Versprechungen: Kita-Notstand im Norden

Nirgends gibt es so wenig Betreuungsangebote für Kleinkinder wie in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Bis zur bundeseinheitlich verabredeten Quote von 35 Prozent ist es noch ein weiter Weg.

Kita "Löwenzahn" in Schwerin: Dass Kleinkinder von ErzieherInnen betreut werden, ist im Nordosten längst nicht so selten wie anderswo. Bild: dpa

Als miserabel kann die Situation der Kindertagesbetreuung im Norden bezeichnet werden. Vielerorts werden die Kommunen dem Platzbedarf nicht gerecht. Das geht aus einem aktuellen Vergleich des Statistischen Bundesamtes hervor. Die Zahlen belegen auch, dass der Osten weiterhin Spitzenreiter bei der Betreuungsquote ist.

In Mecklenburg-Vorpommern etwa besuchen 37,8 Prozent aller Kinder unter drei Jahren und 93,6 Prozent aller Kinder bis zum Alter von sechs Jahren eine Kindertageseinrichtung. Von dieser Versorgungssituation sind die meisten alten Bundesländer noch weit entfernt.

Doch auch das Kita-System in Mecklenburg-Vorpommern hat Verbesserungen nötig. Die Erzieherinnen verdienen häufig wesentlich weniger als ihre Kolleginnen im Westen. Und auch der durchschnittliche Personalschlüssel ist im Nordosten mit 18 Kindergartenkindern gegenüber 1,5 Erzieherinnen schlechter. Nun hat Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD) dem Landtag eine Novelle des Kindertagesförderungsgesetzes (KiföG) vorgelegt. Dieses sieht vor, ab 2011 die Mittel für den Kita-Bereich um 15 Millionen Euro auf insgesamt 121 Millionen aufzustocken.

Schwesig zufolge müssten dann alle Erzieher mindestens 25 Stunden pro Woche beschäftigt werden. Der Gesetzesentwurf sieht außerdem vor, dass Kinder aus sozial schwachen Familien besser gefördert werden und kostenloses Mittagessen bekommen.

Kritik am KiföG kommt von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). "Ein wirklicher Qualitätssprung ist nur durch mehr Personal zu erreichen", sagt GEW-Landesvorsitzende Annett Lindner. In der Gesetzesvorlage werde es allerdings keine massiven Veränderungen geben, sagt sie. Die GEW befürchtet, dass die freien Träger die neuen Vorgaben auf Kosten der Arbeitsbedingungen durchführen werden.

In Mecklenburg-Vorpommern kommen 1,5 Erzieherinnen auf 18 Kindergartenkinder. Der Liga der Wohlfahrtsverbände zufolge ist das der schlechteste Personalschlüssel bundesweit.

Tarifverhandlungen mit freien Trägern im Nordosten drohen derzeit zu scheitern. Die GEW fordert fünf Prozent mehr Lohn. Legen die Arbeitgeber bis zum 31. Januar kein Angebot vor, drohen die Kitas mit neuen Warnstreiks. Laut GEW ist die Mehrheit der Kitas im Land in freier Trägerschaft.

Ein Einstiegsgehalt von 2.040 Euro bekommt eine kommunale Kita-Erzieherin in Mecklenburg-Vorpommern seit den Streiks im vergangenen Jahr. Zuvor waren es 1.922 Euro.

Während es in den Kitas im Nordosten zwar ausreichend Plätze, aber zu wenig Personal gibt, hecheln andere Länder noch den Vorgaben der Bundesregierung hinterher. Die fordert bis 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab zwei Jahren. Zu diesem Zweck soll das Angebot auf 35 Prozent ausgebaut werden. "Das ist zu schaffen", sagt Andreas Krischat, Sprecher des niedersächsischen Kultusministeriums. Schließlich seien allein in den vergangenen zehn Monaten über 7.000 neue Plätze im Land entstanden.

Trotzdem dürfte Niedersachsen weiterhin zu den Schlusslichtern im Kita-Wettbewerb gehören. Einen traurigen Rekord führt hierbei der Kreis Leer an. Im Jahr 2009 lag die Betreuungsquote für Kinder unter drei Jahren bei 3,6 Prozent.

Ebenso schlecht steht Schleswig-Holstein da, das laut Statistischem Bundesamt für gerade einmal 9,1 Prozent aller unter Dreijährigen Plätze in Kindertageseinrichtungen anbietet. SPD und Linkspartei fordern deshalb von der schwarz-gelben Landesregierung, sich klar zur Betreuung der Kinder zu bekennen. Ansonsten sei die Verabredung, bis 2013 mehr Plätze zu schaffen, nicht realisierbar, heißt es. Die Landtagsabgeordnete Antje Jansen (Linke) hat die Eltern in Schleswig-Holstein sogar dazu aufgerufen, "massenweise Kita-Plätze für ihre Kinder einzuklagen".

Doch anstatt sich zur Verbesserung der Kita-Situation zu bekennen, denkt die CDU in Kiel lieber öffentlich über Einsparungen in dem Bereich nach. So hatte Fraktionsvorsitzender Christian von Boetticher vorgeschlagen, das beitragsfreie dritte Kita-Jahr auf den Prüfstand zu stellen. Die Gebührenbefreiung für Eltern kostet das Land jährlich 30 Millionen Euro.

Gegen diese Pläne protestiert jetzt die SPD. "Ein Ausstieg aus dem Einstieg in die beitragsfreie Kita-Betreuung" komme für die Sozialdemokraten nicht infrage, sagte der parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Jürgen Weber, am Dienstag in Kiel. Auch der Verband Evangelischer Kindertageseinrichtungen und die GEW haben gegen die Pläne der CDU protestiert. In der Landtagssitzung am 27. Sitzung wird sich eine Aktuelle Stunde mit dem Thema befassen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.