1. Mai-Krawalle: Ritualisierte Randale

Im Hamburger Schanzenviertel ist es in diesem Jahr gleich an zwei Abenden zu Scharmützeln zwischen Randalieren und der Polizei gekommen. Einsatzkräfte setzen Wasserwerfer und Hundestaffeln ein.

Schanzenkrawall wie eh und je: Hier das "Entglasen" der Deutschen Bank. : dpa

Im Hamburger Schanzenviertel ist es am Abend des 1. Mai zu Krawallen gekommen - zum zweiten Mal binnen 24 Stunden. Bis zum frühen Morgen lieferte sich ein erlebnisorientiertes Publikum mit der Polizei Scharmützel, bei denen Flaschen und Steine flogen und Barrikaden brannten. 21 mutmaßliche Randalierer wurden fest- und acht in Gewahrsam genommen. Auf beiden Seiten gab es Verletzte.

Der Staatsschutz hatte eigentlich einen ruhigen 1. Mai in der "Schanze" prognostiziert, man war davon ausgegangen, dass die Linksautonomen nach Berlin und Rostock reisen würden. Und Verfassungsschutz-Chef Heino Vahldieck setzte einen Tag vor dem 1. Mai noch einen drauf. "Wir haben keine Anhaltspunkte für Gewaltexzesse."

Doch gegen 21.30 Uhr - der Regen ist abgezogen - legen 200 Jugendliche aus dem Umfeld stadtweit vernetzter Jugend-Cliquen vor der Amüsiermeile "Piazza" los, schießen Leuchtraketen und Feuerwerkskörper ab. Ein Autos wird auf die Straße gezogen, wenig später von Passanten aus der Gefahrzone geschoben. Dann geht alles schnell: Binnen weniger Minuten werden - wie schon so oft - die Scheiben der Sparkassen-Filiale neben dem autonomen Stadtteilzentrum "Rote Flora" eingeschlagen, danach sind die gegenüberliegende Deutsche Bank und eine Filiale der Drogeriekette Rossmann dran. Die Polizei rückt mit Wasserwerfern an.

Der 1. Mai in Hamburg ist auch in traditioneller Form mit Märschen begangen worden.

Die DGB-Demonstration mit 3.000 Menschen zog vom DGB-Haus zum Museum der Arbeit. DGB-Landeschef Uwe Grund forderte, angesichts des Ruins ganzer Staaten Banken für ihre Machtgier zur Verantwortung zu ziehen.

Die Euro-Mayday-Parade mit 2.500 Teilnehmern wurde angeführt von einem Wagen mit Kindern: "Reiche Eltern für alle". Weitere Forderung: 1.500 Euro Grundeinkommen für alle.

Bei der revolutionären 1. Mai-Demo liefen 1.500 Menschen von Altona in die Schanze. Die Demo wurde mehrfach von der Polizei wegen Böllerwürfen angehalten.

Parallel kommt es am Sternschanzen-Bahnhof zur Konfrontation. Nach der Abschlusskundgebung der Revolutionären 1. Mai-Demo fliegen einzelne Böller und Flaschen auf die Polizei. Diese setzt Wasserwerfer ein. "Es hat sich hochgeschaukelt", sagt Polizeisprecher Ralf Meyer."

Auf der Piazza kennt die Polizei kein Pardon. Mit Wasserwerfern werden die Menschen in die Seitenstraßen getrieben. Immer wieder die Durchsage: "Entfernen Sie sich, Sie werden von den Störenfrieden als Schutzschild missbraucht, sonst werden auch Sie Adresse polizeilicher Maßnahmen." Wenig später wird der so genannte "Ballermann-Boulevard" von starken Einheiten geräumt. Schutzsuchende Personen werden aus Kneipen- und Hauseingängen gezerrt, mit Schlagstöcken weggedrängt und brutal auf Tische und Bänke gestoßen. Die Krawalle weiten sich bis in die Stadtteile St. Pauli und Eimsbüttel aus, Autos werden umgekippt oder demoliert.

Die von der Polizei eingesetzten 1.200 Beamtinnen haben Probleme, die Situation in den Griff zu bekommen, Festnahmeeinheiten werden zur Verstärkung mit Hubschraubern aus Berlin eingeflogen. Während sich gegen 24 Uhr die Lage zu beruhigen scheint, kommt es wenig später immer wieder zu Scharmützeln. Die Szenerie ist beinahe grotesk. Wasserwerfer und Polizisten preschen vor, ziehen sich dann im Schneckentempo rückwärts wieder zurück, um Augenblicke später erneut vorzupreschen. Und das wiederholt sich sechs Mal. Erst um drei Uhr nachts kehrt Ruhe ein.

Schon am Freitagabend ist es auf der Straße zwischen Flora und Piazza zu Ausschreitungen gekommen, als 80 meist Jugendliche brennende Barrikaden errichten. Mehrere hundert "Gaffer", so Polizeisprecher Meyer, verfolgen das Treiben, bei jedem Böller gibt es Gejohle. Die Polizei ist offenbar vom Krawall kalt erwischt worden. Es dauert, bis eine Alarmhundertschaft Position bezieht. Ein Wasserwerfer ist nicht vor Ort, aber eine Hundestaffel ist alarmiert worden - aufgrund der Glasscherben sind die Hunde aber kaum nützlich. Die Polizei muss mit ansehen, wie die Hamburger Sparkasse zum ersten Mal an diesem 1. Mai komplett von Vermummten entglast wird. Erst nach einer Stunde bekommen die Einsatzkräfte die Lage unter Kontrolle. Neun Personen werden festgenommen.

Gegen sieben Personen wird tags darauf bis über den 1. Mai hinaus beim Haftrichter Gefängnis in Form von "Unterbindungsgewahrsam" beantragt. Nur in einem Fall gibt der Richter dem Antrag statt. Die SPD-Fraktion will in einer Senatsanfrage nun herausbekommen, ob Innensenator Christoph Ahlhaus und die Polizeiführung die Walpurgisnacht "verschlafen" haben. Ahlhaus verurteilt die Krawalle. "Die zügellosen Gewaltsausbrüche" seien "nicht hinnehmbar".

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