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Schwarz-Gelb in KielDer heimliche Regierungschef

Nach 100 Tagen fällt die Bilanz der schwarz-gelben Koalition in Kiel wenig glorreich aus. Und den Durchblick hat eh nur einer: FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki.

"Ich kann es eben besser", so der regierende Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki (li). Bild: dpa

HAMBURG taz | Schwarz-Gelb hatte es eilig: Nur einen Monat nach den vorgezogenen Neuwahlen in Schleswig-Holstein im September 2009 trat die neue Regierung an. Nach der Wahl im Landtag am 27. Oktober präsentierte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) strahlend sein neues Kabinett, dem nach hektischer Suche nach geeigneten Frauen eine Ministerin und drei Staatssekretärinnen angehören. Wachstum, Sparkurs und "eine bessere Zukunft Schleswig-Holsteins" versprach die selbst ernannte "Koalition des Aufbruchs".

Am Mittwoch sind die ersten 100 Tage um, und von Aufbruchstimmung im Land zwischen den Meeren ist wenig zu spüren. "Aufbruch nach Nirgendwo", höhnte die Grünen-Abgeordnete Monika Heinold in der Landtagsdebatte vergangene Woche, und SPD-Fraktionschef Ralf Stegner wiederholt die Formel von der "Tu-Nix-Regierung" gern und oft: "Die haben genau zwei Dinge gemacht - dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz zugestimmt und die Boni für HSH-Manager hochgesetzt."

Das stimmt so nicht ganz: Schwarz-Gelb war lange mit sich selbst beschäftigt und hat die Aufgaben der Ministerien neu sortiert. Atom- und Frauenpolitik erledigt jetzt das Justizministerium und FDP-Vizeministerpräsident Heiner Garg brüstet sich, dass die Liberalen die "Zukunftsthemen" Bildung und Soziales besetzen - dafür machen die Schwarzen Wirtschaft und Innenpolitik. Umweltschutz bleibt eine Abteilung des CDU-Landwirtschaftsministeriums und um die Finanzen kümmert sich weiterhin Rainer Wiegard, der im HSH-Nordbank-Skandal eine so schlechte Figur machte, dass er die Zuständigkeit dafür an das Wirtschaftsministerium abgeben musste.

Das alles ist aber sowieso zweitrangiges Alltagsgeschäft, denn den Durchblick in der Koalition über Politik und Geld hat eh nur einer: FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki, unter dessen Würde es ist, in ein Landeskabinett eines Ministerpräsidenten einzutreten, dem er vor Jahr und Tag noch "semiprofessionelles Handeln" attestiert hatte.

Mit der in den Koalitionsvertrag hineinverhandelten "Haushaltsstrukturkommission" schuf sich der "heimliche Regierungschef" Kubicki ein Gremium, das über Ein- und Ausgaben, Aufgabenreduzierung und Personalabbau im öffentlichen Dienst wacht und so mächtig ist, dass es ihm die spöttisch-respektvolle Bezeichnung "regierender Fraktionsvorsitzender" einbrachte.

Den smarten Anwalt und glänzenden Rhetoriker - der jüngst Oppositionsführer Stegner bescheinigte, "unter Realitätsverlust nicht zu leiden, sondern ihn zu genießen" - ficht sowas nicht an, lautet seine Selbsteinschätzung doch in aller Bescheidenheit: "Ich kann es eben wirklich besser." Politische Strategie und Haushalt: Ohne oder gar gegen Kubicki geht in doppeltem Wortsinn nichts in der Koalition - "LÉtat, cest moi".

Die größte Außenwirkung erreichte die schleswig-holsteinische Landesregierung, als sie sich beim "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" gegen die Bundesregierung stellte: Kubicki wurde bundesweit zitiert ("völlig gaga"), Carstensens Wutausbruch vor Parteifreunden in Berlin ("Ihr habt sie doch nicht mehr alle.") schaffte es in jede Nachrichtensendung. Nach einem Kamingespräch mit der Kanzlerin stimmten die Nordlichter doch zu, obwohl die geplanten Steuererleichterungen zu Lasten der Länder und Kommunen gehen. Belastbaren Gerüchten zufolge sagte der Bund insgeheim zu, die 60 Millionen Euro Landesanteil an der Fehmarnbelt-Querung zu übernehmen. Bekannt gegeben wurde das nicht - aus Angst, dass auch andere Länder bei der Kanzlerin die Hand aufhalten.

So wenig glorreich die Vergangenheit ist, so düster dräut die Zukunft. Vorige Woche verlor die FDP ein Mandat an die Linke, die Koalition hat nur noch die dünnstmögliche Mehrheit von einer Stimme. Und das Landesverfassungsgericht wird demnächst über die Wahlanfechtung wegen der strittigen Verteilung von Überhang- und Ausgleichsmandaten befinden - mit dem Effekt, dass der Regierung die Mehrheit im Landtag abhanden kommen könnte.

Sofern sich dann nicht Grüne oder die Dänenpartei SSW als Steigbügelhalter bei Schwarz-Gelb verdingen, wären Neuwahlen unausweichlich: Bis zu den Sommerferien Mitte Juni könnte es klappen mit der kürzesten Koalition in der Geschichte Schleswig-Holsteins.

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