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Einsamer VorstossHamburg hält sich von Gentechnik frei

Die Hamburger Bürgerschaft hat sich für eine gentechnikfreie Metropolregion entschieden. Biobauern sind mit dem Ergebnis zufrieden, die Nachbarländer bleiben skeptisch.

Regional schmeckt besser: Die Hamburger Bürgerschaft will, dass zukünftig mehr gentechnikfreie Produkte aus der Region über den Ladentisch wandern. Bild: dpa

In einem gemeinsamen Antrag haben am Mittwoch die Fraktionen der Hamburger Bürgerschaft beschlossen, Gentechnik den Kampf anzusagen. Parteiübergreifend waren sich die Abgeordneten von GAL, CDU, SPD und Linke einig, dass es notwendig sei, auf den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auf Hamburger Boden zu verzichten.

Ziel sei demnach eine gentechnikfreie Metropolregion und die Förderung von regionalen Produkten. Hamburg ist damit bundesweit der erste Stadtstaat, der sich diese Absichten auf die Fahnen schreibt.

Von einem "großen und substanziellen Schritt in die richtige Richtung" sprach Michael Gwosdz von der GAL während der Bürgerschaftsdebatte. Denn gentechnisch veränderte Pflanzen seien "ein nicht akzeptables Risiko" für den Obst- und Gemüseanbau in der Region. Diese umfasst mit den Vier- und Marschlanden eines der größten Gemüseanbaugebiete Deutschlands und mit dem Alten Land das sogar größte Obstanbaugebiet Europas.

Von "gentechnikfreien Produkten aus der Region, für die Region und mit Bio-Siegel", schwärmte der Sprecher für Landwirtschaft der CDU, Bernd Capeletti. Zugleich aber wies er darauf hin, dass Gentechnik nicht in jedem Fall Teufelszeug sei, sondern zur Lösung der globalen Nahrungsprobleme sinnvoll sein könne.

Linda Heitmann (GAL) stellte hingegen fest: "Gentechnisch veränderte Lebensmittel sind nicht besser, nicht gesünder, nicht schöner, nicht billiger - sie sind schlicht überflüssig." Dass sich die Bürgerschaftsfraktionen trotz Meinungsverschiedenheiten auf einen Konsens einigen konnten, befand die Linke-Fraktionsvorsitzende, Dora Heyenn, als "gut und sinnvoll".

Die Metropolregion

Die 1995 gegründete Metropolregion Hamburg ist mit 19.800 Quadratkilometern - ein Drittel größer als Schleswig-Holstein - die größte in Deutschland.

Sie besteht aus der Hansestadt selbst, den sechs südlichsten Landkreisen Schleswig-Holsteins (Dithmarschen, Steinburg, Pinneberg, Segeberg, Stormarn und Herzogtum Lauenburg) und den acht nördlichsten Landkreisen Niedersachsens (Cuxhaven, Rotenburg, Stade, Soltau-Fallingbostel, Harburg, Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg).

Mit knapp 4,3 Millionen Einwohnern leben in der Metropolregion mehr Menschen als im Großraum Berlin, davon 1,75 Millionen in Hamburg.

Der Anteil der Land- und Forstwirtschaft an der Bruttowertschöpfung der Region liegt bei etwa 1,2 Prozent.

In ihrem gemeinsamen Papier appellieren die Parteien unter anderem an die Wirtschaft, freiwillig auf gentechnisch veränderte Produkte zu verzichten. Um mit gutem Beispiel voran zu gehen, sollen von nun an bei Empfängen und Veranstaltungen der Bürgerschaft nur noch gentechnikfreie Lebensmittel angeboten werden.

Vom Senat fordern die Parteien außerdem, die im Mai 2008 eingeführte Kennzeichnung "ohne Gentechnik" stärker zu bewerben. Zusätzlich soll die Stadt dafür sorgen, dass die Kantinen von Kitas, Schulen und Behörden ausschließlich gentechnikfreie Ware anbieten.

Begrüßt wird der Antrag von der Initiative gentechnikfreie Metropolregion Hamburg. Diese vertritt rund 1.200 Betriebe in Norddeutschland. "Durch moderne Gentechnik entstehen Agrarwüsten", sagt der Initiativensprecher und Betreiber eines Biohofes in Hamburg, Thomas Sannmann.

Bisher baue zwar kein Betrieb in der Hansestadt gentechnisch veränderte Pflanzen an, trotzdem ruft Sannmann Höfe, Gärtnereien und Imker dazu auf, sich zur Gentechnikfreiheit zu verpflichten. Vor allem im Bereich des Futtermittels müsse bei Landwirten noch oft Überzeugungsarbeit geleistet werden. "Viele denken, es gebe nicht genug gentechnikfreies Futter für ihre Tiere, aber das stimmt nicht", so Sannmann.

Etwas weniger euphorisch stehen Hamburgs Nachbarn der gentechnikfreien Metropolregion gegenüber. Während das niedersächsische Landwirtschaftsministerium die Hamburger Landespolitik lieber nicht kommentieren möchte, ist Schleswig-Holstein skeptisch. Im Kieler Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt glaubt man nicht, dass das Engagement gegen Gentechnik Einfluss auf die schleswig-holsteinischen Bauern haben wird.

"Die Beschlussbefugnis endet an der Landesgrenze", sagt Ministeriumssprecher Christian Seyfert. Zudem sei das in der EU einheitliche Gesetz maßgeblich, wonach eine Koexistenz von gentechnikfreien und veränderten Pflanzen gewährleistet sein müsse. "Nicht zuletzt bleibt es immer die Einzelentscheidung des Landwirts", sagt Seyfert.

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14 Kommentare

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  • PF
    Peter Falkner

    "Antigentechnik" ist reiner Rassismus.

     

    Hier sind Gruene/Greenpeace/Linke/NPD etc. rassistische, rueckwaertsgewandte und antimodernistische Sekten. Pseudowissenschaften, mehr nicht.

     

    Es ist - Zeitgeist hin oder her - nun einmal purer Rassismus und Eugenik gegen genetisch modifizierte Lebensformen zu hetzen. Heute Pflanzen/Tiere, morgen Menschen. Und sage keiner, er wuesste von nichts. Das Feinbild "Gen" ist wie frueher Ausdruck dumpfen Aberglaubens. Wie immer gehts also um Aufklaerung/Bewusstsein kontra Aberglauben und Aengste.

  • L
    Lukiluke

    Wer an die Milchmädchenrechnungen aus Ammenmärchen von Monsanto und Co wie bspw "Gentechnik löst das Welthungerproblem", "Gentechnik senkt den Pestizideinsatz", "Gentechnik erhöht den Ertrag", "Gentechnik ist Fortschritt" usw usf glaubt, der hätte damals wahrscheinlich auch zu den Leuten gezählt die glaubten dass Eisenbahnfahren Schwindsucht herbeiführt.

     

    Jeder Mensch der sich WIRKLICH mit den Fakten - mit konkreten Forschungsergebnissen, mit ZAHLEN anstatt mit Floskeln, mit (amerikanischer) Politik, mit Drehtüren-Lobbyismus, mit Ernährungs-Nachhaltigkeitsfragen, mit Wirtschaftlichkeitsfragen auseinandersetzt. Wer sich mit Landwirten unterhält die Gentechnik anbauen und solchen die es nicht tun. Der kommt leider immer zu demselben Ergebnis:

     

    Gentechnik in der Landwirtschaft hat noch auf keinem einzigen Feld die Pestizidbelastung vermindert, noch nirgends einen Flächenmehrertrag beschert, keinen Menschen mehr satt gemacht. Aber die Geldflüsse verändern sich. Die Abhängigkeiten. Und damit Machtverhältnisse.

     

    PS.: Kommentare wie "Es gibt keine wissenschaftlich belgbaren Gründe, ..." deuten immer daraufhin dass keinerlei Wissen zum Thema vorhanden ist. KONKRET. Werde mal KONKRET mein Freund.

  • R
    rob

    montesanto veranstaltet die größtmögliche aktuelle schweinerei überhaupt weltweit ungestraft.

    gentechnik fördern ist seele verkaufen.

  • JS
    Jens Schlegel

    Ja, Hamburg ist ein kleiner Stadtstaat, hat wenig Anbaufläche. Wahrscheinlich profiliert sich die Grüne mit diesem kleinen Erfolg.

     

    Aber es ist ein Zeichen. Es sagt klar, man kann etwas machen.

     

    Es ist nicht das Ende. Es muss weitergehen in der Vermeidung dieser Technik.

     

    Und meine Ängste sind nicht diffus - sondern konkret. Ich habe keine Angst vor Schwindsucht beim Bahnfahren wie hier ein Kommentator ein "Argument" an den Haaren herbeizieht. Meine Angst vor dieser Technik ist eher vergleichbar mit der Entwicklung Atomarer Waffen. Davor durfte Mann damals doch Angst haben? Oder?

     

    Die Gentechnik birgt Chancen. Diese sind klar abzuwägen mit den Risiken. Und bei den Lebensmitteln überwiegen die Risiken im Anbau derzeit deutlich. Und auch die Beweggründe der Industrie sind nicht in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Afrikanischen Staaten zu suchen. Sie liegen im Geld.

     

    Gentechnik wird derzeit nur des Geldes wegen betrieben.

     

    Des Geldes wegen wird ein enormer Schaden in Kauf genommen. (ähnlich beim Nutzen von Öl, Abladen von Müll im Meer, Laufzeitverlängerung bei AKW...)

     

    Es geht ums Geld.

  • PR
    Peter Reer

    Gerade kommt die Nachricht raus, dass die Citibank eine Studie erstellen hat lassen, wonach in Atomkraft zu investieren nicht lohnt. Wann wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass neue Technik nur dann sinnvoll ist, wenn sie wirtschaftlich ist und das nicht nur jetzt, sondern auch für zukünftige Generationen? Das Desaster ungelöster Atommüllentsorgung wird uns noch ewig belasten, genauso wie die Folgen von genetisch einwandfreier Monokulturen mit Pestizitverseuchung - dank technischen Wunschglaubens ohne Relationen.

  • K
    kyle

    Gentechnik ist nicht Autotechnik. Hierbei geht es nicht um ein neues sicheres ABS oder die Verbesserung der Knautschzone. Bei der Gentechnik geht es in 90% der Fälle um die genetische Disposition der Pflanze bestimmte Chemikalien (Spritzmittel, meist Insektizide) aufzunehmen.

    Der Klassiker ist Monsantos Roundup-Ready Mais. Der Mais ist dabei keineswegs besser oder gesünder als der gentechnikfreie Mais. Ganz im Gegenteil. Der Roundup-Ready Mais ist abhängig von Monsantos Chemikalie Roundup. Bekommt er sie nicht ist die Ernte schlecht. Bekommt er eine andere Chemikalie als Roundup verpaßt so stirbt er ab. Die Gentechnik macht also aus den Bauern quasi Junkies. Den Dealer freuts- ist ja klar. Dieser Dreck gehört verboten. Was wir brauchen sind möglichst viele stabile Sorten Getreide. Kein verkrüppeltes Chemo-Zeug.

  • G
    GreenHU

    Einen schönen Quatsch haben die da verzapft. Es ist dreist, wie die Politik populistische Lebenslügen als Erfolg zu verkaufen versucht. Das politische Gewicht dieser Entscheidung geht gegen Null, aber es verbreitet ein wenig Schönwetter im trüben Winter.

    Obstbauern aus dem Alten Land unterstützen Forschung an schorfresistenten Apfelsorten. Die dort ansässigen Rosenzüchter sind eine weltweite Größe. Auch sie fördern Forschung, die die Möglichkeiten der Gentechnik im Zierpflanzenbau auslotet.

    Warum das gut ist? Deutsche Rosen werden unter menschenunwürdigen Bedingungen in Afrika produziert und dann eingeflogen. Pilzresistente Sorten mit längerer Haltbarkeit könnten diese Probleme zumindest reduzieren. Äpfel könnten mit drastisch reduzierten Pestizidmengen produziert werden.

  • F
    Fritz

    Uuuuh, also da hat die GAL ja wirklich etwas erreicht. Bei den waaaahnsinnig großen Abauflächen des Bundeslandes Hamburg. Das ist wirklich ein Durchbruch! Ein Meilenstein!

  • M
    moi

    Dumme Entscheidung. Freiwillig auf eine der wichtigsten Technologien des 21 Jahrhunderts zu verzichten. Nach dem verfrühten Atomausstieg, Einschränkungen in der Biotechnologieforschung und immer restriktiverer Forschungsgeldvergabe begibt sich Deutschland zunehmend auf einen Weg der Selbstabwertung. Kein Wunder, dass die guten Wissenschaftler hier Reißaus nehmen.

  • R
    ratio

    Es gibt keine wissenschaftlich belgbaren Gründe, die gegen eine Weiterentwicklung der Landwirtschaft mittels Gentechnik sprechen. Es ist das alte Ressentiment gegen den technischen Fortschritt. Im 19. Jahrhundert propagierten damalige Reaktionäre, dass Eisenbahnfahrten Schwindsucht verursachen. Heute sind die Ängste nur diffuser. Doch die nächste Generation der Technophobiker wird sich dann nicht mehr an die Gentechnik, die dann etabliert sein wird wie heute Pflanzenschutzmittel, erinnern, sondern sich auf etwas neues stürzen.

  • C
    Christoph

    Ach, ich geb die Hoffnung noch nicht auf. Der Fortschritt ist schließlich nicht aufzuhalten. Den Ludditen ist es nicht gelungen die industrielle Revolution zu verhindern, warum sollten die Ökos Erfolg damit haben die Gentechnik zu bekämpfen?

  • N
    nichtvermietbar

    @hto.....seh`ich genau so...guck dir 'mal an was "Die Grünen" im Saarland gerade anrichten....

  • G
    Gessica

    Das finde ich echt super!!! Ich wünschte mir Freiburg würde so schnell wie möglich folgen!

  • H
    hto

    "... auf den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auf Hamburger Boden zu verzichten."

     

    Mal wieder ein fauler wie heuchlerisch und blödsinniger Kompromiss, für die "Grüne" sich nach der Macht drehende Partei des zynischen wie stumpfsinnig-reformistischen Zeitgeistes - die konsumautistisch-gebildete Suppenkaspermentalität auf systemrationaler Sündenbocksuche im Tanz um den heißen Brei.