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Einer der zentralen Punkte ist doch, dass die Kinder dort, wo sie landen eben nicht mehr ständig gefragt werden "gehörst Du hierher"? Durch die jetzige Praxis, erstmal die Hälfte aller Kinder in Klasse 5 auf die Gyms zu hieven, und dann im Laufe der Jahre die Hälfte davon wieder zu entsorgen entsteht doch ein enormer Stress für so viele: die Kinder, die Jahr für Jahr um die Versetzung bangen und die Lehrer, die sich ständig fragen, ob sie es noch schaffen, diese/n oder jene/n noch mitzuschleppen. Dadurch wird die lernförderliche Atmosphäre von Vertrauen und dem Gefühl "hier gehöre ich hin" (Neurologe Prof. Hüther) verhindert. Das Ergebnis sind "zerstörte und abgebrochene Persönlichkeiten" (Prof. Ellgar-Rüttgardt).
Wenn die Reform um dieses Element (Schluss mit Abschulen) verkürzt würde, dann wäre das ganz, ganz schlimm!
Der nicht enden wollende Konflikt um die Schulreform erweckt mit jedem Tag seiner Fortsetzung den Verdacht, dass es schon längst nicht mehr um die Zukunft der Hamburger Schulen geht. Auf der einen Seite ringt die schwarz-grüne Koalition um die Durchsetzung ihres wichtigsten Projekts und damit letztlich auch um die Fortführung der Koalition. Ohne Schulreform wird es gerade aufseiten der GAL schwierig werden, die Koalition weiter vor der Basis zu rechtfertigen. Auf der anderen Seite steht die Volksinitiative "Wir wollen lernen", in der sich Walter Scheuerl zu einer Art Wortführer, wenn nicht sogar populistischen Volkstribun a la Ronald Schill aufschwingt, dem es um mehr geht als um Schulpolitik. Wäre Walter Scheuerl zu Kompromissen bereit, würde er ja geradezu die schwarz-grüne Koalition stabilieren. Dies kann und wird aber nicht seine Absicht sein. Walter Scheuerl wittert seine große politische Chance, die der CDU eher willkommen sein dürfte als eine Koaltion mit der GAL. Erwächst aus dieser Bewegung möglicherweise ein neues bürgerliches Protestpotenzial, das schon wie zu Zeiten der Stattpartei für die SPD und später der Schillpartei zu einem willkommenden Mehrheitsbeschaffer erneut für die CDU wird? Wer will bestreiten, dass ein Scheitern der Schulreform und damit ein Ende der schwarz-grünen Koalition im Interesse der CDU ist, deren Parteigänger mehrheitlich insgeheim gegen die Schulreform sind. Scheitert die Schulreform, in welcher Form auch immer, dann wird sich die Springer-Presse sicherlich nicht lange mit der Forderung zurückhalten und Walter Scheuerl als nächsten Bildungssenator vorschlagen. Die Chancen für eine neue politische Mehrheit wären für die CDU unter diesen Bedingungen sehr günstig. Für die GAL wäre ein solches Szenario ein politisches Desaster, weil sie sich wider besseren Wissens von der CDU hat über den Tisch ziehen lassen, mit genau dem Instrument der politischen Willensbildung, das sie maßgeblich gefördert und zum Erfolg verholfen haben: dem Volksentscheid.
Was CDU und GAL angeboten haben, ist doch kein Elternwahlrecht! Die Zeugniskonferenz soll in Klasse 6 entscheiden und die Eltern können widersprechen - wer macht den von einem solchen Widerspruchsrecht Gebrauch? Das sind doch wieder die Bildungsbürger, Lehrer, Rechtsanwälte, Ärzte usw. . Die alleinerziehende Mutter oder Migranten-Familien trauen sich das doch im Regelfall gar nicht.
Das Modell mit Widerspruchsrecht würde also auf direkten Weg in die Zwei-Klassen-Gesellschaft führen!
CDU und CSU ziehen mit Friedrich Merz als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf 2025. Das gab CSU-Chef Markus Söder am Dienstag bekannt.
Kommentar Schulreform: Nur ein Zweckargument
Die Schulreform-Gegner wollen das Alte behalten. Ihnen ist die Aufteilung nach Klasse vier wichtig, nicht das Recht der Eltern zu wählen.
Nanu. Da predigten die Volksinitiativler monatelang das Elternwahlrecht, überzeugten viele dadurch, zu unterschreiben, und jetzt soll dieser Punkt auf einmal nicht mehr wichtig sein?
Fakt ist: Schwarz-Grün kommt den Eltern weit entgegen. Sechs statt vier Jahre Grundschule erhöhen schon mal den Bildungserfolg, vor allem für Bildungsbenachteiligte. Künftig gibt es mit Gymnasium und Stadtteilschule nur noch Schulformen, die den Weg zum Abitur bieten, nur eben einmal nach zwölf und einmal nach 13 Jahren. Und dann gibt es für alle, die auch gegen den Rat der Lehrer den schnelleren Weg probieren wollen, die Chance, das zu tun. Das Argument, in der Pubertät sei ein Probejahr ungünstig, trägt nicht. Das bestehende gegliederte System mutet Teenagern durch Abschulungen und Klassenmischungen viel härtere Wechsel zu.
Aber nein, die Scheuerl-Initiative will das Alte behalten. Ihr ist die Aufteilung nach Klasse vier wichtig, nicht das Recht der Eltern zu wählen. Das bedeutet: Nach Klasse vier geht die Hälfte der Kinder aufs Gymnasium. Bis zum Abitur muss aber jeder dritte diese Schulform wieder verlassen. Ein System, das Chancen verspielt und Kinder beschämt.
Gut fühlen können sich dabei nur jene, die sich sicher sind, zu den Gewinnern zu gehören. Die Eltern von "Wir wollen lernen" zählen dazu. Die Mehrheit der Hamburger aber nicht.
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Kommentar von
Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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Kaija Kutter