Reform der Sicherungsverwahrung: Koalition will Präventionshaft ausweiten

Das Bundesjustizministerium arbeitet an einer Reform der Sicherungsverwahrung. Es will sich gegen ein Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte wehren

"Schutzlücken" sollen geschlossen werden, die zugleich den Ausnahmecharakter wahren. Bild: ap

FREIBURG taz | Die Reform der Sicherungsverwahrung wird eines der zentralen rechtspolitischen Themen dieser Wahlperiode. Justizstaatssekretär Max Stadler (FDP) kündigte an, das Justizministerium arbeite "mit Hochdruck" an einer "Lösung aus einem Guss". Die restriktive Auslegung durch die Gerichte führe zu unbefriedigenden Ergebnissen, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Donnerstag hatte der Bundesgerichtshof die nachträgliche Sicherungsverwahrung bei einem Vergewaltiger aus Heinsberg (NRW) abgelehnt (taz berichtete).

Bei der Sicherungsverwahrung wird ein Häftling auch nach Verbüßung seiner Strafe zum Schutz der Allgemeinheit nicht entlassen. Die Zahl der so Verwahrten hat sich binnen zwölf Jahren mehr als verdoppelt, von 176 im Jahr 1996 auf 448 im Vorjahr.

Die Koalition hat sich laut Koalitionsvertrag vorgenommen, "Schutzlücken" zu schließen, zugleich aber den Ausnahmecharakter der Verwahrung beizubehalten. Das wird schwierig. Unionspolitiker wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordern schon lange, dass Sicherungsverwahrung stets anwendbar sein muss, wenn ein Täter als weiterhin gefährlich gilt - unabhängig davon, wie oft er schon straffällig war und wann die Gefährlichkeit erkennbar wurde. Ein derart lückenloser Schutz dürfte die Zahl der vorsorglich Inhaftierten weiter vervielfachen.

Die Reform wird durch ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kompliziert. Er hat die Sicherungsverwahrung in einem anderen Fall als Strafe eingestuft, obwohl sie in Deutschland bisher als Prävention gilt. Vor diesem Hintergrund läuft fast jede Neuregelung in Deutschland Gefahr, in Straßburg alsbald beanstandet zu werden. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat jetzt aber beschlossen, hiergegen Rechtsmittel zur Großen Kammer des EGMR einzulegen. Eine endgültige Entscheidung wird wohl erst nächstes Jahr fallen.

Außerdem ist mit weiteren Urteilen aus Straßburg zu rechnen. Dort sind bereits drei Häftlings-Klagen gegen die nachträgliche Sicherungsverwahrung anhängig.

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