Eine optische Enttäuschung

Statistik und Endergebnis widerlegen die Wahrnehmung der Beobachter: Arminia Bielefeld beherrscht den schwachen Tabellenführer Bayern München, am Ende steht es trotzdem 1:2

„Wenn wir weiterhin so spielen wie heute, werden wir die Punkte schon holen“

AUS BIELEFELD ANDREAS BEUNE

Heiko Westermann wäre liebend gerne schweißgebadet aufgewacht, hätte auf den Radiowecker geguckt und sich dann wieder in die Daunen plumpsen lassen. Das alles war nur ein böser Traum. Es lief die letzte Minute der Nachspielzeit im Heimspiel gegen Bayern München, der Schiedsrichter hatte die Pfeife bereits im Mund, ein letztes Mal schlugen die Bayern den Ball planlos nach vorne und Arminias Innenverteidiger musste ihn nur noch anstoppen und anschließend in Richtung irgendeines beliebigen Bielefelder Ortsteils dreschen. Doch Westermann rutschte der Ball vom Fuß, und somit konnten Paolo Guerrero und Claudio Pizarro mit vereinten Kräften Bielefelds Torhüter Mathias Hain überwinden. Dann war das Spiel vorbei, die Bayern jubelten über den 2:1-Erfolg, als ob sie soeben eine Auswahl vom FC Chelsea und FC Barcelona besiegt hätten, und die Bielefelder sackten fassungslos auf den Rasen.

Heiko Westermann hatte nicht geträumt. Einen Punkt hätten sie sich verdient. Mindestens. „Niemand wird ihm dafür den Kopf abreißen“, kommentierte Kapitän Hain den Fauxpaus des ansonsten guten Verteidigers. Ein schwacher Trost.

„Unser Sieg war glücklich“, wird Bayerns Coach Felix Magath nachher in der Pressekonferenz bilanzieren und ausführen, dass er nach dem 1:0 der Bielefelder durch Isaac Boakye nicht mehr recht an einen Umschwung geglaubt hatte. Als der Trainer des Branchenführers einen Zettel mit den statistischen Daten zum Spiel gereicht bekam, zeigte er sich verwirrt. In Rubriken wie „Die meisten Ballkontakte“ oder „Die Zweikampfstärksten“ lagen seine Bayern vorne. „Das kann ja gar nicht stimmen“, meinte Magath, und als sein Kollege Thomas von Heesen anschließend das Leid seiner Elf beklagte, studierte Magath immer noch den Daten-Zettel und sah dabei aus, als ob er dort lesen müsste, dass Michael Ballack mit sofortiger Wirkung zum 1.FC Köln wechselt.

Ballack ist ja immer ein Thema. Auch dann, wenn er verletzungsbedingt gar nicht mitwirkt wie in Bielefeld. Pomadig und ideenlos traten seine Kollegen ohne ihn auf. Und da die Bielefelder ihnen nicht den Gefallen taten, allzu viele Strafraumerkundungsmissionen zu starten, sahen die Zuschauer eine erste Halbzeit, bei der größte Einschlafgefahr bestand. Eigentlich lief alles im Sinne der Arminia. Nach dem 1:0, um das sich dank traumhafter Vorarbeit abermals der überragende Sibusiso Zuma verdient gemacht hatte, kamen die Ostwestfalen zu guten Konterchancen. Die beste versemmelte Bayerns Sagnol, der mit einem Bilderbuchkopfball beinahe das Eigentor des Jahres erzielt hätte. Doch zwei individuelle Fehler später – vor dem 1:1 ließ sich Marcio Borges von Guerrero überlaufen – stand Arminia mit leeren Händen da.

Droht nun ein Psycho-Knacks? Bielefeld selbst hatte in Nürnberg einen 1:2- Rückstand in den Schlusssekunden in einen 3:2-Sieg verwandelt und durfte beobachten, wie sich die Franken von diesem Schock wochenlang nicht erholten. Mittelfeldmann Michael Fink sieht keine Parallele: „Wir sind genug gefestigt, dass uns das nicht passieren wird. Wenn wir weiterhin so spielen wie heute, werden wir die Punkte schon holen.“

Für diese Sichtweise spricht, dass Arminia sich in dieser Saison nach dem 0:2 gegen Gladbach bereits einmal im Tal der Tränen befand und aus eigener Kraft wieder herauskrabbeln konnte. Darüber hinaus haben die Ostwestfalen am Samstag nicht gegen einen Konkurrenten im Abstiegskampf verloren, sondern gegen den souveränen Tabellenführer. Mit dieser Leistung dürfen sie mit Fug und Recht davon träumen, dem Rekordmeister auch in naher Zukunft ein Bein zu stellen.