Zornig für Marx

SKURRILES RUSSLAND „Za Marksa …“ („For Marx“) ist ein Aufschrei gegen den Zynismus der russischen Gegenwart (Forum)

Eine rußverhangene Kleinstadt irgendwo in Russland: Jeden Morgen fahren die Arbeiter mit dem Bus zur maroden Stahlbude, um ihre Arbeitskraft zu Markte zu tragen. Die Stimmung fällt ins Bodenlose. Es gibt Gerüchte, dass in der Fabrik radioaktiver Militärschrott eingeschmolzen wird, darüber hinaus stehen Entlassungen ins Haus. Irgendwann ist das Maß voll. Deshalb gründet eine Handvoll beherzter Männer eine unabhängige Gewerkschaft, die wieder ein paar Grundrechte durchsetzen soll. Die bereits existierende Gewerkschaft und die Betriebsleitung wundern sich zuerst über diese Dreistigkeit, schreiten dann zu Gegenmaßnahmen. Im ungleichen Machtkampf werden die Aufbegehrenden gnadenlos zerrieben.

Würde der Film „Za Lenina“ (Für Lenin) heißen, so könnte man einen nostalgischen Akt dahinter vermuten, eine Sehnsucht nach der heilen Welt der Sowjetunion – die es ja so niemals gab. Mit der Berufung auf Marx jedoch wird klar, dass es hier um das Aufbegehren gegen einen archaischen Zustand von Ausbeutung geht, der mit dem 19. mehr als mit dem 21. Jahrhundert zu tun hat. Der vielfach traumatisierte Homo post-sovjeticus findet sich in einer wüsten Gemengelange von Machtansprüchen alter und neuer Despoten wieder – KGB-Generäle, KPdSU-Funktionäre, Oligarchen und Spekulanten, die oft verwandtschaftlich verquickt und immer gnadenlos rücksichtslos sind. In Russland war ein Menschenleben noch nie viel wert. Unter den aktuellen Bedingungen erfährt diese Aggressivität nun ein paar kosmetische Kaschierungen, die im Zweifel blitzschnell aufgehoben werden. Trotz seines wenig optimistisch stimmenden Endes ist „Za Marksa“ aber auch ein Appell zum Widerstand, allein schon durch die Tatsache seiner Existenz. Regisseurin Svetlana Baskova macht aus ihrer Mission keinen Hehl: „Ich habe eine sehr hohe Achtung für diese Menschen – weil sie das Gefühl ihrer eigenen Würde zu verteidigen versuchen und weil sie die Macht des Geldes herausfordern. Der Film soll die entstehende Gewerkschaftsbewegung in unserem Land unterstützen.“

Produziert wurde „Za Marksa“ von Gleb Alejnikow, der in den 1980er Jahren mit seinem Bruder Igor in Moskau das legendäre „Parallele Kino“ gründete, eine tollkühne Gruppe von sowjetischen Undergroundfilmern. Es ist schön, dass nun verschiedene subversive Spuren Russlands in diesem mutigen Film zusammenlaufen. CLAUS LÖSER

■ 17. 2., Delphi, 16.30 Uhr