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Kommunalwahlen NiederlandeDie Hochburg der Rechten

Almere wächst am schnellsten in den Niederlanden, die Kriminalität ist niedrig. Dieser Stadt geht es gut. Dennoch werden die Rechtspopulisten vermutlich absahnen.

"30 Prozent für Wilders bedeutet, dass 70 Prozent eine andere Meinung haben", so Adriana Begeer, Mitglied im Stadtrat. Bild: ap

ALMERE taz | Die Stadt Almere bekommt in diesen Tagen viel Besuch von nationalen Spitzenpolitikern. Am Mittwoch finden Kommunalwahlen in den Niederlanden statt. Das besondere Interesse aber an der Stadt - der Minister für Wohnen und Integration, Eberhard van der Laan, von der sozialdemokratischen PvdA hat hier bereits mit Bürgern diskutiert - verdankt Almere dem Rechtspopulismus. Nur hier und in Den Haag kandidiert die 2006 gegründete Partei von Geert Wilders, die Partij voor de Vrijheid (PVV). Und Wilders ist bereits auf einer Versammlung der PVV mit seinem Thema Antiislamisierung und mehr Sicherheit aufgetreten.

An diesem Tag greift Femke Halsema, Vorsitzende von GroenLinks im Haager Parlament, in der Fußgängerzone zum Mikrofon. "Für keinen einzigen Jugendlichen verbessern sich die Chancen durch den Einsatz von ,Stadscommando's'" sagt sie. Ein "Stadscommando" ist ein Art Hilfspolizei, die die PVV einführen will. Halsema wendet sich gegen die Ausgrenzung von Menschen: "Die Stadt muss zeigen, dass sie ihre Migranten wertschätzt."

Vor einem halben Jahrhundert noch schwappte das Wasser der Zuiderzee, wo jetzt die Parteien Wahlkampf betreiben. 1976 zogen die ersten Bewohner aus der Regio Amsterdam ins neu gewonnene Land. Gut 190.00 Einwohner hat Almere, 350.000 sollen es werden bis 2030. Es ist die am schnellsten wachsende Stadt der Niederlande. Das Areal mit der hypermodernen Architektur, wo GroenLinks und die vielen anderen Parteien ihre mobilen Infostände betreiben, ist an diesem Tag belebt. Es wimmelt von Wahlkämpfern.

Kommunalwahlen

Die Christdemokraten von Ministerpräsident Balkenende (CDA) erreichten 2006 16,9 % (-3,4 Prozentpunkte). Die Partei wurde zum ersten Mal nur noch zweitstärkste Kraft auf kommunaler Ebene. Die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) erreichte 13,8% (-1,5), der kleinere Koalitionspartner D66 insgesamt 2,6% (-1,2). Hingegen konnte sich die sozialdemokratische Partei der Arbeit (PvdA) mit 23,4 % gegenüber den letzten Wahlen im Jahr 2002 um 7,6 Prozentpunkte steigern. Die kleine, weit links angesiedelte Sozialistische Partei (SP) verdoppelte ihren Stimmenanteil auf 5,7 %. Der Anteil von GroenLinks blieb bei 5,9 %. Die Wahlbeteiligung betrug 58 Prozent.

Auch Adriana Begeer, 30, Mitglied im Stadtrat für die PvdA, ist im Einsatz. "Das Allerwichtigste ist, dass die Menschen zur Wahl gehen", betont sie. Bei der letzten Europawahl, bei der die PVV in Almere mit 27 Prozent der abgegebenen Stimmen hervorragend abschneiden konnte, beteiligten sich lediglich 30 Prozent der Wahlberechtigten. Nach jüngsten Meinungsumfragen kann die Wilders-Partei in Almere mit 30 Prozent rechnen und zöge somit als größte Partei in den Stadtrat ein.

"30 Prozent für Wilders bedeutet, dass 70 Prozent eine andere Meinung haben", so Adriana Begeer. "Wir müssen Zivilcourage zeigen und sagen, dass wir eine Gesellschaft wollen, die allen Menschen Grundrechte gewährt." Wilders und der PVV-Fraktionsführer in Almere wollen ein Kopftuchverbot und "Stadscommando's". "Es ist wichtig, darauf eine Antwort zu geben", etwas dagegenzuhalten.

"Stadscommando's" - was bezwecken die Rechten damit? Der Kandidat Nummer 2 auf der PVV-Liste, Toon van Dijk, will Personen mit "weitreichenden Befugnissen ausstatten, um einen Konflikt auf der Straße zu lösen, in dem Moment, wenn es gefährlich wird", sagt er. Und mit welchen Befugnissen konkret sollen dies Personen ausgestattet werden? "Die müssen noch genauer beschrieben werden. Das ist in diesem Moment kein vollständig ausgearbeiteter Plan", sagt van Dijk und ergänzt: "Wir denken daran, dass es Menschen sind, die in jedem Fall ein gute Ausbildung haben, um in Konfliktsituationen ohne Gewalt auftreten zu können. Und falls nötig, auch Gewalt anwenden können in der Weise, das die Situation gelöst wird."

"Sicheres Almere", lautet ein Punkt auf dem Wahlkampfflyer der Rechtspopulisten. "Neue Stadscommando's für extra Sicherheit", heißt es da. Hinter verschlossenen Türen auf der Parteiversammlung von Geert Wilders forderte dieser gegen "kriminelles Gesindel" vorzugehen, vielfach seien dies "marokkanische und antillianische Straßenterroristen".

Die Rede steht auf seiner Webseite. Ganz oben ist zu lesen: "Weniger Islam. Keine weiteren Moscheen und islamistischen Schulen und keine Kopftücher in öffentlichen Institutionen." Die beiden Topthemen der PVV. Almere hat im Vergleich mit den Sicherheitsdaten anderer Städte deutlich weniger Kriminalität. 2008 gab es eine Reihe von bewaffneten Überfällen auf Supermärkte und Läden. Polizei und Justiz haben erfolgreich darauf reagieren können.

"Relativ gesehen ist dies eine sichere Stadt", sagt Toon van Dijk. "Aber das wollen wir auch gerne so behalten."

Menschen aus 140 Ländern leben in Almere. Aber die Zahl der autochtonen Niederländer ist deutlich höher als in anderen großen Städten. Warum findet die PVV ausgerechnet hier dieses Wählerpotential? Ruud Pet, Spitzenkandidat von GroenLinksAlmere sagt: "Das gründet sich auf Angst. Es gibt wenig Viertel mit Problemen. Es gibt auch wenige Gruppen, die Probleme verursachen. Die älteren weißen Männer, die vor 15 oder 20 Jahren in diese Stadt gekommen sind, stammen aus Problemviertel in Amsterdam. Sie haben in der Vergangenheit schon rechts gestimmt. Und sie haben Angst, dass sie zurückgeworfen werden in ein Viertel, in dem sie nicht mehr wohnen wollten."

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16 Kommentare

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  • AD
    Andreas Dmytrowicz

    Mein Kommentar vom 05.03.2010 0:22Uhr erschien nicht:

    Text war: " Die Stimmung (nicht nur) in Deutschland ist eine ähnliche. Die Menschen haben die Nase gestrichen voll von einem Staat, dessen Verfassungsgrundsätze - lediglich als bloßes Druckwerk - existieren, der vielmehr die - Beseitigung - jedweder rechtlichen, staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung dokumentiert! .. (usw.)

     

    Ich bin auch nicht über E - Mail benachrichtigt worden. Zensur? Ich wäre recht erschrocken wenn nun auch die taz davon Gebrauch machte, zumal ich sachlich schrieb, mich nicht vergriff o.a.!

  • M
    Moritz

    "von @Unbequemer:

    Was willst du eigentlich sagen??Was ist wie in Deutschland?Ich verstehe deinen Beitrag nicht. Hier in den Niederlanden ist einiges anders als in Deutschland"

     

    Ich finde meinen Kommentar recht gut verständlich? Am besten Sie lesen ihn nochmals. Ja ich weiß, dass es in den Niederlanden anders ist als in Deutschland. Die Niederländer haben ihre Beteiligung am Holocaust nie öffentlich dargestellt. Stattdessen wurde die Verantwortung einzig auf die Deutschen geschoben. Daher kamen ja auch die vielen Vorurteile der Holländer gegenüber den Deutschen. Klar, dass auf diesem Nährboden, ein moderner Rassist wie Geert Wilders große Erfolge hat.

  • V
    vic

    @ Jan

    Ich wohne in einem schwäbischen Ghetto, und aus diesem Grund wähle die Linke.

  • U
    @Unbequemer

    Was willst du eigentlich sagen??Was ist wie in Deutschland?Ich verstehe deinen Beitrag nicht. Hier in den Niederlanden ist einiges anders als in Deutschland

  • M
    Moritz

    "von Janina:

    In meiner Heimatstadt Köln werden die Strassen von den türkisch/arabische Jugendgangs beherrscht, die Polizei ist machtlos, ich würde mir hier so ein "Stadscommando's" sehr wünschen.

     

    Es kann doch nicht wirklich sein, dass man ständig angemacht und angepöbelt wird, nur, weil man ein Deutscher ist."

     

    Komisch, ich bin auch häufig in Köln und habe keine Probleme mit arabischen Jugendgangs. Fahren Sie mal nach Sachsen Anhalt, da können Sie Bekanntschaft mit kurzgeschorenen, deutschen Jugendgangs machen. Die Erfahrung würde Ihnen sicherlich dabei helfen sich etwas differenzierteres Bild zu machen.

  • M
    Moritz

    Ist schon klar, dass Geert Wilders in dieser „Kunststadt“ einen hohen Stimmenanteil bekommt. Hier wird noch der Traum von der heilen Welt gelebt, da dürfen die Ausländer und besonders die Moslems nicht stören. Wilders mit seinen blondierten Haaren und seinem arischen Look, wird als der starke Führer angesehen der die guten, einheimischen Niederländer vor den bösen und dreckigen Fremden beschützen soll. Die Schwarz-Weiß-Schablonen der PVV haben mit der Realität nichts gemein. Wer aber den Traum von einer heilen Welt lebt, der möchte keine realen Aussagen, der Sucht nach einfachen Lösungen und harten Konsequenzen.

  • K
    kiffi

    taz sagt:

     

    Die Meinungsfreiheit, auch Redefreiheit, ist das gewährleistete subjektive Recht auf freie Rede sowie freie Äußerung und (öffentliche) Verbreitung einer Meinung in Wort, Schrift und Bild sowie allen weiteren verfügbaren Übertragungsmitteln.

     

    Wir sind mit dem was Du schreibst nicht immer einverstanden, aber wir werden Dein Recht Deine freie Meinung zu äussern mit unserem Leben verteidigen

  • J
    Jan

    Wer nicht später in einem türkisch/marrokanischen Ghetto wohnen möchte, der sollte besser die PVV wählen.

  • U
    Unbequemer

    "30 Prozent für Wilders bedeutet, dass 70 Prozent eine andere Meinung haben", so Adriana Begeer. "Wir müssen Zivilcourage zeigen und sagen, dass wir eine Gesellschaft wollen, die allen Menschen Grundrechte gewährt."

     

    Frau Begeer ist ein typisches Beispiel von linken Gutmenschentum. Sie redet davon, daß alle Menschen Grundrechte gewährt werden sollen. Sie tut so, als ob in den Niederlanden bestimmte Menschen diese nicht hätten. Typisch Gutmensch - an dem Problem vorbeireden.

     

    Frau Begeer sollte sich mal fragen, warum Herr Wilders Erfolg hat. Und sie sollte sich mal fragen, ob der ganz normale, gewaltlose Niederländer im Jahr 2010 Probleme hat, die es vor 30 Jahren nicht gab, und von wem diese Probleme verursacht werden. Und nicht immer "die Gesellschaft" als Schuldigen anführen.

     

    Es ist doch wie in Deutschland: Wieviele eingetretene Köpfe gab es früher, wieviele Messerstechereinen gab es früher, welche Ethnie ist wie häufig daran beteiligt. Nicht immer alles "gleich machen" und vorhandene Unterschiede vertuschen.

  • L
    Ludwig

    Es ist einfach skandalös, dass man Parteien wie PVV wählen MUSS, wenn man auf die ausufernde Gewalt der moslemischen Jugendlichen hinweisen möchte.

  • KE
    Karl Eduard

    Demokratie ist schon ziemlich schlimm. Oft wählen Leute Leute, die nicht den Segen von Zeitungen haben. Schlimm, wie gesagt.

  • J
    Janina

    In meiner Heimatstadt Köln werden die Strassen von den türkisch/arabische Jugendgangs beherrscht, die Polizei ist machtlos, ich würde mir hier so ein "Stadscommando's" sehr wünschen.

     

    Es kann doch nicht wirklich sein, dass man ständig angemacht und angepöbelt wird, nur, weil man ein Deutscher ist.

  • V
    Vici

    Und so lösen sich die Argumente der Linkspopulisten in der Luft auf, wonach die sozialen Probleme die Ursache für die Wahl der "Rechtspopulisten" ist.

  • MR
    Magi Reli

    Warum ist die Kriminalitätsrate in Almere so niedrig? Ja, genau, der Anteil der moslemischen Migranten an der Bevölkerung ist sehr klein.

  • A
    atypixx

    "30 Prozent für Wilders bedeutet, dass 70 Prozent eine andere Meinung haben", so Adriana Begeer, Mitglied im Stadtrat.

     

    --> Wobei das Volk sich ja sehr gerne eine Meinung BILDet. Bei uns in Deutschland hat das zur Wespenkoalition geführt. Insofern ist die Aussagekraft der Bildunterschrift doch recht fraglich...

  • M
    milla

    wenn man schon mit wörtern wie "autochthon" aufwartet, könnte man sie wenigstens richtig schreiben...