piwik no script img

Ciftlik-VerfahrenDas nächste Scheinehe-Opfer

Der SPD-Bürgerschaftler Metin Hakverdi lässt Mandat ruhen. Bülent Ciftlik und seine Ex-Affäre Nicole D. präsentieren vor Gericht unterschiedliche Wahrheiten.

Darsteller in der Scheinehe-Soap: Bülent Ciftlik. Bild: dpa

Der SPD-Bürgerschafts-Abgeordnete Metin Hakverdi lässt sein Mandat ab sofort ruhen. Das teilte die SPD am Sonntag mit. Hakverdi zieht damit die Konsequenz aus einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen seine Person. Die Ermittler werfen dem Anwalt vor, Beihilfe zum Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz geleistet zu haben, indem er Nicole D. und Kenan T. bei der Ausgestaltung eines Ehevertrags beraten habe.

Nicole D. hatte am Freitag vor dem Amtsgericht St. Georg eingestanden, mit Kenan T. eine Scheinehe geführt zu haben, die der SPD-Politiker Bülent Ciftlik vermittelt haben soll. Zeitgleich zu der Verhandlung beschlagnahmte die mit einem Durchsungsbeschluss ausgestattete Staatsanwaltschaft am Freitag Unterlagen in Hakverdis Kanzlei. Da Hakverdi die Akten freiwillig herausgab, musste der Beschluss nicht vollstreckt werden. SPD-Chef Olaf Scholz und Fraktionschef Michael Neumann betonten am Sonntag, Hakverdis "Aussage, dass er zu keiner Scheinehe beraten habe, müsse sich als wahr erweisen, wenn er Abgeordneter bleiben will".

Am Freitag hatten sich im Scheinehe-Verfahren vor dem Amtsgericht St. Georg sowohl Nicole D. wie Bülent Ciftlik, dessen Bürgerschaftsmandat ebenfalls ruht, umfangreich zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft geäußert und dabei zwei Schilderungen zum Besten gegeben, wie sie unterschiedlicher nicht sein können: "Der Vorwurf der Scheinehe ist korrekt", beginnt die 33-jährige Angeklagte ihre Einlassung. Anschließend schilderte Nicole D., wie Ciftlik sie mit Kenan T. bekannt gemacht und gebeten habe, diesen zu heiraten, um ihm einen Aufenthaltstitel zu besorgen. Nach anfänglichem Zögern habe sie eingewilligt.

Dabei stellt sich die Angeklagte als willige Marionette des Strippenziehers Ciftlik dar, in den sie, auch drei, vier Jahre nach ihrer kurzen Affäre, noch immer verliebt gewesen sei. Ciftlik soll die Verhandlungen über den Scheinehe-Lohn von 7.000 Euro geführt und sie später genötigt haben, mit ihrem Ehemann zusammenzuziehen und zu verreisen, damit kein Verdacht aufkommt. Als sie zögerte, einen Meineid zu leisten, habe Ciftlik sie massiv unter Druck gesetzt. Er werde sein Netzwerk aktivieren, soll der Politiker gedroht haben, das dafür sorgen werde, dass sie nirgendwo mehr einen qualifizierten Job bekomme.

"Das bin nicht ich", beginnt Bülent Ciftlik seine Einlassung und bezieht sich dabei auf das von ihm gerade entworfenen Bild des kriminellen Strippenziehers, dessen Kontakte ausreichen würden, Nicole D. beruflich zu ruinieren. "Ich habe in keiner Weise zu Ehestiftung beigetragen, mir von dieser finanzielle Vorteile versprochen oder gar erhalten", lautet der Kernsatz seiner Ausführungen.

Detailliert beschreibt der Angeklagte, wie er von der Beziehung von Nicole D. und Kenan T. erfahren und ihr - als es zwischen beiden ernst geworden sei - von einer Heirat abgeraten habe, weil er gewusst habe, dass Kenan T. schon einmal eine Scheinehe eingegangen sei. Im Laufe der Zeit seien seine Bedenken aber geschwunden, da er den Eindruck gewonnen hatte, dass beide sich offensichtlich liebten.

Das Geständnis von Nicole D. Ende März 2010 hätte ihn deswegen "schockiert", auch deswegen, weil es "unendlich viele falsche Aussagen enthielte". Als Grund dafür mutmaßt Ciftlik, dass Nicole D. am 16. März erfahren habe, dass er, Ciftlik, sich verlobt habe. Daraufhin habe sie wutschnaubend ihre Wohnung verlassen, den Anwalt gewechselt und kurz darauf sich selbst und ihn massiv beschuldigt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • J
    Jürgen

    Die taz-Redaktion Hamburg muss schon ziemlich schmerzfrei sein, dass Herr Carini immer noch in Artikelform Ciftlik verteidigen darf.

  • A
    Anne

    Tja, ich würde es gar nicht als verliebt sondern verfallen bezeichnen. C. widerspricht sich, warum hätte sie wütend sein sollen über seine neue Freundin, wenn sie doch so glücklich mit ihrem Ehemann war?

    Da wär ja gar kein Grund.

     

    Die Arme ist wahrscheinlich nach Strich und Faden ausgenutzt worden, und da Liebe blind macht...