Glatte Gehwege: Rutsch'n Roll haut Berliner um

Immer mehr Unfälle wegen glatter Gehwege. Änderung des Straßenreinigungsgesetzes gefordert.

Rutschpartie Bild: dpa

Hand- und Sprunggelenkverletzungen, Unter- und Oberschenkelbrüche sowie Wirbelsäulenfrakturen: Die Zahl der bei Glätteunfällen verletzten FußgängerInnen steigt. 108 Glätteopfer hatte am Wochenende allein das zur Charité gehörende Benjamin-Franklin-Krankenhaus in Steglitz zu versorgen. Eine Gesamtstatistik führen die Kliniken seit Mitte Januar nicht mehr, die Zahl der Unfallopfer sei aber seit Januar "anhaltend hoch", so Oberarzt Tobias Lindner. Oft müsse aufgrund offener Brüche sofort operiert werden.

Grund für die steigenden Unfallzahlen ist die durch den Wechsel von Plus- und Minusgraden entstandene Eisschicht auf vielen Gehwegen, die durch einfache Streumaßnahmen kaum zu beseitigen ist - und von Hauseigentümern oft geflissentlich ignoriert wird. Viele Ordnungsämter gingen dazu über, gefährlich glatte Bürgersteige von der BSR "zwangsräumen" zu lassen, berichtet der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, Jürgen Schneider. Die Kosten für diese Maßnahme ebenso wie ein vom Ordnungsamt verhängtes Bußgeld hat dann der Hauseigentümer zu zahlen, der zur Räumung verpflichtet ist.

Vor allem RollstuhlfahrerInnen, aber auch Gehbehinderte und SeniorInnen, die auf einen Rollator angewiesen sind, litten unter der mangelhaften Räumung, so Schneider. Gesetzlich sei eine Versorgungsnothilfe für Menschen, die sich aufgrund der Witterungsverhältnisse nicht mehr selbst versorgen können, zwar nicht geregelt. Betroffene könnten sich aber etwa an die Mobilitätshilfedienste der Bezirke wenden, die bei Einkäufen oder Arztbesuchen behilflich seien, so der Landesbeauftragte.

Der Bewegungsradius insbesondere älterer und gehbehinderter Menschen sei derzeit "stark eingeschränkt", sagt auch Thomas Gleißner, Sprecher der Caritas, die Pflegeheime, betreute Seniorenwohnungen und Hauspflegedienste betreibt. Viele ältere Leute blieben aus Angst vor Stürzen lieber zu Hause, so Gleißner: "Die Bestellungen bei unserem fahrbaren Mittagstisch haben stark zugenommen." Auch von der Caritas angebotene Begleitdienste würden stark genutzt, aber "sogar die haben beispielsweise mit Rollstühlen Probleme", so der Caritassprecher.

400 Gehwegzwangsräumungen habe die BSR seit vergangenem Donnerstag durchgeführt, sagte deren Sprecher Bernd Müller. Damit künftig Zustände wie derzeit verhindert würden, müsse das Straßenreinigungsgesetz geändert werden, fordern sowohl der Landesbeauftragte für Behinderte als auch der Pankower Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD): Wenn "mit herkömmlichen Maßnahmen" Winterglätte nicht beseitigt werden könne, müsse Eisbeseitigung zur gesetzlichen Pflicht erhoben werden.

Ab Mittwoch soll es übrigens wieder schneien.

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