Weihnachtsbacken: Von Engeln zu Bengeln

Im lila Ambiente der Hamburger Kindertagesstätte Bengel und Engel sollen Väter und Kinder gemeinsam Plätzchen für Weihnachten backen. Nach großer Verlegenheit seitens der Väter legen die Kinder richtig los und veranstalten eine große Mehl- und Teigschlacht.

Während die Väter noch ganz auf das ordnungsgemäße Kneten des Teigs fixiert sind, tauen die Kinder langsam au Bild: Ulrike Schmidt

"Heute darf es hier auch mal richtig schmutzig werden", sagt Ökotrophologin Heike Niemeier begeistert. Aber es scheint fast so, als glaube selbst sie nicht daran, dass es wirklich dazu kommen wird. Lila Kerzen hängen von der Decke herunter, eine pinke Uhr zeigt die Zeit an und auch die Wände im "Kinderrestaurant" der Kindertagesstätte Bengel und Engel sind in Lila gestrichen. Auf jedem Tisch liegt ein Rezept, eingeschweißt in Plastik. "Damit es weder knicken noch verschmutzen kann". Schürzen gibt es auch, für jedes Kind eine, ordentlich zusammengelegt, gleich neben dem Eingangsbereich. Im Hintergrund läuft klassische Weihnachtsmusik.

Mit verschränkten Armen sitzen die Kinder auf den Schößen ihrer Väter. Auch die Väter wirken verlegen. Sie klammern sich an ihren Kindern fest wie an Rettungsringen. Man spricht sich mit "Sie" und dem Nachnamen an. Es ist das erste Mal, dass die Kita ein gemeinsames Weihnachtsbacken für Kinder und Väter anbietet, doch bei den rund zehn Vater-Kind-Paaren will noch nicht so recht Weihnachtsstimmung aufkommen.

Heike Niemeier lässt sich allerdings nicht abbringen: "Auf jedem Tisch liegt ein anderes Rezept", erklärt sie, "die Väter lesen jetzt die Rezepte vor und die Kinder überprüfen, ob alles da ist." Zerstreut greifen die Herren zu den Plastikkärtchen. "Ja, ähm, ein Ei, ist da, ein halber Liter Milch, ist da. Geraspelte Mandeln, ähh, sind da…" hört man es durch den Raum murmeln. Die Kinder beobachten zunächst schweigend.

Das Rezept stammt von einer Frau Pfaff aus Wien, ist also original und authentisch, wie es originaler und authentischer nicht geht. Die Kipferln sollen möglichst klein sein und entstehen, indem man Würstchen rollt und diese biegt. Das können Kinderhände, es macht Spaß und schmeckt.

Hier die Zutaten:

Für den Teig nehme man

250 g. Mehl

210 g. Butter

100 g. geriebene Nüsse oder Mandeln

70 g. Staubzucker

Schön verkneten und etwas im Kühlschrank rasten lassen. Dann Kipferln formen und aufs Blech legen.

Bei 160 Grad Celsius nicht zu lange backen lassen. Sie dürfen nicht braun werden, sonst wird die Butter bitter. Die Kipferln noch warm in einer Mischung aus Staubzucker und Vanillezucker drehen, bis sie weiß werden.

Gerne gebacken und gegessen werden auch die klassischen Ausstechplätzchen, hier ein Teig, der ganz wunderbar ist:

ein Pfund Mehl

ein halbes Pfund Butter

ein halbes Pfund Zucker

fünf Eigelbe

Kneten, rasten lassen, platt machen, ausstechen und backen wie die Kipferln. (fez)

Auch beim Teigmischen übernehmen die Väter erst einmal die Kontrolle. Aber dann klatscht irgendwo ein Ei auf den Tisch. Die aufkommende Unruhe nutzen Oskar und Benny, um von dem Teig zu probieren, der gerade vor ihnen geknetet wird. Andere Kinder tun es ihnen gleich. Hier und da hört man ein erstes Kichern. Verschmitzte Blicke wechseln zwischen den Tischen. Während die Väter noch ganz auf das ordnungsgemäße Kneten des Teigs fixiert sind, stehen die Kinder bereits auf und laufen zwischen den Tischen hin und her.

Herr Dahl hält kurz mit dem Kneten inne, um zu erklären, warum er sich bei seinem Sohn Richard für eine zuckerfreie Ernährung entschieden hat. "Da unser Sohn weder in der Kita noch zu Hause Süßkrams bekommt, kennt er Zucker eigentlich gar nicht", sagt er. "Dadurch hat sich bei ihm einfach nie ein Verlangen nach Zucker entwickelt", behauptet er noch stolz und merkt erst dann, dass sein Sohn gar nicht mehr neben ihm sitzt. Der zweijährige Richard hat die Gelegenheit genutzt und ist zum Nebentisch gelaufen, auf dem gerade der Teig für die Cookies ausgebreitet wird. Mit vollem Mund kommt er zurück. Als Herr Dahl versteht, was da gerade eben passiert ist, wiegelt er verlegen ab: "Das ist wegen der Butter im Teig." Die möge Richard halt so gerne.

Die nächste Aufgabe lässt auch die Väter etwas auftauen. Aus dem Teig für die Rote Pünktchen Cookies müssen Kekse geformt werden. Dafür setzten sich alle zusammen um einen großen Tisch. Die Kinder machen jetzt begeistert mit und die Gespräche der Väter drehen sich langsam auch um Themen, die nichts mehr mit Kindern und Keksen zu tun haben. Für Richard der perfekte Zeitpunkt, um mit seinem Naschdrang in die Großoffensive zu gehen. Die Idee ist, dass die Kinder ihre Hände befeuchten, ein Stück Teig gereicht bekommen, dieses formen und dann aufs Blech legen. Richard hingegen befeuchtet sich die Hände, bekommt ein Stück Teig, formt es und schiebt es sich in den Mund. Als der Nachschub eine Weile ausbleibt weil die Betreuerin neues Wasser holt, kompensiert Richard die Unterbrechung dadurch, dass er sich bei den fertig geformten Keksen vom Blech bedient. Bei dem Teig für die Schoko-Walnuss-Cookies ist Richard jedoch skeptischer. Er betrachtet ihn eine Weile und sagt dann: "Das sieht aus wie vom Wauwau". Oskar und Benny, die ein wenig älter sind, werden da schon deutlicher: "Kaka!", schreien sie, "das ist Kaka!"

Das Weiß des Mehls hat mittlerweile das anfänglich vorherrschende Lila des Raums zurück gedrängt. Es ist überall: auf dem Boden, den Tischen und den Klamotten. Zudem sind die Tische und Stühle mit Flüssigkeiten und Teigresten überzogen und die Klassikmusik verstummt. Sie wurde vom Lärm der Kinder überstimmt, so dass irgendwann jemand den Stecker gezogen hat. Und auch die eingeschweißten Rezepte sind nicht mehr das, was sie mal waren. Sie sind trotz Schutzfolie zerknickt und an manchen Stellen ist Feuchtigkeit eingedrungen.

Oskar, der zwischen den Tischen umher rennt, hält kurz inne. Er guckt sich prüfend um, nickt zufrieden und verkündet dann: "Jetzt ist alles durcheinander. Jetzt freuen wir uns."

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