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20 Jahre Freiheit Nelson MandelasDer ewige Held

Vor 20 Jahren kam Nelson Mandela frei und das Ende der Apartheid begann. Heute lebt er zurückgezogen - und eine Stiftung wacht über seinen Namen als Label.

Wandgemälde in Soweto mit Mandela, gemalt von O. J. Zwane . Bild: reuters

JOHANNESBURG taz | Nelson Mandela lächelt. Seine Augen sind zu kleinen Schlitzen zusammengezogen, er ist berühmt für dieses Lachen. Sein Charisma und Charme machen die berühmte "Madiba-Magic" aus. Respektvoll wird Nelson Mandela in Südafrika mit seinem Clan-Namen angesprochen, und der etwas hölzerne "Madiba-Jive" ist der Tanz, den Mandela mit seinen Bewegungen zum afrikanischen Beat kreiert hat. Er winkelt einen Arm an, um sich im Rhythmus zu bewegen - genau diesen Moment hält die Bronzestatue fest. Sechs Meter hoch steht sie vor dem Eingang zum Nelson Mandela Square im Johannesburger Einkaufszentrum Sandton. Die Touristen nehmen sich zu seinen Füßen für ein Foto in den Arm.

"Er ist ein Held", sagt Beatrice Abaurre aus Rio de Janeiro voller Begeisterung. "Mandela ist, was Gandhi war." Ihr Mann Cesar philosophiert über die Intelligenz Mandelas, ein Land ohne Krieg zu befreien. Enkelin Julia nickt nur, schiebt die Sonnenbrille in die blonde Mähne und packt die Kamera weg. Erneut klickt wieder ein Auslöser: Der südafrikanische Musiker Tumi Ramailane fotografiert seine ghanaische Freundin Diane Laryea und wechselt eilig die Batterien. Dann posiert sie erneut. "Mandela ist die Legende Afrikas", sagt der Musiker. "Ich bin so stolz auf das, was ich heute bin, und stolz, schwarz zu sein."

Wie die Familie aus Rio erinnert sich dieses Paar vage an den historischen Moment vor 20 Jahren, als ein hagerer, bereits ergrauter Mandela das Victor-Vester-Gefängnis in Paarl nahe Kapstadt verließ und Hand in Hand mit seiner damaligen Frau Winnie Mandela die jubelnden Massen begrüßte. Es war erste Mal, dass ihn seine Landsleute nach 27 Jahren Haft zu Gesicht bekamen. Er war im Gefängnis eine Ikone des Widerstands, heute ist er eine Ikone des Kampfs für Gerechtigkeit und der Versöhnung.

Vor zwanzig Jahren

11. Februar 1990: Nelson Mandela, Führer der südafrikanischen Befreiungsbewegung ANC (Afrikanischer Nationalkongress), verlässt nach fast 27 Jahren Haft Hand in Hand mit seiner Frau Winnie sein südafrikanisches Gefängnis. Es ist für Südafrikas Schwarze und für ganz Afrika ein Ereignis von ähnlicher Tragweite wie für Europa der Fall der Berliner Mauer drei Monate zuvor. Auf 50 Kilometern Strecke nach Kapstadt wird Mandela von Hunderttausenden bejubelt, 14 Menschen werden von Sicherheitskräften erschossen. "Unser Marsch zur Freiheit ist unumkehrbar", ruft Mandela der jubelnden Menge in Kapstadt zu.

Die Vorgeschichte: Seit 1948 herrscht in Südafrika eine rigide Rassentrennung, genannt Apartheid. Als Bollwerk gegen den "Kommunismus" wird das Apartheid-Regime vom Westen unterstützt. Die Befreiungsbewegung ANC (Afrikanischer Nationalkongess), 1912 gegründet und älteste Befreiungsbewegung Afrikas, ist verboten, ihre Führer im Gefängnis oder im Exil. Aber als in den 1980er-Jahren die Proteste der Schwarzen und die Repression des Regimes immer stärker werden, begannen vertrauliche Gespräche, ermutigt ab 1989 sowohl von Südafrikas Präsident Frederik Willem De Klerk als auch von ANC-Führer Nelson Mandela. Am 2. Februar 1990 verkündet De Klerk in seiner alljährlichen Regierungserklärung die Legalisierung des ANC. Danach überschlagen sich die Ereignisse.

Die Folgen: In Verhandlungen vereinbaren Regierung, ANC und andere Kräfte das Ende der Apartheid und die Demokratisierung Südafrikas. Die Gespräche werden immer wieder von blutigen Kämpfen sabotiert. Im April 1994 gewinnt der ANC Südafrikas erste allgemeine und freie Wahlen. Nelson Mandela wird Präsident. Der ANC regiert bis heute.

Ein Foto vor der massiven Bronzestatue am Nelson Mandela Square reicht dem wahren Mandela-Fan nicht. Die brasilianische Familie sucht ein T-Shirt mit Madiba-Aufdruck zum Verschenken. Es gibt Kühlschrankmagneten, Kaffeetassen - "alles mit Mandela geht weg", sagt Gladys Banda, "daran hat sich nichts geändert." Sie arbeitet seit 28 Jahren im Souvenir-Shop in Sandton, ein Mekka für Madiba-Fans. Das Kupferarmband mit Mandelas eingravierter Gefängnisnummer 46664 erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit; der noch vor zehn Jahren populäre Salz- oder Pfefferstreuer mit den Friedensnobelpreisträgern Nelson Mandela und Frederik Willem De Klerk wird dagegen nur noch selten gekauft.

Die Nelson Mandela Foundation (NMF) hat das Geschäft mit der lebenden Legende schon vor einigen Jahren limitiert. Der Madiba hatte angeblich die Kommerzialisierung seines Gesichts satt: "Man ehrt Mandela mehr, indem man sein Erbe anerkennt", erklärt Achmat Dangor, der die Stiftung mit Sitz in Johannesburg leitet. "Untersetzer mit Mandela-Porträt, die dann in Bier getränkt werden - das ist nicht die wahre Bedeutung seiner Botschaft." Billigen Kommerz versucht die Stiftung zu unterbinden, den Verkauf von T-Shirts mit seiner Gefängnisnummer unterstützt sie dagegen. Geschäfte müssen ihre Verkaufsrechte von Mandela-Souvenirs mit der Stiftung verhandeln, die einen Teil des Profits einbehält.

Die 1999 gegründete Nelson Mandela Foundation ist eine einflussreiche Stiftung mit internationalem Ansehen und tadellosem Ruf. "Wir wollten das erst nicht, aber Mandela ist ein wertvolles politisches Label, das wir schützen müssen", meint Dangor. Es vergehe kaum ein Tag ohne Anfragen, Mandelas Image zu nutzen. Unzählige Straßen und Plätze weltweit tragen seinen Namen, aber auch rund 450 inoffizielle Webseiten.

Achmat Dangor verbringt die meiste Zeit seiner Arbeit damit, Sponsorengelder aus aller Welt einzusammeln. Zu den großzügigen Gebern zählen südafrikanische Millionäre wie Tokyo Sexwale sowie Bill Clinton und David Rockefeller. Die Stiftung konzentriert sich dabei einerseits auf die Verwaltung der historischen Mandela-Dokumente, seine persönlichen Briefe und Notizen. Der andere Pfeiler der Arbeit ist die Entwicklung von inhaltlichen Dialogreihen zu Themen wie: Aids, Entwicklung und Armut, Erziehung, Frieden und Versöhnung. Außerdem hat die Stiftung noch drei Schwesterorganisationen, darunter den Nelson Mandela Children Funds und die Mandela Rhodes Foundation, die Nachwuchsförderung betreibt. Als Mandela 2004 mit den Worten "Don't call me, I call you" in den Ruhestand trat, hatte er Millionen für Schulen, Kliniken, Aidsprojekte gesammelt.

Der fragile 91-jährige Held tritt nur noch selten in der Öffentlichkeit auf. Wofür steht der Name Mandela 20 Jahre nach dem Freiheitskampf? "Gerechtigkeit und Integrität", sagt Dangor. Er symbolisiere das höchste Streben des Menschen, Not und Elend zu überwinden, ohne Rache zu suchen. "Aber er ist kein Heiliger, sondern ein pragmatischer, scharfsinniger Politiker, der wusste, was er tut: Er nutzte sein Image, Freunde und Feinde zusammenzubringen. Das machte ihn so gut."

Diese besondere Fähigkeit Mandelas wird in dem jüngst angelaufenen Hollywood-Film "Invictus" in den Mittelpunkt gerückt. Regisseur ist Clint Eastwood, und Morgan Freeman verkörpert Mandela, der kurz nach seiner Amtsübernahme als Präsident Südafrikas 1995 meisterhaft die Rugby-Weltmeisterschaft in Südafrika nutzte, Schwarz und Weiß erstmals - wenn auch nur vorübergehend - zu einer Nation zu vereinen. Er studierte den als "Symbol der Apartheid" von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnten weißen Sport und die Mentalität der Buren. Und erreichte mit geschickt gesponnenen Gesten und Gesprächen mit dem damaligen Mannschaftskapitän Francois Pienaar die Herzen des ehemaligen Feindes. Der anschließende Sieg der Weltmeisterschaft ließ Schwarz und Weiß in Südafrika jubeln.

Mandela, der erste Präsident des demokratischen Südafrika, steht für moralische Autorität. Er meldete sich auch aus dem Ruhestand zu Wort und versuchte, die moralische Erneuerung in der südafrikanischen Gesellschaft und die Versöhnung der Nation voranzutreiben. Der derzeitige Präsident, Jakob Zuma, lässt mit Korruptions- und Sexaffären Zweifel an seiner politischen Führungsfähigkeit und moralischen Integrität aufkommen. "Wie immer Zumas Fehler aussehen, er ist menschlich, und was immer seine Auffassung von Tradition ist, er hat eine neue Ära der Offenheit in Südafrika eingeleitet", sagt Dangor. "Er hat von Mandela gelernt, dass Politiker Dinge aussprechen können, und das wird helfen, das Land umzuwandeln."

Auch Madibas Enkel, Mandla Mandela, hat politische Ambitionen. Als ältester Sohn von Makgatho, Nelson Mandelas ältestem Sohn (er starb 2005 an Aids), gilt er als Erbe Nelson Mandelas. "Das Blut der Mandelas, die es seit Jahrhunderten gibt, läuft in meinen Venen, da gibt es keinen Machtkampf für mich", sagte er vergangenes Jahr, kurz nachdem er im April für die Regierungspartei ANC (Afrikanischer Nationalkongress) ins Parlament gewählt worden war. Zuvor war der 35-jährige Geschäftsmann in Mvezo in der Provinz Ostkap, dem Geburtsort Nelson Mandelas, zum Häuptling des Aba-Thembu-Stammes gekrönt worden. Die Häuptlingsrolle wurde vor zwei Jahren zu Ehren Madibas (er wuchs am königlichen Hof der Thembus auf) an die Mandelas zurückgegeben, der sie seinem Enkel vermachte. Dieser sorgte für Kontroversen, als er angeblich die Fernsehrechte für Mandelas zukünftige Beerdigung verkaufen wollte. Und er äußerte sich kritisch gegenüber Organisationen, die vom Namen seines Großvaters profitierten.

Nelson Mandela hat zu Lebzeiten die Schaffung seiner Legende begleitet. Im vergangenen Jahr gipfelten die Bemühungen der Stiftung, den Geburtstag Madibas am 18. Juli zum internationalen Nelson-Mandela-Tag werden zu lassen. Die Vereinten Nationen stellten sich hinter die Aufforderung, jedes Jahr an diesem Tag die Menschen dazu aufzurufen, in ihren Gemeinden 67 Minuten Gutes zu tun.

Mandela kommt ab und zu noch ins Stiftungsbüro. "Aber wir sehen zu, dass er in Ruhe gelassen wird", sagt Dangor. Manchmal besucht er Kinderheime. "In unserer Kultur spricht man nicht über die Beerdigung zu Lebzeiten", sagt Dangor. Er bestätigt jedoch, dass es ein Protokoll in Anlehnung an die letzte Papstbeerdigung gibt für den Tag, an dem Madiba geht. Doch Mandelas Ehefrau Graca Machel sei da sehr sensibel. Sie sage stets: "Warum soll ich darüber reden, solange mein Mann neben mir sitzt und mit mir Kaffee trinkt?"

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1 Kommentar

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  • E
    end.the.occupation

    Mandela hat sich tatsächlich geweigert, Südafrika als den 'Staat der Weißen' zu akzeptieren.

     

    Wäre er in Nablus geboren worden, so säße er bis zum heutigen Tag im Knast.

    Entweder wüsste kein taz-Leser etwas von seiner Existenz - dank der Nicht-'Berichterstattung' Frau Knauls - oder wir würden ihn als Anführer einer Terrorgruppe kennen.

     

    Addendum: Was in Südafrika geholfen hat, das wird auch in Palästina helfen.