St. Pauli auf Aufstiegskurs: Verschmähte HSV-Stürmer treffen

Der FC St. Pauli unterstreicht mit einem trotz widriger Bedingungen stark herausgespielten 2:1-Sieg gegen den Karlsruher SC seine Aufstiegsambitionen. Trainer Stanislawski hat ausnahmsweise keinen Grund zu meckern.

Licht und Schatten: St, Paulis Deniz Naki, hier in der Vorwärtsbewegung Bild: DPA

Mit Holger Stanislawski ist zurzeit nicht gut Kirschen Essen. Vor zwei Wochen hatte seine Mannschaft Alemannia Aachen mit 1:0 besiegt und der Trainer war außer sich vor Wut, hatte die „schlechteste Halbzeit“ der Saison gesehen.

Und nicht nur das: Er legte sich auch noch mit dem Publikum an, fast schon ein Sakrileg auf St. Pauli, wo sich doch eigentlich alle immer nur liebhaben wollen. „Aufwachen, aufwachen“ hatten die Fans gebrüllt, als St. Pauli unter Druck geriet. Und vielleicht hätte Stanislawski das insgeheim auch gern getan. Aber von den Fans erwartet er echte, bedingungslose Unterstützung, ohne nöligen Unterton. In der darauf folgenden Woche gab es ein Kooperationsgespräch mit Fan-Vertretern, in dem der Coach alle darauf einschwor, an einem Strang zu ziehen. Das Ziel heißt Aufstieg in die erste Bundesliga, und der Trainer scheint davon geradezu besessen zu sein.

Vor dem Spiel gegen den Karlsruher SC knöpfte Stanislawski sich die nächste Gruppe vor: Die Platzwarte, seiner Meinung nach verantwortlich für einen beklagenswerten Zustand des Rasens, der für die von ihm auf St. Pauli eingeführte Spielkultur Gift ist. Zunächst gelte die Konzentration den 90 Minuten gegen Karlsruhe, aber danach könne es durchaus auch mal sein, „dass der Teekessel explodiert“, drohte der Trainer.

Seine Spieler schienen die Platzwarte schonen zu wollen, vesuchten in der Anfangsphase, Berührungen des Balles mit dem Boden so weit wie möglich zu vermeiden. Erst ganz allmählich entdeckten sie, dass der Platz zwar ähnlich schlammig aussah wie die Baugrube an der Stelle der früheren Haupttribüne, aber durchaus bespielbar war.

Vor allem über den schnellen Deniz Naki drangen sie immer wieder gefährlich in den Karlsruher Strafraum ein. Der überforderte Ex-Nationalspieler Marco Egelhardt griff deswegen mehrfach zu unfairen Mitteln. Rouwen Hennings war in der 24. Minute sein Opfer – und revanchierte sich, als er den Freistoß zurückgelegt bekam, mit einem 25-Meter-Hammer ins Tor. Die Schussgewalt des von Lokalrivalen Hamburger SV gekommenen Stürmers bekam KSC-Torwart Markus Miller kurz vor der Halbzeitpause erneut zu spüren, als Hennings einen Abstauber aus sechs Metern ins Tor drosch und St. Pauli zum zweiten Mal in Führung brachte.

Überraschend hatten die klar feldunterlegenen Karlsruher nach 38 Minuten den Ausgleich erzielt: Deniz Naki vertändelte den Ball an der eigenen Strafraumgrenze. Den Schuss von Gaetan Krebs parierte Torwart Matthias Hain noch mit dem Fuß, den Nachschuss verwandelt ein weiterer Ex-HSVer: Macauley Chrisantus, nigerianisches Sturmtalent, das beim HSV nie mehr als ein paar Minuten gespielt hat und nach Karlsruhe ausgeliehen wurde.

In der zweiten Halbzeit blieb St. Pauli mit überfallartigen Angriffen vor allem über Hennings und den unermüdlich rackernden Marius Ebbers gefährlich. Nach 65 Minuten hätte Schiedsrichter Thorsten Schriever Elfmeter für St. Pauli geben können, als KSC-Torwart Miller den allein auf sein Tor zustürmenden Ebbers mit einem Bodycheck aus der Bahn warf.

Stanislawski korrigierte danach seine offensive Aufstellung ein wenig, brachte Mittelfeldspieler Fabian Boll für den Matchwinner Hennings – und fast hätte sein schon sprichwörtliches Einwechsel-Händchen wieder Erfolg gehabt: Nach wenigen Sekunden musste Miller einen Schuss von Boll abklatschen, auch den Nachschuss von Ebbers parierte er.

Die wenigen Male, die die Karlsruher sich in der St. Pauli-Hälfte festsetzten, kam das auf, was Stanislawski angemahnt hatte: ganz altmodische „St. Pauli, St. Pauli“-Rufe, wie er sie aus seiner aktiven Zeit kennt, als man praktisch immer das Gefühl hatte, die Mannschaft brauche Hilfe und nur die Fans könnten den Ball ins gegnerische Tor brüllen. Paradoxerweise hat offenbar gerade die von Stanislawski eingeführte gehobene Fußballkultur dazu beigetragen, dass sie dem Dauergesang der Ultra-Fans einerseits und dem stillen Genießen einer schweigenden Mehrheit gewichen sind.

Gegen den Erstliga-Absteiger Karlsruhe reichte St. Paulis spielerische Klasse auch ohne ein übermäßig frenetisches Publikum, um Kaiserslautern zumindest für zwei Nächte von der Tabellenspitze zu verdrängen – und das sogar auf suboptimalem Rasen. Auch deswegen, weil sie fast die ganze Woche im Stadion trainiert hatten, weil, eigentlich eine weitere Unzulänglichkeit, das Trainingsgelände seit Wochen unter Wasser steht. Ein euphorischer Sportchef Helmut Schulte schwärmte nach dem Spiel: „Egal ob brauner Rasen oder grüner Rasen: Dieses Team ist nicht aufzuhalten.“ Und auch ein rundum zufriedener Trainer Stanislawski sagte, „die Jungs“ hätten alles versucht, damit gute Bedingungen herrschen. Die Platzwarte werden es mit Erleichterung zur Kenntnis genommen haben.

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