Winterdienst: Tanz auf eisigen Wellen

Wo Streusalz kein Thema ist: Für freie Fahrt im Hamburger Hafen sorgen Schiffsführer Knut Ohl und seine Mannschaft an Bord des Eisbrechers "Twielenfleth". Wir haben sie auf die winterliche Elbe begleitet.

Vergleichsweise klein, aber für die Großen bei Minusgraden entscheidend: der Eisbrecher "Twielenfleth" im Einsatz. Bild: Matthias Gola

Kleine Wellen bringen Bewegung in die ruhige Eisoberfläche. Brocken lösen sich von den Schollen, tanzen auf den Wellen. ",Twielenfleth kommt aus dem Hafen Oortkaten", funkt Knut Ohl, während er seinen Eisbrecher aus dem Hafenbecken steuert. "Hetlingen kommt aus dem Hafen", rauscht es neben dem Schiffsführer aus dem Funkgerät. Die "Twielenfleth" und die "Hetlingen" sind auf dem Rückweg nach Hamburg-Finkenwerder.

Seit vier Stunden sind Ohl und seine Crew jetzt unterwegs. Früh am Morgen ging es los, in Finkenwerder, bis zum Hafen Oortkaten, flussaufwärts, am anderen Ende der Stadt, und wieder zurück. Mehrmals täglich fahren sie diese Strecke, kontrollieren, dass die Elbe auf diesem Stück nicht zufriert. Da sind einige Eisschollen im Wasser, aber die, sagt Ohl, seien keine großen Hindernisse. Sagts und macht sich einen Spaß daraus, gezielt über einige der Schollen hinwegzufahren. Momentan könnten andere Schiffe den Fluss hier befahren, erklärt er. Problematisch würde es nur, wenn das Eis festfriert. Aber schon, weil die Eisbrecher das Wasser immer wieder in Bewegung bringen, sei das nicht zu befürchten.

Wieder kommt ein Funkspruch rein, kaum zu verstehen für ungeübte Ohren, Ohl antwortet: "Okay!" Er verlangsamt die Fahrt, die "Twielenfleth" steuert nun auf ihr Schwesterschiff zu, die "Hetlingen". Beide Eisbrecher sind immer gemeinsam unterwegs. "Aus Sicherheitsgründen", erklärt der Schiffsführer, "falls mal was sein sollte." Jetzt sind beide Schiffe ganz nah beieinander. Für die Männer an Bord ist es ganz normal, mitten auf dem Fluss anzuhalten, zu reden und Dinge auszutauschen. "Manchmal", sagt Maschinist Sven Asmus, "brauchen wir auch nur Zucker und Milch voneinander."

Es ist Samstagmorgen, da sind kaum andere Schiffe unterwegs. Zwar ist die Elbe für die Schifffahrt freigegeben, aber der Elbe-Seitenkanal ist seit Donnerstag gesperrt - Eis. "Wenn der Kanal dicht ist, ist auch hier nichts los", sagt Ohl. Und wenn mal auf der Elbe selbst richtig Eis ist? Dann passiert erst mal gar nichts. "Dann fahren auch wir nicht raus. Das bringt nichts, weil das Wasser sofort wieder frieren würde. Erst wenn es anfängt zu tauen, brechen wir das Eis auf, damit die Schifffahrt schnell wieder in Gang kommen kann."

Die Stimmung an Bord ist entspannt. Man kennt sich und hat Routine. Auf der "Twielenfleth" sind dauerhaft vier Männer im Einsatz. Ja, eng sei es schon manchmal. "Jeder hat seine Macken und manchmal kommt es schon zu Reibereien, aber eigentlich kommen wir sehr gut miteinander klar."

Ohl ist seit 1978 Schiffsführer und seit 1995 beim Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg. Früher war er Binnenschiffer, aber das gab er auf, seiner Familie zuliebe. Mehrere Wochen lang weg von zu Hause ist Ohl auch heute noch dann und wann - wenn es richtig kalt wird. Im Sommer kontrolliert er die Uferbefestigung und übernimmt andere Arbeiten.

Im Winter 2008/2009 war zuletzt einmal so viel Eis auf der Elbe, dass die "Twielenfleth" und ihre Schwestern es richtig aufbrechen mussten. Dieses Jahr ist es noch nicht lange genug kalt genug. Steuermann Eric Kröpke zeigt einige alte Fotos aus den 70er Jahren: Eine ganze Flotte bricht da das Elbeis auf. "Ungefährlich", sagt Kröpke, "ist das nicht." Manchmal lösten sich große Eisschollen. "Dann müssen sich sogar die Eisbrecher in Sicherheit bringen, um nicht gegen das Ufer gedrückt zu werden."

Die "Twielenfleth" wurde 1972 gebaut. Seitdem schiebt sie sich mit 600 PS durch die Elbe. An Bord hat sie bis zu 17.000 Liter Schiffsdiesel. An bisher zehn Tagen im Einsatz sind rund 3.500 Liter verbraucht worden.

Im Containerhafen wird gerade ein großes Containerschiff von kleinen Schleppern gedreht. Quer steht die "Hatsu Courage" da und blockiert den Fluss. Im Vergleich zum riesigen Frachter ist die "Twielenfleth" klein und wendig. "Da passen wir locker durch", sagt Ohl gelassen. Und er hat Recht: Problemlos steuert er sein Schiff in Richtung Finkenwerder.

Hier wird die "Twielenfleth" anlegen und die Mannschaft darf für ein paar Stunden Pause machen. Je nach Tide werden sie sogar schlafen gehen können, vier, fünf Stunden, schlafen bevor es wieder losgeht. "Mittlerweile haben wir uns an den Rhythmus gewöhnt." Und haben sich die Männer auch gerade erst an Bord eingelebt, könnte ihr Einsatz bald schon wieder beendet sein: Es ist Tauwetter angekündigt.

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