könnte!?

     

    Anders formuliert: Könnte es sein, dass sich der verantwortliche Offizier vor Ort für das „go“ des Luftangriffs, an anderer Stelle rückversichert hatte?

     

    Und offensichtlich haben sich diese Stunden vor dem Luftangriff (22.00 bis 1.30 Uhr), aus Sicht der Geschehnisse im Einsatzführungskommando bzw. dem Bundesverteidigungsministerium, bislang einer abschließenden Bewertung entzogen!- Insoweit ist auch diese Fragestellung abschließend im Untersuchungsausschuss zu klären!