Kommentar Westjordanland: Wo Deutsche wegsehen
Kein hochrangiger Politiker aus Deutschland solidarisiert sich mit dem gewaltfreien Widerstand gegen den Bau der israelischen Trennmauer im Westjordanland. Das ist beschämend.
Jimmy Carter war hier, Bischof Desmond Tutu auch. Sie alle solidarisierten sich mit dem gewaltfreien Widerstand gegen den Bau der israelischen Trennmauer im Westjordanland. Nur hochrangige Politiker oder andere Prominente aus Deutschland suchte man in den kleinen palästinensischen Dörfchen Bilin und Nilin bislang vergeblich. Kein Joschka Fischer, kein Bischof Huber oder wer immer sonst sich so noch wortreich um den Frieden im "Heiligen Land" besorgt zeigte, fand sich dort ein.
Seit fünf Jahren protestieren die Einwohner mehrerer Dörfer im Westjordanland mit friedlichen Mitteln gegen die Landnahme, die mit dem Bau des Grenzanlage auf palästinenischem Gebiet verbunden ist und ihnen mit ihren Feldern die Lebensgrundlage raubt. Sie tun es gewaltfrei, wenn man von ein paar gelegentlichen Steinwürfen Jugendlicher einmal absieht - und selbst die werden von der politischen Führung vor Ort nicht gebilligt und, so weit wie möglich, unterbunden.
Mit ihrer friedlichen Form des Widerstands erfüllen die Protestierenden alle Bedingungen, die westliche Zivilgesellschaften und Regierungen von Palästinensern gerne verlangen. Und doch ist die Aufmerksamkeit und die internationale Unterstützung, die ihnen zuteil wird, mäßig bis gering. Das ist schlicht beschämend.
Die israelische Militärverwaltung geht derzeit mit allen legalen, will heißen schikanösen Mitteln gegen diesen friedlichen Widerstand vor. Dies liegt auch an juristischen Erfolgen, die die Bewegung erzielte. Das israelische Oberste Gericht forderte eine Änderung des Verlaufes des Trennzauns, ein Urteil, das Israel bislang nicht umgesetzt hat. Und vor einem kanadischen Gericht klagt das Dorf Bilin gegen zwei Firmen, die auf dem Land des Dorfes eine Siedlung bauen. Da ist es schon empörend, wenn Israels Militärverwaltung im Gegenzug jetzt das bloße Sammeln von leeren Tränengaskanistern als Waffenbesitz zur Anklage bringt, um dem gewaltlosen Widerstand die Spitze zu nehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Problematischer Vorstoß der CDU
Stigma statt Sicherheit
Musks AfD-Wahlempfehlung in der „Welt“
Rocky Horror Springer Show
Kleinparteien vor der Bundestagswahl
Volt setzt auf die U30
Reichtum in Deutschland
Geldvermögen auf 9,3 Billionen Euro gestiegen
Silvester in Berlin
Kein Ärger in Verbotszonen
Willkommenskultur in Deutschland
Gekommen, um zu bleiben?