UN-Kriegsverbrechertribunal: Noch viel Arbeit für UN-Richter

Die Kriegsverbrechen in Ruanda und im ehemaligen Jugoslawien werden weiter aufgearbeitet. Beobachter der UN-Tribunale ziehen in beiden Fällen eine gemischte Bilanz.

Der ehemalige jugoslawische Präsident Slobodan Milosovic 2001 in Den Haag vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal. Bild: ap

GENF taz | Der UN-Sicherheitsrat hat in der Nacht zum Freitag die Mandate der beiden Kriegsverbrechertribunale für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und für Ruanda (ICTR) verlängert, die 1993 in Den Haag und 1994 in (der tansanischen Hauptstadt) Arusha etabliert wurden. Die Bewertung der Arbeit der beiden Tribunale in den letzten 16 beziehungsweise 15 Jahren fällt unter Prozessbeteiligten und RechtsexpertInnen widersprüchlich aus.

Weitgehend Konsens herrscht noch darüber, dass die Gründung der beiden Tribunale - der ersten Formen internationaler Strafjustiz überhaupt, seit die alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkrieges 1946 in Nürnberg und Tokio über die von Nazideutschland und Japan verübten Völkermorde, Angriffskriege und Verbrechen gegen die Menschheit richteten - ein wesentlicher Fortschritt war. Die beiden Tribunale ebneten den Weg zur Schaffung des 1998 etablierten Internationalen Strafgerichtshofes (ICC).

Vor dem Jugoslawien-Tribunal wurden bis heute 161 Personen angeklagt, davon bislang 61 verurteilt und 11 freigesprochen. Prominentester Angeklagter war der ehemalige Präsident Serbiens, Slobodan Milosevic, der allerdings während seines Prozesses verstarb. Seit Herbst dieses Jahres steht der ehemalige Führer der nationalistischen bosnischen Serben, Radovan Karadzic vor dem Tribunal. Gegen ihn wurde bereits 1993 eine erste Anklage erhoben, er konnte sich aber 13 Jahre lang einer Festnahme entziehen.

Nach seinem früheren Militärkommandeur General Ratko Mladic wird weiterhin gefahndet. Die unter SerbInnen im ehemaligen Jugoslawien immer noch weitverbreitete Behauptung, das Tribunal richte sich einseitig und in unfairer Weise gegen ihre Volksgruppe, wird durch die Statistik der ethnischen Zugehörigkeit der bislang Angeklagten, Verurteilten und Freigesprochen zwar eindeutig widerlegt. Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings die Kritik der Einseitigkeit mit Blick auf die Tatsache, dass sich das Tribunal nicht mit den Kriegsverbrechen befasste, die die Nato während ihres völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen Serbien/Montenegro 1999 begangen hat.

Vor dem Ruanda-Tribunal in Arusha wurden bislang 49 Verfahren eingeleitet. Derzeit laufen noch 26 Prozesse und 9 Berufungsverfahren.

Nach der Freilassung von zwei sehr prominenten Völkermordangeklagten, die Ende November aus Mangel an Beweisen beziehungsweise in einem Berufungsverfahren wegen eines Formfehlers im ersten Prozess freigesprochen wurden, wollen Ruandas Völkermordüberlebende allerdings künftig die Arbeit des Tribunals aus Protest boykottieren und keine Zeugen mehr nach Arusha schicken.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren zudem, dass das UN-Tribunal bis heute keine Anklage gegen der Mitglieder der heute regierenden patriotischen Front Ruandas (RPF) erhoben hat, der die Ermordung von bis zu 45.000 Zivilisten zur Last gelegt wird.

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