Gipfeltreffen: Amerika ohne die USA
Die Länder Lateinamerikas und der Karibik wollen einen neuen Staatenbund gründen. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) würde damit geschwächt.
Im mexikanischen Badeort Cancún fehlte es nicht an großen Worten. Die gewohnten Differenzen zwischen "unseren Völkern", sprach Mexikos Präsident Felipe Calderón, sollten in eine "einzige Stimme verwandelt werden, die sich über Lateinamerika und die Karibik erhebt". Zum "Gipfel der Einheit" hatten die Gastgeber das nach 2008 zweite Kontinentaltreffen mit Kuba - aber ohne die USA und Kanada erklärt.
Einigkeit konnten die 32 Delegationen, darunter immerhin 26 Staats- oder Regierungschefs, im wieder aufgeflammten Konflikt zwischen Buenos Aires und London demonstrieren: Während eine britische Ölfirma am Montag bekanntgab, sie habe nördlich der Falkland-/Malvinas-Inseln mit Probebohrungen begonnen, wurden in Cancún einhellig die "legitimen Rechte" Argentiniens "im Souveränitätsstreit mit Großbritannien" beschworen.
"Wer einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat hat, kann die UN-Resolutionen tausendmal verletzen", sagte argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner in ihrer Rede, in der sie den 177-jährigen Disput um die Inseln im Südatlantik schilderte. Nun gehe es um einen für das 21. Jahrhundert typischen Ressourcenkonflikt, so Kirchner. Ihr nüchternes Fazit: "Die internationale Politik wird weiterhin einzig und allein von Machtverhältnissen bestimmt."
Der Fall Honduras scheint dies ebenfalls zu belegen. Schließlich war die Rolle der USA ausschlaggebend, dass 2009 das Konzept der Putschisten aufgehen konnte: Unter ihrer Regie fanden im November Wahlen statt. Das Beispiel Honduras dürfe nicht Schule machen, betonen die Brasilianer. Doch unter Barack Obama spielt Washington wieder eine offensivere Rolle auf dem Subkontinent. US-Truppen nutzten das Erdbeben in Haiti zu einer Machtdemonstration, auf 13 Stützpunkten in Kolumbien, Panama, Aruba und Curação bauen sie ihre Präsenz aus.
Evo Morales sieht darin einen Widerspruch zum Versprechen Obamas, der im April 2009 einen "Dialog auf Augenhöhe" in Aussicht gestellt hatte. Stattdessen gebe es weiterhin "Bevormundung, Kontrollen, Erpressung und Putschversuche", beklagte der bolivianische Präsident. Mit dem baldigen Amtsantritt von Sebastián Piñera in Chile werden die Integrationsbemühungen nicht einfacher. Der rechte Milliardär suchte schon in Cancún den Schulterschluss mit Peru und Kolumbien.
Formell werde die "lateinamerikanische und karibischen Gemeinschaft" in ein, zwei Jahren aus der Taufe gehoben, sagt der brasilianische Präsidentenberater Marco Aurélio Garcia voraus. Damit, so die weit verbreitete Hoffnung, würde die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in ihrer Bedeutung weiter geschwächt - und der Einfluss der USA zurückgedrängt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod