Heftige Schneefälle erwartet: Streit um Streusalz für Straßen
Der Deutsche Wetterdienst warnt für das Wochenende vor Unwetter. Doch die Kali- und Salz-Industrie kommt mit der Streusalz-Produktion nicht nach. Nun droht Chaos.
Der Streusalz-Mangel hat zu einem Streit zwischen Städten und Kommunen sowie der Streusalz-Industrie geführt. In Nordrhein-Westfalen werden die Kommunen auf absehbare Zeit nicht mehr mit Streusalz beliefert, erklärte der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen. Der Verband kritisiert die Hersteller von Streusalz. "Uns wurden in den Verträgen Nachlieferungen innerhalb von 48 Stunden versichert. Dies wird nicht eingehalten", sagte Roland Thomas vom Städte- und Gemeindebund gegenüber der taz. Einige Kommunen erwägen, deshalb die Unternehmen zu verklagen, sagte Thomas. Auch in anderen Teilen Deutschlands zeichnen sich Engpässe beim Streusalz ab. Der Streusalz-Mangel könnte wegen der in den nächsten Tagen erwarteten, heftigen Schneefällen zu chaotischen Verhältnissen auf den Straßen führen. Der Deutsche Wetterdienst warnt für das Wochenende örtlich sogar vor Unwetter.
Die Streusalz-Hersteller weisen die Vorwürfe zurück und verweisen auf den "flächendeckend sehr außergewöhnlichen Winter". "Wir müssen Prioritäten setzten und beliefern zuerst die Autobahnmeistereien", sagte Nathalya Akhapkina, Sprecherin der European Salt Company (Esco), dem größten europäischen Salzhersteller. Das Unternehmen fördert zurzeit 20.000 Tonnen Salz pro Tag und gerät damit an seine Kapazitätsgrenze. "In den letzten zwei Wochen wurde die Menge an Salz angefordert, die im vorherigen Winter insgesamt verbraucht wurde", sagte Akhapkina.
Der Verband der Kali- und Salzindustrie bestätigt die großen Schwankungen in der jährlichen Streusalz-Nachfrage: Waren es 1992 noch 600.000 Tonnen, die verbraucht wurden, so stieg der Wert in dem ebenfalls frostigen Winter 2005 auf 3,5 Millionen Tonnen. 2008 lag der Verbrauch bei rund 1,7 Millionen Tonnen. "Die Kommunen planen ihren Winterdienst im Frühjahr", sagt Dieter Krüger, Sprecher des Verbandes, zu dem Esco oder das Dax-Unternehmen K & S gehören. Die Städte und Kommunen ermitteln einen durchschnittlichen Salzverbrauch und bestellen im Sommer.
Die Stadt Frankfurt am Main beispielswiese hat für diesen Winter 3.100 Tonnen Streusalz gelagert. Tausend weitere Tonnen habe man nachbestellt, sagt Michael Werner von der Frankfurter Entsorgungs- und Servicegesellschaft. "Wenn das zum Ende der nächsten Woche nicht geliefert wird, wird es knapp", warnt Werner. In vorherigen Wintern hätten sich die Kommunen noch gegenseitig helfen können, erklärt Werner. Das sei dieses Jahr nicht möglich. Wenn der Schnellfall in der kommenden Woche allerdings sehr heftig wird, bleibe nichts anderes, als an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger zu appellieren, vorsichtig zu fahren und auch mal zu Hause zu bleiben. Die Stadt Wiesbaden rief die Autofahrer schon auf, ihren Wagen am Freitag und Samstag stehen zu lassen.
Der Streusalz-Mangel kann Städte und Kommunen teuer zu stehen kommen. Wenn Hauptverkehrsstraßen und andere gefährliche Straßen nicht gestreut oder von Schnee geräumt werden, können Autofahrer, Fußgänger oder Radfahrer bei einem Unfall Schadensersatz und Schmerzensgeld fordern. Darauf wies der Verkehrsrechtler Arndt Kempgens angesichts des Salzmangels hin. Oberhausen muss bereits auf Granulat und Sand ausweichen. Die Kommunen müssten rechtzeitig Vorsorge treffen, dass die Hauptverkehrspunkte mit den bestmöglichen Mitteln abgestreut werden, sagte Kempgens. Im Gegensatz zum Salz senkt der Mix aus Sand und Granulat den Gefrierpunkt von Wasser nicht. "Wenn dies also nur die zweitbeste Lösung ist, dann könnte die Stadt haften", sagte der Rechtsanwalt.
Leser*innenkommentare
Litti
Gast
"Wenn dies also nur die zweitbeste Lösung ist, dann könnte die Stadt haften", sagte der Rechtsanwalt.
fragt sich, für wen Salz die beste Lösung ist. Für die Straßenbäume jedenfalls nicht.
Vielleicht wäre das ein guter Zeitpunkt bundesweit die Verwendung von Streusal komplett zu verbieten. Bisher ist es nämlich nur in einigen Kommunen für Gehwege verboten.
Nähere Infos:
http://www.robinwood.de/german/wald/streusalz/index.htm
wespe
Gast
In den Leserbriefen wurde auch davon gesprochen, dass Klimakatastrophe mit "globaler Erwärmung" in Zusammenhang steht...
Soso! Und eine "neue Eiszeit" wäre keine Klimakatastrophe. Passend zum Wetter können wir uns am Sonntag "The Day After Tomorrow" anschauen. Es ist zwar ein Film, aber er baut auf einem realistischen Gedankenmodell auf.
Lulu
Gast
Endlich eine gute Nachricht.
Für die Bäume. Und für alles, was da um die Straßen kreucht und fleucht.
-> Kein Salz -> keine Autos, und ab und zu düngt ein Mensch mit seinen Überresten, weil er ja unbedingt auch bei Glätte mit seiner Stinkekiste 120Km/h fahren musste, den Straßengraben.
Biotopisch...BiUtopisch.
Danke liebe TAZ
Struppi
Gast
Wurde der Einsatz von Salz nicht verboten, bzw. nur eingeschrängt zugelassen? In Wasserschutzgebieten klar, aber mir war als ob dies auch auf andere Bereiche ausgeweitet wurde, so mal Streugut nach dem Winter wieder eingesammelt werden kann.
Rainer
Gast
Vielleicht sollte man aber auch dem letzten Winterreifenmuffel klar machen dass wir den 7. Januar haben und es in Mitteleuropa nun einmal Winter ist ud dass es da Schneit und auch über längere Zeit Frost herrscht. Man kann die kaputtgesparten Kommunen nicht auch noch fürs Wetter verantwortlich machen, das werden die auf Dauer nicht mehr leisten können. Also, ein bissl Eigenverantwotung, Winerreifen, und Vorsichtig fahren. Das spart Nerven, Ärger und den Rechtsanwalt!
Henning S.
Gast
"Wenn Hauptverkehrsstraßen und andere gefährliche Straßen nicht gestreut oder von Schnee geräumt werden, können Autofahrer, Fußgänger oder Radfahrer bei einem Unfall Schadensersatz und Schmerzensgeld fordern."
Pah, ich bin seit über vier Monaten in Südwestfinnland, welches momentan auch einen nicht gerade milden Winter erfährt, aber sowas hat man hier weder gelesen noch gehört.
Ich hab noch keine Straße (neben der Autobahn vielleicht) gesehen, die halbwegs geräumt war. Da muss halt einfach mal langsamer gefahren werden, bitte schön.
Aber wie das eben in Deutschland ist, alles muss super schnell gehen und sich dann auch noch aufregen.
icke
Gast
"Wenn der Schnellfall in der kommenden Woche allerdings sehr heftig wird, bleibe nichts anderes, als an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger zu appellieren, vorsichtig zu fahren und auch mal zu Hause zu bleiben."
echt wahr. bleibt doch zu hause.....geht eh schneller.
malle
Gast
vielleicht haben die winterdienste ja mit der klimaerwärmung gerechnet, und deshalb nicht genug streusalz besorgt :P
jens
Gast
Was immer wieder vergessen wird: Streusalz hat nur bis -6 Grad einigermassen sinnvolle Effekte. Danach bringst kaum was - aber richtig glatt wirds auch nicht, weil dann der Schnee nicht mehr so mascht und sich so wenigstens kein Eis bildet. Winterreifen, Steingranulat helfen allen Schweden durch den Winter (Salzstreuen in den Kommen ist faktisch abgeschaft) warum solls nicht auch in Deutschland gehen?
CaliCa
Gast
Vielen Dank für die detailgenauen Informationen. Jetzt sind wir Schneesalzspezialisten :)
Pater Brown
Gast
Ich darf daran erinnern, dass es in Zeiten einer SPD/AL-Koalition möglich war, Hamburgs Straßen praktisch ohne Streusalz befahrbar zu halten. Aber wer denkt noch daran, dass das Salz möglicherweise die Flora nachhaltig negativ beeinflusst. Apropos "flusst": Für die Qualität des Wassers ist Streusalz auch nicht wirklich förderlich.
reblek
Gast
"... Sprecherin der ... (Esco), dem größten europäischen Salz-Hersteller." Tja, dass Esco Salz "herstellt" wage ich schwer zu bezweifeln. Der Verein baut das Zeug einfach ab und bearbeitet es möglicherweise irgendwie. Aber "hergestellt" wird es von Mutter Natur.
Kuestenstelze
Gast
Liebe Tazler,
was soll ein Artikel bewirken, der uns nur mit Zahlen beliefert, dem jede kritische Stellungnahme fehlt? Dafür lernen wir, es gebe "gefährliche" Straßen. Wie sehen die denn aus? Das Niveau ist schlicht "unter Niveau" der taz. Oder ist der Weihnachtsurlaub noch nicht zu Ende und die Redaktionen mit "Vertretungen" fehlbesetzt? Schade.
wuff
Gast
An Herrn Thomas vom Städte- und Gemeindebund:
Da wollen die Kommunen den Streusalzlieferanten verklagen, weil er die Lieferfristen nicht einhält bzw. ihm das Salz ausgeht. Ja, sind wir denn hier im Sandkasten?
Empfehlen Sie doch den Autofahrern, langsam zu fahren.
Gibt´s nicht auch noch Split? (Ist wahrscheinlich auch ausgegangen)
Hochentwickeltes Industrieland trifft auf normalen Winter, was folgt -- Chaos. Herrlich!!
clementine
Gast
Global warming? Jeden Winter gibt es mehr Schnee und der bleibt sogar liegen, statt zu Matsch zu werden. Möge die Klimakatastrophe anhalten.
Peter Müller
Gast
Warum nicht den überflüssigen Schweinegrippeimpfstoff auf die Straßen kippen, vielleicht hilft der auch?
Stalking
Gast
Wiesbaden bekommt städtemanagement-technisch gar nix geregelt. In Wiesbaden gibt es genau 2 Ringe, die die Hauptverkehrsadern sind. Als es vor 3 Wochen so geschneit hat, hat es die Stadt nicht einmal geschafft diese beiden Ringe ansatzweise vom Schnee zu befreien.
Freue mich schon auf dieses Wochenende ;P