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Zeitungszusteller verklagt ArbeitgeberHarte Bedingungen in umkämpfter Branche

Ein Zeitungszusteller verklagt seinen Ex-Arbeitgeber wegen ausbeuterischer Arbeitsbedingungen.

"Ihre Zeitung finden Sie in Ihrem Briefkasten": Mit dieser schriftlichen Mitteilung an die Abonnenten protestierte der Zeitungszusteller Gerhard Auth gegen die Arbeitsbedingungen in der Branche. Die Verpflichtung, die Zeitungen auf Wunsch bis an die Wohnungstür der Abonnenten zu bringen, ist für ihn unzumutbar. "Das Treppensteigen macht mir wenig aus, aber nicht für 7 Euro pro Stunde", betont Auth. Für seine Weigerung wurde er von der Zustellagentur Wedding fristlos entlassen.

Nachdem er vor das Arbeitsgericht gezogen sei, habe die Firma ihn wieder eingestellt, erzählt Auth - aber er habe dann nur noch Touren bekommen, bei denen er nicht einmal 400 Euro im Monat verdiente. "Mehrmals wurde ich einer Tour als Begleiter zugeordnet. Dann wurde mir die Arbeit zwischen 3 und 6 Uhr nur mit einem Taschengeld von 12 Euro vergütet." Mittlerweile hat Auth den Job an den Nagel gehängt und klagt vor dem Arbeitsgericht auf die Erstattung ausstehender Löhne. So habe er mehrmals über eine Stunde auf die Anlieferung der Zeitungen gewartet und sei dann ohne einen Cent weggeschickt worden.

Ein Mitarbeiter des Rechtsanwaltsbüros, das die Zustellagentur Wedding juristisch vertritt, sieht darin jedoch keine Vertragsverletzung. Im Arbeitsvertrag werde der Agentur ausdrücklich das Recht eingeräumt, den Zustellbezirk, die Zustelltour und die Menge der Zustellmaterialien jederzeit zu ändern.

"Die von Auth geschilderten Arbeitsbedingungen sind in der Branche durchaus keine Ausnahme", sagt der zuständige Berliner Ver.di-Fachbereichsleiter Andreas Kühn. Der Unterbietungswettbewerb bei Arbeitsbedingungen und Löhnen mache sich hier stark bemerkbar. Für seine Gewerkschaft sei die Mitgliederwerbung in dieser Branche trotzdem nicht einfach. "So wurden in Berlin Agenturen geschlossen, nachdem die Belegschaft einen Betriebsrat gründen wollte."

Trotzdem wäre es vor über 2 Jahren fast zu einer Protestaktion in Neukölln gekommen. GewerkschafterInnen und ZustellerInnen hatten ein Schreiben an die ZeitungsabonnentInnen aufgesetzt, in dem sie die schlechten Arbeitsbedingungen schilderten. "Aber weil die Ängste der meisten ZustellerInnen nicht ausgeräumt werden konnten, wurde die Aktion abgeblasen", erinnert sich Kühn.

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1 Kommentar

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  • H
    Hagen

    Ja und...? Wie steht die taz zu dem Ganzen?

     

    Ihr lasst eure Abonnenten doch sicherlich auch durch unterbezahlte Zeitungsausträger beliefern. Oder vergebt ihr eure Aufträge etwa nach gewissen Kriterien? Der Artikel könnte ruhig etwas weiter ausholen, auch wenn sich die taz damit womöglich selbst belastet!