Einfach wunderbar

Der FC Barcelona schlägt Real in Madrid mit 3:0 und wird unter Applaus verabschiedet. Pech für Werder Bremen, der morgen in Barcelona gastiert

AUS MADRID RALF ITZEL

Zwanzig Minuten vor Schluss waren viele der 80.000 Zuschauer bereits gegangen. Ungläubig, ohnmächtig, erschlagen hatten sie das Weite gesucht. Die Gebliebenen sahen, wie Ronaldinho wieder zu einem Sololauf ansetzte. Der Brasilianer jagte an den Madrider Verteidigern vorbei wie eine Raubkatze an einer Büffelherde und schob den Ball locker zum 0:3-Endstand ins Netz. Und dann geschah das Unvorstellbare: Die Menschen erhoben sich und begannen zu klatschen. Kein Klub wird in der Hauptstadt so abgrundtief gehasst wie der FC Barcelona, es ist eine tief verwurzelte Feindschaft, die weit über den Fußball hinausreicht. Deswegen geht dieser 19. November 2005 in die spanische Geschichte ein. Die meistgelesene Zeitung des Landes, das Madrider Sportblatt Marca, hielt das Ereignis auf der Titelseite fest: „Die Nacht, in der Barca unter Applaus das Bernabeu-Stadion verließ.“ Auch die Gäste selbst waren verblüfft. Xavi, der mit Deco im Mittelfeld souverän Regie führte, nannte den Vorfall „historisch“, und Ronaldinho bedankte sich für einen „Moment, den ich mein Leben lang nicht vergessen werde“.

Seit Maradona vor 20 Jahren war keinem im blau-granatroten Trikot diese Ehre zuteil geworden. Auf dessen Spuren wandelt der Brasilianer, in wenigen Tagen wird er zu Europas Fußballer des Jahres erklärt. Seine beiden Treffer diesmal hatten durchaus Ähnlichkeit mit dem „Tor des Jahrhunderts“ des Argentiniers bei der WM 86 gegen England. Samuel Eto’o, dem der erste Streich geglückt war (15.), wollte die Meisterwerke des Sturmpartners gleich für die Nachwelt sichern: „Das waren Tore fürs Museum.“ Zusammen mit dem 18-jährigen Argentinier Messi bildeten die beiden ein magisches Sturmdreieck, das selbst den ansonsten sachlichen Trainer zum Schwärmen brachte: „Diese Geschwindigkeit, diese Kontrolle, diese Technik … – einfach wunderbar“, lobte Frank Rijkaard, der nach dem 2:1 aus der Saison 03/04 nun als erster Barca-Coach zwei Siege bei Real im Lebenslauf hat. Es ist zudem der zweithöchste Erfolg beim ewigen Rivalen überhaupt, nur Johan Cruyff und dessen Mitspieler landeten vor 30 Jahren einen größeren Coup (5:0). Allein Real-Torwart Casillas verhinderte, dass Barca auch diese Bestmarke knackte. So riesig war die Überlegenheit, so brillant spielten die Katalanen, so desolat der Gastgeber, der seinen ersten von zwei Schüssen aufs Tor nach 76 Minuten abgab. „Das ist die schlimmste Niederlage, seit ich bei Real bin“, meine Mittelfeldspieler Guti, der als Knirps in den Verein eintrat.

Drastischer wurde das Ergebnis zweier gegensätzlicher Klubphilosophien nie aufgezeigt. Hier eine mit jungen, hungrigen Talenten nach einem sportlichem Plan und getreu einem Stil konstruierte Mannschaft, da eine im Profitdenken zusammengekaufte, seelenlose Ansammlung von Individuen, die ihre besten Tage gesehen haben. Real hatte Eto’o einst unter Vertrag und bekam Ronaldinho angeboten, zog ihnen aber Owen und Beckham vor, weil sie kurzfristig mehr Trikots verkauften und Werbekunden anzogen. Zwar wurde im Kader zuletzt die eine oder andere Korrektur vorgenommen, doch die Flickschusterei verlängert nur die Agonie des Gesamtprojekts. Die Krise ist mittlerweile ein Dauerzustand im weißen Haus, dessen Vorsteher Florentino Perez als der Präsident in die Geschichte einzugehen droht, der den Klub wirtschaftlich saniert, aber die Mannschaft dabei abgewirtschaftet hat. „Es fehlt das Herz“, diagnostizierte Reals Mittelfeldakteur Pablo Garcia, und Verteidiger Salgado meinte: „Sie haben uns gezeigt, wie man als Team spielt. Es gab Zeiten, in denen wir das auch konnten.“