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IntegrationPolizei wird Multikulti

Niedersachsen will den Migrantenanteil im öffentlichen Dienst steigern. Das hat Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) am Mittwoch erklärt. Konkrete Fördermaßnahmen gibt bisher aber nur bei der Polizei.

Ausgerechnet Schünemann: Seit 2007 gibt es in seinem Ministerium eine Projektgruppe, die daran arbeitet, Menschen mit Migrationshintergrund in den Polizeidienst zu holen. Bild: Ministerium

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hat nichts gegen Migranten im Staatsdienst. "Wenn wir zukünftig mehr Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund hier in Niedersachsen haben, werden wir diese auch für den öffentlichen Dienst gewinnen müssen", sagte er am Mittwoch in seiner Regierungserklärung. Auf das Land als Arbeitgeber komme eine Integrationsaufgabe zu, "der wir uns gerne stellen".

Wie genau Niedersachsen dieses Ziel erreichen will, sagte Wulff nicht. "Die Landesregierung redet davon seit etwa zwei Jahren", sagt die grüne Landtagsabgeordnete Filiz Polat. "Nur die Taten bleiben auf der Strecke." Die schwarz-gelbe Koalition hat im vergangenen Jahr einen Vorschlag der Grünen abgelehnt, eine Kampagne nach Hamburger Vorbild zu starten. "Der Landesregierung war das zu konkret", vermutet Polat.

Seit 2006 läuft in Hamburg die Aktion "Wir sind Hamburg - bist du dabei?", mit der "junge Menschen aus anderen Kulturkreisen" für die Hamburger Verwaltung angeworben werden. Seitdem hat sich in den Ämtern, im Strafvollzug und bei der Polizei der Anteil der Auszubildenden mit Migrationshintergrund stetig erhöht: von 5,2 Prozent im Jahr 2006 auf 10,9 Prozent 2007 bis hin zu 14,7 Prozent 2009. "Der Zielwert ist 20 Prozent", sagt der Leiter des Personalamtes, Volker Bonorden. Da in Hamburg die Auszubildenden faktisch übernommen würden, werde sich der Effekt bei den Angestellten fortsetzen.

Exklusion in Zahlen

Nur sieben Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund schaffen das niedersächsische Abitur. Vier Bundesländer schneiden noch schlechter ab.

Beim schulischen Scheitern hingegen liegt das Land weit vorn: Eines von vier Migrantenkindern schafft nicht einmal den Hauptschulabschluss. Nur drei Länder haben noch weniger Absolventen. Von den Schülern ohne Migrationshintergrund hingegen schließen 90 Prozent die Schule ab.

Gegen unerwünschte Ausländer zeigt man sich entschlossener: 7.800 Abschiebungen vermeldete die Bundesregierung für 2008. Nach Angaben des Innenministeriums vollstreckt davon Niedersachsen "rund 2.000 jährlich".

In Niedersachsen beschränkt sich die Politik bislang auf Absichtserklärungen. So erklärte Innenminister Uwe Schünemann (CDU), bisher für Integration zuständig, auf eine Anfrage der Grünen im vergangenen Jahr, dass Niedersachsen die "Charta der Vielfalt" unterzeichnet habe. Es handele sich dabei um "ein grundlegendes Bekenntnis von Unternehmen zu Fairness und Wertschätzung im Umgang mit ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern". Durch die Unterzeichnung habe sich Niedersachsen verpflichtet, "ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von Vorurteilen und Ausgrenzung ist".

Ausgerechnet Schünemann, der als Innenminister seit Jahren für eine konsequente Abschiebepolitik eintritt, hat in seinem Zuständigkeitsbereich jedoch etwas bewegt. Seit 2007 gibt es in seinem Ministerium eine "Projektgruppe", die daran arbeitet, "junge Menschen in den Polizeidienst zu holen".

"Für eine erfolgreiche Polizeiarbeit brauchen wir Beamtinnen und Beamte, die die Kulturen, Denk- und Lebensweisen der hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund kennen", sagte Schünemann bei der Vorstellung des Projekts.

So wurde 2009 ein Werbespot geschaltet, der "für einige Monate viermal pro Stunde in 15 Filialen einer Schnellrestaurant-Kette ausgestrahlt wurde", wie es aus dem Innenministerium heißt: "Es ging um eine junge Frau mit erkennbar türkischem Hintergrund, die sich für den Polizeiberuf entschieden hat."

Nachdem Nachforschungen der Grünen zunächst ergeben hatten, dass die Zahl der migrantischen Bewerber bei der niedersächsischen Polizeiakademie in Hann. Münden trotz der Kampagne stagnierte, kann das Innenministerium nun erste Erfolge aufweisen. Im vergangenen Jahr seien im Polizeivollzugsdienst 62 "Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund" eingestellt worden, bei 700 Neueinstellungen insgesamt macht das eine Quote von neun Prozent - eine extreme Steigerung, wenn man bedenkt, dass derzeit nur 400 der 20.000 niedersächsischen Polizisten Migrantenkinder sind.

Trotz dieses Erfolgs wird Schünemann im umgebildeten Kabinett Wulff jedoch nicht mehr für Integration zuständig sein. Diese Aufgabe, auch das teilte der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung mit, fällt nun der neuen Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) zu.

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5 Kommentare

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  • H
    Hatem

    Hier wird mal wieder um den heißen Brei rumgeredet.

     

    Ist doch kein Geheimnis, dass es nicht um Migranten an sich, sondern um muslimische Migranten geht. Warum? Einfach mal in die Kriminalstatistik schauen.

    In Berlin z.B. sind bei den Intensivtätern 27 % türkischstämmig und 44 % arabischstänmmig.

     

    Von Polizisten mit muslimischem Hintergrund erhofft sich die Polizeiführung mehr Akzeptanz. In deutschen Großstädten kann die Polizei in Brennpunktkiezen ja keinen Taschendieb festnehmen, ohne dass es zu einem aggressiven Menschenauflauf und z.T. zu versuchter Gefangenenbefreiung kommt.

     

    Das ist alles nicht neu. Also muss man nicht so schamhaft darüber schweigen.

  • I
    Ichschmeissmichweg

    Migranten dürfen nur zur Polizei, wenn sie bereit sind, ihr Kreuz zu tragen. Harharhar... kleiner Kalauer... sorry... grins...

  • S
    Sebastian

    Eigentlich taktisch klug, so kann man die Linksextremen noch wegen Rassismus anklagen wenn sie mal wieder Polizisten anzünden. Anders herum auch ganz gut, wenn mal eine Hand von einem Polizisten ausrutscht kann man den ja nicht verurteilen, die schlechte Kindheit, die Religion, die Kultur...da wird sich schon was finden was das rechtfertigt.

  • TL
    taz Leser

    In Wahrheit steckt etwas ganz anderes dahinter: Moslems akzeptieren keine "Ungläubigen" als Autoritäten und daher werden Moslems als Polizisten eingesetzt. Die unsägliche Neu-Ministerin Ökzan hat es ja unverblümt ausgesprochen, als sie forderte, deutsche Richter durch Moslems auszutauschen, weil Moslems deutsche Richter als "fremde Autorität" betrachten.

  • A
    Alberta

    Entspricht eine Migrantenquote wirklich dem GG? Und was zählt überhaupt als Migrant? Englische Mutter, griechischer Großvater, oder muß man "reinrassig" ausländisch sein? Provokativ gefragt: Sollte das Rassedenken nicht gerade in der Bundesrepublik überwunden sein? Nun ist es wieder da, nur mit umgekehrtem Vorzeichen.