Überfordert mit dem Eis: BSR spendiert Split on the rocks
Die privaten Räumdienste sind überfordert, aber mehr Personal stellen sie nicht ein. Jetzt will die BSR mehr 1-Euro-Jobber anfordern - und in ihren Recyclinghöfen kostenlos Splitt zum Streuen abgeben.
Der Potsdamer Platz wird für die Berlinale mit der Schlagbohrmaschine vom Eis befreit, anderswo überzieht der Gletscher weiterhin die Stadt. Carsten Spallek, stellvertretender Bezirksbürgermeister von Mitte, sagt: "Am Mittwoch haben wir die 500. Anzeige wegen unzureichend geräumter Gehwege geschrieben." Im Vergleichszeitraum letzten Jahres seien es 72 gewesen.
Viele der Anzeigen wurden gegen die vom Bezirk Mitte selbst beauftragte Räumfirma erstattet. Spallek: "Wir kürzen deswegen schon die Rechnungen um 40 Prozent." Eine Neuvergabe sei aber schwer möglich: "Wir haben keine Alternative, die Räumdienste sind ja alle völlig überlastet." Das müsse nicht sein. "Was die Räumfirmen jetzt an Ordnungsgeldern und Schadenersatzklagen zu zahlen haben, sollten sie in mehr Mitarbeiter investieren", fordert Spallek.
Doch die Nachfrage nach Mitarbeitern ist gering. Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion der Arbeitsagenturen Berlin-Brandenburg, sagt: "Auf dem ersten Arbeitsmarkt spüren wir derzeit kein erhöhtes Interesse an Arbeitskräften zur Schnee- und Eisbeseitigung." Dennoch sei ein Teil seiner Kundschaft zu diesem Zweck unterwegs: "Wir vermitteln schon immer Arbeitsgelegenheiten der Grünflächenämter", sagt Möller. Dort würden die sogenannten 1-Euro-Jobber auch eingesetzt, um Eis und Schnee zu bekämpfen.
Die BSR hat sich über die Arbeitsagentur bereits vor Beginn der Saison 1.000 geringfügig Beschäftigte gesichert, die auf Abruf bereitstehen, um Eis und Schnee zu beseitigen. Dennoch ist die Personaldecke nach Unternehmensangaben dünn. Am Donnerstagabend kündigte die BSR an, weitere Kräfte von der Arbeitsagentur anzufordern und nach Hamburger Vorbild an fünf Recyclinghöfen kostenlos Splitt zum Streuen abzugeben.
Die sechs Unternehmen, die von der BSR mit der Beseitigung von Eis und Schnee auf den Radwegen beauftragt wurden, seien "völlig überfordert", sagte BSR-Sprecherin Sabine Thümler. Entsprechend hätte die BSR auch schon "empfindliche Vertragsstrafen" ausgesprochen. Eine Kündigung steht trotzdem nicht an. "Bei dem Wetter finden wir niemanden, der bereit ist, einen anschließenden Räumvertrag zu unterzeichnen", so Thümler.
Aber es geht auch anders: Vor der Senatsverwaltung für Justiz haben am Dienstag und Mittwoch zehn Häftlinge des Baukommandos der JVA Plötzensee das Eis entfernt. Bernhard Schodrowski, Sprecher der Senatsverwaltung, ist durchaus zufrieden mit der Durchführung: "Die haben alles so frei gehackt, wie wir es uns gewünscht hatten." Von solcher Effektivität können die Auftraggeber privater Räumdienste derzeit nur träumen.
MARTIN SCHWARZBECK
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