Fünf Jahre Hartz IV: Hauptsache Arbeit
Die Forscher des IAB ziehen ein positives Fazit der Hartz-IV-Reform. Es gebe weniger Langzeitarbeitslose. Doch viele ehemalige ALG-II-Bezieher finden nur Billigjobs.
Hartz IV ist besser als sein Ruf. Dies ist Tenor der Bilanz des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fünf Jahre nach Inkrafttreten der Reform. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist demnach deutlich zurückgegangen. "Wir haben in der Tendenz alle Ziele erreicht", sagte Joachim Möller, der Direktor des Instituts, am Dienstag in Berlin.
Gleichzeitig räumte Möller, dass es nicht unwesentlichen Nachbesserungsbedarf gebe. So bräuchten etwa alleinerziehende Arbeitslose bessere Unterstützung bei der Suche nach einer Kinderbetreuung.
Als Erfolg sehen die Forscher des Instituts, das der Agentur für Arbeit angegliedert ist, den Rückgang der Zahl der Langzeitarbeitslosen auf 4,92 Millionen im Juli 2009. Vor drei Jahren gab es noch knapp eine halbe Million mehr erwerbsfähige Hilfeempfänger. Trotz Wirtschaftskrise, so IAB-Vizedirektor Ulrich Walwei, habe die Zahl der Hartz-IV-Empfänger bislang kaum zugenommen.
Entwarnung gibt es aber trotzdem nicht: Im kommenden Jahr rechnet das IAB damit, dass sich das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit verschärft.
Trotz der gegenwärtig noch stabilen Statistik zeigen die Daten des IAB auch: für diejenigen, die Hartz IV beziehen, ist der Ausstieg schwierig. Etwa drei Viertel der Betroffenen beziehen mindestens 12 Monate lang Arbeitslosengeld II. Ältere und Migranten der ersten Generation sowie Menschen ohne Schulabschluss fassen kaum wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß. Sie machen auch 88 Prozent der Arbeitslosengeld-II-Bezieher aus.
Nur die Hälfte derer, die den Ausstieg aus Hartz IV schaffen, findet einen neuen Job. Dabei nehmen deutlich häufiger Männer eine Beschäftigung auf als Frauen. Als Alternative zur Arbeit absolvieren vor allem die 25-Jährigen stattdessen Ausbildung oder Studium. Von den älteren ehemaligen Hartz-IV-Beziehern kehrt nur jeder Fünfte in die Arbeitswelt zurück, die meisten gehen in Rente.
Wer wieder eine Arbeitsstelle gefunden hat, arbeitet sehr häufig für Niedriglöhne. Die Hälfte der ehemaligen Hartz-IV-EmpfängerInnen verdient nicht mehr als 7,76 Euro Stundenlohn. Nur jeder Dritte nimmt eine unbefristete Vollzeitbeschäftigung auf.
Wilhelm Adamy, Arbeitsmarktexperte vom Deutschen Gewerkschaftsbund DGB, stellte die Zahlen in Frage, mit denen das IAB den Abbau von Arbeitslosigkeit in den letzten fünf Jahren begründete: Diese sind von Juni 2006 an erhoben worden. Rechnet man die Zahlen seit Mitte 2005 in die Bilanz, so Adamy, stelle sich heraus, dass die Hilfebedürftigkeit heute immer noch auf dem selben Niveau sei wie vor fünf Jahren.
Kritisch äußerte sich Adamy auch über die Verbindung sozial- und arbeitspolitischer Maßnahmen. Häufig würde nur eine kurzfristige und schnelle Lösung gesucht, persönliche wie soziale Aspekte würden so gut wie nicht beachtet. "Die Kombination beider Aspekte sollte eigentlich eine Stärke des Hartz-IV-Systems sein", sagte er. "Aber in der Praxis funktioniert dies meist immer noch nicht." Viel zu selten werde auf eine ganzheitliche Lösung abgezielt, beispielsweise auch auf Fragen wie Kinderbetreuung, Schuldnerberatung oder etwa psychische Betreuung einzugehen.
Zudem sei die Ausweitung des Niedriglohnsektor zweifellos durch das System begünstigt worden. Adamy zog auch die sogenannten Ein-Euro-Jobs in Zweifel, die seiner Meinung nach kein geeignetes Instrument für die Rückführung in den Arbeitsmarkt darstellten. "Kurzfristige Maßnahmen wie Ein-Euro-Jobs dominieren", so Adamy. Dass weniger Menschen Hartz IV in Anspruch nehmen müssen, liege nicht nur an der Reform. Auch Faktoren, die Hartz IV verhinderten, wie etwa der Kindergeldzuschlag oder die Verbesserung beim Wohngeld, müssten bei einer Bilanz mit berücksichtigt werden. "Die verdeckte Armut hat vielleicht abgenommen", sagte Adamy, "doch die Angst vor Hartz IV und dem drohenden Statusverlust hat zugenommen."
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