: Gas geben beim Fracking
Der Widerstand im Land wächst. Immer mehr Gemeinden verabschieden Resolutionen gegen die umweltgefährdende Technik zur Gasgewinnung. Der BUND Pfullendorf fordert in einem Brief an Umweltminister Untersteller ein Moratorium. Doch auch die Energielobby schläft nicht. Die umstrittene Fracking-Technologie hat das Zeug zum Wahlkampf-Aufreger
von Susanne Stiefel
Eigentlich könnte sich Anne Waibel freuen. Fracking ist inzwischen kein Fremdwort mehr, heute wissen nicht nur eine Handvoll Aktivisten, was mit dieser Methode zur Energiegewinnung gemeint ist: Gesteinsschichten werden durch horizontale Bohrungen aufgebrochen, die darin gebundenen Gasbläschen durch ein Gemisch aus Sand, Stützstoffen und hochgiftigen Chemikalien gelöst. Das wissen am Bodensee und darüber hinaus viele. Und ebenso viele kennen inzwischen die Gefahren, die damit verbunden sind. Für Luft, Wasser und für die Gesundheit von Mensch und Tier.
Eigentlich könnte sich die Aktivistin Waibel vom BUND Pfullendorf auf die Schulter klopfen. Allein im Januar dieses Jahres haben sich vier weitere Gemeinden in Oberschwaben gegen Fracking auf ihrer Gemarkung ausgesprochen: Aulendorf, Saulgau, Gottmadingen und Messkirch. Bis heute sind es zwölf Dörfer und Städte rund um den Bodensee, die sich dagegen wehren, dass Konzessionen auf ihrer Gemarkung vergeben werden, ohne dass sie gehört und über die Risiken dieser Technologie aufgeklärt werden. Dazu gehören auch Konstanz, Überlingen und natürlich Pfullendorf. Dies alles ist nicht zuletzt der Arbeit des umtriebigen BUND Pfullendorf zu verdanken, in dem auch Anne Waibel aktiv ist (s. Kontext:Wochenzeitung vom 8. September 2012).
Immer mehr Artikel und Fernsehsendungen setzen sich kritisch mit dem hydraulischen Aufbrechverfahren auseinander, zuletzt Arte mit dem Film „Gasfieber“, der verdeutlicht, welche Interessen hinter der Förderung stehen und wie unbeherrschbar das Verfahren ist. In Polen etwa verwandelten seismische Messungen den Brunnen der Bauern in Schlammlöcher – noch bevor überhaupt gebohrt wurde. Das Vieh konnte nicht mehr getränkt werden, das Grundwasser war verunreinigt. Vor dieser Gefahr haben BUND-Experten vom Bodensee schon lange gewarnt, in dessen Einzugsgebiet die Trinkwasserversorgung für vier Millionen Menschen liegt. Mit mehr Information wächst der Widerstand. „Es tut sich was“, sagt Anne Waibel.
Die Energielobby wittert ein Milliardengeschäft
Aber von Jubel sind sie und ihre Mitstreiter weit entfernt. Sie wissen, dass die Energielobby unermüdlich auf Politiker einwirkt und dabei durchaus erfolgreich ist. Da helfen die Resolutionen der betroffenen Gemeinden und ihrer kommunalen Vertreter wenig. Zwar hat sich der baden-württembergische Landtag im Sommer vergangenen Jahres gegen Fracking im Einzugsgebiet der Bodenseewasserversorgung ausgesprochen – parteiübergreifend. Doch zu einem Moratorium wie in anderen Ländern konnten sich die Abgeordneten nicht durchringen. Die Menschen am Bodensee sind besorgt. Sie kämpfen für ein Verbot. Doch auch die Energielobby gibt Gas.
Im Bundestag hat sich Anfang dieses Jahres eine schwarz-gelbe Initiative gegründet, die die Förderung von Schiefergas noch im Wahljahr forcieren will. Sie hat sich vor wenigen Tagen zu Wort gemeldet. Die Bundestagsabgeordneten fordern Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) dazu auf, möglichst noch im Februar einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, der die umstrittene Gasförderung bundesweit regeln soll.
Altmaier hat, wie schon bei der Präsentation eines kritischen Gutachtens vom Bundesumweltamt im Sommer vergangenen Jahres, klargemacht, dass er Fracking nur unter strengen Auflagen erlauben will. Im Deutschlandfunk sagte er Anfang der Woche, es gehe darum, die bisherige Gesetzeslage deutlich einzuschränken. Das dürfte Exxon und Investorengruppen wie 3Legs Resources, die in Deutschland ein Milliardengeschäft wittern, nicht gefallen. Der BBU sieht in Altmaiers Beschwichtigung nur einen rhetorischen Trick, die Pläne der Bundesregierung zu verschleiern. Fracking ist auf dem besten Weg, Streitthema im Bundestagswahlkampf zu werden.
Die Energiewirtschaft ist in Goldgräberstimmung. Sie setzt auf den Schatz im Schiefergestein. Über ganz Deutschland verteilt finden sich nach Berechnungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 2,3 Billionen Kubikmeter Gas, gebunden in Gesteinsschichten. Damit wäre der Gasbedarf Deutschlands für 13 Jahre gedeckt und das Land unabhängig von russischen Lieferungen. Und damit ließe sich vor allem Geld machen.
Für die Industrie ist die Sache klar: Die Förderung von Fracking-Gas müsse auch in Deutschland „ergebnisoffen“ geprüft werden, sagt der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Ulrich Grillo. Die unkonventionelle Gasförderung ist die große Hoffnung der Industrie. Vorbild sind die USA, die diese risikoreiche Methode in den vergangenen Jahren intensiv vorangetrieben und sich so 2009 erstmals unabhängig von russischen Erdgaslieferungen gemacht haben.
Bohrende Fragen zum Fracking
Doch die Folgen für die betroffenen Menschen und die Umwelt sind drastisch. Festgehalten sind diese verstörenden Bilder in dem Film „Gasland“, Bilder von zerstörten Landschaften und von Wiesen, die von Lagerstättenwasser verseucht sind. Kritiker befürchten, dass – ähnlich wie beim Atomstrom – nicht an die Endlagerung gedacht wird: Was passiert mit dem krebserregenden, giftigen Lagerwasser? Wo und wie soll es entsorgt werden? Und wer zahlt für eventuelle Schäden?
Wie die Energielobby arbeitet, haben viele Europa-Abgeordnete im November vergangenen Jahres hautnah erlebt. Seit klar war, dass der Umwelt- und der Industrieausschuss des EU-Parlaments jeweils einen Initiativbericht schreiben würden, so die Linken-Politikerin Sabine Wils, Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, seien die Abgeordneten monatelang von Lobbyisten bearbeitet worden. Inforeisen und Konferenzen seien organisiert, Einladungen zu Abendessen ausgesprochen worden, von dem Bombardement durch gefällige Studien der Gasfirmen ganz zu schweigen.
Und es passierte – nichts. Weder der Industrie- noch der Umweltausschuss der EU konnte sich auf eine europaweite Regelung einigen. Sie gaben die Entscheidung über Fracking an die Nationalparlamente weiter. „Aber verschmutze Luft und kontaminiertes Wasser machen nicht an Ländergrenzen halt“, sagt Anne Waibel. In Polen wird bereits gebohrt, in Frankreich werden Gasvorkommen vermutet, ebenso in England, Schweden und in Österreich.
In Deutschland betroffen sind vor allem Niedersachsen, wo einzelne Probebohrungen schon genehmigt wurden, und Nordrhein-Westfalen. Aber auch in Hessen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Baden-Württemberg wird das begehrte Schiefergas im Boden vermessen.
Die betroffenen Gemeinden werden nicht informiert
Die Claims rund um den Bodensee sind schon abgesteckt. Um Konstanz, Biberach (2.500 Quadratkilometer) und Bad Saulgau (1.500 Quadratkilometer) haben sich zwei Firmen die sogenannte Aufsuchungslizenz gesichert – beim Landesbergamt in Freiburg: die englische Bell Exploration, die auch zwei Lizenzen in Bayern erworben hat, und die Parkyn Energy Germany. Sie prüfen derzeit, ob das Gasvorkommen groß genug ist, dass sich eine Förderung lohnt. Doch die betroffenen Gemeinden erfuhren davon nichts. Das sieht das Bundesberggesetz nicht vor. Es ist der Information der Initiativen vor Ort zu verdanken, dass die Gemeinden aufgewacht sind und sich wehren.
Die BUND-Aktivisten vom Bodensee wissen, dass die Vergabe von Konzessionen der erste Schritt zum Fracking ist. Und sie wollen noch viel mehr wissen, etwa, warum es in Baden-Württemberg kein Moratorium gegen Fracking gibt. Sie wollen wissen, wann das veraltete Bergrecht geändert wird, das keine Information betroffener Kommunen vorsieht. Sie wollen noch viel wissen. Sie haben einen Brief an den Umweltminister Franz Untersteller geschrieben. Sie warten auf Antwort.
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