Sunnitischer Großscheich gestorben: Zwischen Religion, Staat und Internet
Mohammed Al-Tantawi, Leiter der Al-Azhar Universität, ist tot. Der Ägypter galt als beständige Stimme des moderaten Islam - aber auch als treuer Diener des Staats Ägypten.
Es gibt im Islam keine Institution wie einen Papst oder Patriarchen. Aber der Großscheich der Al-Azhar Universität, Muhammad Al-Tantawi, war jemand, der im religiösen Establishment der Muslime ganz oben stand. Für manche gilt die islamische Universität, der er in Kairo vorstand, gar als die wichtigste Rechtsautorität im sunnitischen Islam.
Am Mittwoch brach Scheich Tantawi bei einem Besuch in Saudi Arabien am Flughafen Riad zusammen und verstarb kurz darauf in einem Militärkrankenhaus in der saudischen Hauptstadt. Er soll nun in Medina, der Grabstätte des Propheten Mohammed, beerdigt werden.
Der 82jährige Ägypter galt als eine der beständigsten Stimmen des moderaten Islam. Das letzte Mal hatte er radikale Muslime Ende vergangenen Jahres gegen sich aufgebracht, als er Musliminnen untersagte, in den Bildungsinstitutionen der Al-Azhar einen Gesichtsschleier zu tragen. Zuvor hatte er während der Schleierdebatte in Frankreich verkündet, dass Muslime in Frankreich den dortigen Gesetzen Folge leisten müssten. Er verurteilte Genitalverstümmelung und gab seinen Segen, dass Frauen auch das Richteramt ausüben können.
Andererseits wandte er sich aber gegen Frauen als Gebetvorsteherinnen. Ein Gebet vor einem weiblichen Imam sei nicht gültig, urteilte er.
Die erste aufseheneregende Fatwa als "Al-Azhar-Scheich" - ein Amt, das er seit 1996 innen hatte - fällte er, als er Selbstmordattentate verurteilte. Die Täter seien keine "Märtyrer" sondern "verwerfliche Selbstmörder", erklärte er. Später hat er allerdings den "irakischen Widerstand gegen eine Besatzung" für rechtens erklärt, solange die Operationen nicht gegen andere Iraker gerichtet seien.
Der Geistliche, der 1928 in der oberägyptischen Provinz Sohag geboren wurde, hatte vor seiner Ernennung zum Großscheich der Al-Azhar zehn Jahr lang das Amt des ägyptischen Muftis inne. Auch in dieser Funktion fiel er bereits wegen seiner liberalen Ansichten auf, als er eine Fatwa erließ, die Zinsen in einem modernen Bankwesen als halal, also islamisch korrekt, auswiesen, solange sie der Entwicklung des Landes dienen. Damit entfachte er eine kontroverse Debatte in der gesamten islamischen Welt, da viele islamische Rechtsgelehrte das Wucherverbot im Koran als ein absolutes Zinsverbot ansehen.
Tantawi musste sich aber immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, ein ägyptischer Regierungsbeamter zu sein, der im Namen des Regimes spricht. Interviews in seinem Büro gab er oft unter dem großen Porträt von Präsidenten Hosni Mubarak, der Tantawi auch ernannt hatte. So haftete Tantawi stets der Ruf an, als eine Art "islamischer Regierungssprecher" zu fungieren.
Ausgehöhlt wurde seine Autorität auch aus anderer Richtung. In seiner 14jährigen Amtszeit erlebte Tantawi, dass die Rechtsautorität der Al-Azhar immer mehr Konkurrenz bekam. Denn den vergangenen Jahren kam es zu einer regelrechten Fatwa-Inflation, bei der jeder kleine Provinzscheich seine Rechtsgutachten über das Internet verbreitete. Außerdem zeigen in den arabischen Fernsehsatellitenstationen andere Prediger eine stärkere Medienpräsenz als die Vorsteher der altehrwürdigen Al-Azhar-Universität, die vor tausend Jahren gegründet wurde.
Tanatawi selbst äußerte sich zu diesem Phänomen diplomatisch: Es käme darauf ab, ob diese Scheichs auf ignorante oder akzeptable Weise zu ihren Fatwas kämen. "Wenn die Fatwa in unseren Augen nicht rechtens ist, dann werden wir das erklären und es korrigieren," stellte er klar.
Leser*innenkommentare
mehrdad
Gast
komisch, dass die TAZ über diesen islamischen "gelehrten" nur das wiedergibt, was in ihrem "islam ist frieden" konzept passt...
der typ hat zwar den terror als unislamisch bezeichnet, aber im selben prädigt etwas gesagt, was seine vorherige aussage wertlos macht:
"In derselben Erklärung bezeichnete er aber alle, die den Staat Israel unterstützen, als „legitime Ziele“."
weiterhin hat dieser "liberaler muslim" folgende interessante dinge gesagt:
"In seiner 1968/69 veröffentlichten Doktorarbeit Das Volk Israels im Koran und in der Sunna, die als Standardwerk unter Arabern gilt, schrieb er, dass das Verzehren von nicht-jüdischem Blut ein religiöser Ritus der Juden sei."
"Im Gegensatz zu früheren Äußerungen, die die palästinensischen Selbstmordattentate nicht als Märtyrertum anerkannten, erklärte Tantawi 2002, diese seien als Verteidigungsmanöver legitim und müssten intensiviert werden."
http://de.wikipedia.org/wiki/Muhammad_Sayyid_Tantawi
wenn das ein liberaler ist, dann steht es schlecht um den islam.
bitte veröffentlichen! zu so eine person gehört die GANZE wahrheit.
Red Star
Gast
Sache der Linken ist es den Pfaffen in den Arsch zu treten und nicht hinein zu kriechen. Gilt für jede Art der Volksverblödung. Die ganze Anbiederung ist ja widerlich.
taz Leser
Gast
Es gibt keinen moderaten Islam, genausowenig wie es einen moderaten National-Sozialismus gibt. Fragt Erdogan.
Eser
Gast
@ Sven: Man kanns auch niemandem Recht machen.
Christina
Gast
@ Sven
lass deine Wut woanders aus. schau dir die probleme deines landes an bevor du dir einen Sündenbock suchst!
sven
Gast
Furchtbar diese Islam-Verherrlichung hier, sehr verdächtig !