Religionsunterricht: Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen

Die Aktionsgemeinschaft Biblische Geschichte stellt eine selbstgebastelte Statistik vor, um ein merkwürdiges Klagelied über eine Bildungskatastrophe anzustimmen.

Von Jeremias lernen heißt klagen lernen. Bild: Abb.: Rembrandt

Propheten haben wenig Erfahrung im Umgang mit Statistiken. Und entsprechend ist auch Religionskunde kein Fach, in dem empirische Methoden eine starke Tradition hätten. Doch die prophetische Gattung des Klagelieds verlangt nach einer eingetretenen Katastrophe. Möglicherweise meinte der Verein Aktionsgemeinschaft Biblische Geschichte / Religionskunde deshalb, eine Umfrage unter den KollegInnen durchführen zu müssen, um seine Jeremiade anzustimmen.

"Bericht über eine Bildungskatastrophe" hatte der 55 Mitglieder starke FachlehrerInnenverband die Auswertung überschrieben. Dessen Vorsitzender Manfred Spieß hat sie gestern Nachmittag vorgestellt.

"Wir haben damit nichts zu tun", hieß es gestern vorab aus dem Bildungsressort, das sei ganz allein die Sache von Spieß und Kollegen, denen man lediglich die Erlaubnis erteilt habe, die Fragebögen an die Kollegien zu verteilen. In Bremerhaven klappte das nicht. "Wahrscheinlich", räumt Spieß ein, "haben wir einen Formfehler gemacht." Die Folge: Es liegen nur Daten von 50 PädagogInnen vor, die das Fach in Bremen unterrichten.

Laut Auswertung des Aktionsbündnisses haben 85 Prozent von ihnen angeben, dass sich kaum SchülerInnen vom BGU abmelden.

Zudem würden 77 Prozent der Befragten eine konfessionelle Bindung des Religionsunterrichts ablehnen. Wirklich 77 Prozent, Herr Spieß? "Ja doch." Und wie viele sind das in absoluten Zahlen? "Es sind so zwischen 30 und 40." Hm. Das geht auch genauer: Von 50 sind 77 Prozent rechnerisch exakt 37,5 Menschen und das mindert die Glaubwürdigkeit der Evaluierung doch erheblich. Zumal bereits die Fragen mit einer gewissen Zielstrebigkeit formuliert wirken: So erkundigt sich die Aktionsgemeinschaft, ob die jeweilige Schulleitung sich um das Fach BGU bemüht. Als Antwort-Optionen sind vorgegeben "sehr gut", "gelegentlich" und "eher nicht" - wobei Spieß die letzten beiden in der Auswertung nur zusammen gefasst vorstellt: "70 Prozent", so der Koordinator der BGU-LehrerInnen-Ausbildung an der Bremer Uni, fühlen sich "von der Schulleitung gelegentlich bis gar nicht unterstützt", und ganze "90 Prozent" beklagen Spieß zufolge, dass ihr Fach an ihrer Einrichtung einen "mittelmäßig bis schlechten Stellenwert" genieße. Obwohl die LehrerInnen fast ausnahmslos angeben, ihr Unterricht sei bei ihren SchülerInnen "eher beliebt" als "eher unbeliebt", na das ist doch mal eine Überraschung.

Die Ursachen für den Alarmismus sind nicht ohne weiteres ersichtlich. So verweist Behördensprecherin Karla Götz auf ein mehrfach artikuliertes Problembewusstsein: "Wir wissen, dass es da noch Verbesserungsbedarf gibt", sagt sie. Tatsächlich stammen ja die Angaben über massiven Unterrichtsausfall, die Spieß zitiert, aus einer Bürgerschafts-Rede von Senatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) selbst. "Ich möchte doch darauf hinweisen", so Götz, "dass wir bereits gehandelt haben". So sei beispielsweise BGU verbindlich ins Stunden-Tableau der 7. und 8. Klasse aufgenommen worden. Und es gibt eine Arbeitsgruppe.

Außer der Behörde dürfen an der die beiden großen christlichen Kirchen teilnehmen. Nicht jedoch die Praktiker. Darüber, "dass wir nicht gehört werden" artikuliert sich begreiflicher Ärger bei der Umfragen-Präsentation. Zugleich weckt diese aber doch auch eine Spur von Verständnis für den Verzicht auf diese Ratgeber.

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