Homophobie: Zweifelhafte Anzeige

Noch immer beschäftigen die Christival-Proteste die Gerichte. Zwei Aktivisten haben die Polizei verklagt - sie seien verprügelt und grundlos angezeigt worden.

Mit einem Kiss-In - wie hier in Österreich - protestierten die Christival-Gegner. Bild: dpa

Bei den meisten Bremern dürfte die Erinnerung an das Christival längst verblasst sein. Bei Andrea. V. und Martin T.* nicht. Die beiden Aktivisten aus der Queer-Szene hatten sich an einer Protestaktion gegen das Jugendfestival beteiligt - wegen dessen "homophober und sexistischer Inhalte". Nächste Woche verhandelt das Verwaltungsgericht nun eine Klage der beiden gegen die Bremer Polizei. Die haben einen "nicht nur bis auf die Haut durchsucht und dabei beleidigt, sondern auch noch wissentlich zu Unrecht angezeigt", sagt ihre Anwältin Gilljen Theisohn.

An jenem 2. Mai waren rund 30 Schwule und Lesben in die Martini-Kirche gekommen. Dort lief die Ersatzveranstaltung für ein auf dem Christival abgesetztes Seminar sein, das Homosexualität als Krankheit einstufte. Die Protestierenden küssten sich und verteilten Erdbeersekt und rote Pappherzen im Publikum, bevor sie die Kirche Richtung Marktplatz verließen. Dort fand gerade ein Konzert des Christival statt. Polizisten hatten sich postiert, um die Gruppe zu stoppen.

Was dann geschah, beschreiben die Christival-Gegner so: "Von uns ging keinerlei Gewalt aus, dennoch wurden wir brutal geschubst und geschlagen." Zwei Protestler wurden in Gewahrsam genommen. Dabei sei V. von zwei Polizisten "gegen eine Wand gepresst und massiv mit Schlagstöcken malträtiert" worden. Bei der Gelegenheit wurde auch Martin T. festgenommen. Er sei auf der Wache von drei Polizisten in Einsatzpanzerung nackt durchsucht worden, sagt er. "Dabei machten sie aggressive Sprüche über den Körper der Person mit dem offensichtlichen Ziel der Demütigung," schreiben Unterstützer von V. und T.

Die Staatsanwaltschaft konnte die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Als V. und T. Anzeigen wegen Körperverletzung und Nötigung erstatteten, stellte sie die Ermittlungen ein. Ebenso allerdings, wie ein Verfahren gegen V. wegen "versuchter Gefangenenbefreiung".

Für Anwältin Theisohn auch kein Wunder: "Die Polizei konnte später nämlich gar nicht sagen, was V. gemacht haben soll." Ein interner Ermittlungsvermerk der Polizei stützt dies. Darin räumt der Polizist, der V. angezeigt hatte, ein,dass er "zu dem Tatbeitrag des Beschuldigten keine Angaben machen" könne. "Der Polizeiführer" hätte "angeordnet, ihn mit in die Anzeige zu nehmen, da er ja auch in Gewahrsam genommen worden sei."

Für Theisohn bestätigt dies, dass "wenn Klagen gegen einen Beamten drohen, die Polizei zu Gegenanzeigen" greife. "Meines Erachtens sollte die Staatsanwaltschaft im eigenen und polizeilichen Stall aufzuräumen, bevor unschuldige Privatpersonen mit Verfahren überhäuft werden."Die Staatsanwaltschaft weist dies zurück: "Das liest sich, als sei stehe die Anzeige völlig im luftleeren Raum," sagt Sprecher Jörn Hauschild. Es gebe jedoch einen "umfangreicheren Tathergangsbericht". Daraus gehe hervor, dass "eine Gruppe von Demonstranten" versucht habe, ihre in Gewahrsam genommenen Freunde zu befreien. Die Beschuldigten seien "zumindest bei der Gruppe dabei gewesen und haben deshalb einen Platzverweis bekommen."

Für Theisohn ist das unplausibel, schließlich habe auch die ganze Akte die Einstellung der Verfahrens nicht verhindert.

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