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Studentenproteste in MarokkoSchwerter, Steine und Herzrasen

Studentendemos in Deutschland? Eher lahm im Vergleich zu dem, was an Marokkos Unis in den Neunzigern passierte. Ein Erlebnisbericht.

Gehörte in Marokko zum Protest dazu. Bild: dpa

Die rund 300 Kölner Studentinnen und Studenten waren gut frisiert, gut gekleidet und gut gelaunt. Sie bildeten den ersten Protestzug, den ich in Deutschland erlebt habe und der sich gemächlich, ja leidenschaftslos voranwälzte. An der Spitze brüllte ein Student in sein Megafon Parolen, die manche der Protestierenden hinter ihm wiederholten.

Viele beschränkten die Teilnahme aufs Mitlaufen und unterhielten sich dabei mit ihren Freunden. Und wenn der Zug gerade nicht weitergehen wollte oder konnte, dann schrie der mit dem Megafon: "Hinsetzen, hinsetzen!", und plötzlich saßen alle auf dem Boden.

Dass sich dies in einem Protestzug ereignen würde, hätte ich nie gedacht. Das Wort "Spaß", das ich nur wenige Tage vor diesem Protest im Deutschkurs gelernt hatte, wurde für mich konkret. Steinewerfen, Knüppelschläge und Herzrasen – das sind meine Erinnerungen an Proteste, denn so habe ich es während meines Studiums in Marokko erlebt.

Bild: taz

Die Vollversion der Geschichte lesen Sie in der aktuellen sonntaz - am 24./25.April gemeinsam mit der taz am Kiosk erhältlich.

Auch den Raum "Universität" habe ich in Marokko anders wahrgenommen. Er war der einzige Ort, an dem das Volk und nicht der Staat den Verhaltenskodex vorschrieb und wo folglich ganz andere Regeln als im Rest der Gesellschaft herrschten. Es wurde nicht nur von der Revolution gesprochen. Sie wurde gelebt. Es wurde dafür gekämpft.

An diesem Kampf war ich beteiligt. Das Studium an sich war nur Nebensache. Gelernt habe ich immer maximal drei Wochen vor den Klausuren. Andere haben nie ein Lehrbuch angerührt. Vom Beruf waren wir „Studentische Aktivisten“ und die Uni war unsere Festung, in die der Staat nicht einbrechen konnte, ohne blutige Auseinandersetzungen zu riskieren.

Doch die Proteste sollten nur innerhalb der Mauer bleiben. Es war wie ein unausgesprochener Kompromiss zwischen Staat und studentischer Bewegung. Die paar Male, wo Studenten in den Städten demonstrierten, wurde scharf geschossen.

Auf dem Campus kam es oft zu Konfrontationen mit der Polizei. Meist wenn sie einen von uns festnehmen oder wenn sie in den Campus eindringen wollten. In diesem Fall wurde nicht diskutiert, stattdessen gingen die Scheiben der Streifenwagen zu Bruch. Doch verglichen mit den Schlachten mit der Staatsgewalt, die meist damit endeten, dass sich die Polizei an die Grenzen des Campus zurückzog, waren die Schlachten mit den Islamisten weit gefährlicher und gewalttätiger.

Mindestens zweimal im Jahr überfielen sie den Campus. Kaum Studenten. Handwerker, Arbeitslose oder andere Söldner waren unter ihnen – mit Schwertern und Macheten bewaffnet. Hatten wir es geschafft, die Islamisten bis an die Campusgrenze zu vertreiben, wo die Polizisten standen, dann bekamen wir es mit denen zu tun.

Nach einigen Jahren Aufenthalt in Deutschland bin auch ich bei einem studentischen Protest mitmarschiert. Gegen die Studiengebühren. Ich habe die Parolen aus dem Megafon gehört und sie, so laut ich gerade wollte, wiederholt. Ich habe mich hingesetzt, als alle sich hingesetzt haben.

Als der Protest zu Ende war, bin ich allein nach Hause gegangen. Ich verspürte zu keinem Zeitpunkt das Angstgefühl, das mich während meiner Studienzeit in Marokko begleitet hatte. Denn im Gegensatz zu dort herrschen hier für alle dieselben Regeln. Es herrscht Demokratie.

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taz-Autor Khalid El Khaoutit beschreibt in der sonntaz seine Erinnerungen an die gewaltsamen Studentenproteste in Marokko.

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