HARALD KELLER DER WOCHENENDKRIMI: Ein Dorf jagt einen Mörder
Ihren Titel verdankt die seit 2006 sporadisch fortgesetzte ZDF-Krimireihe „Unter anderen Umständen“ jener liebenswert altfränkischen Umschreibung für Schwangerschaft. In der allerersten Episode stellte sich die Hauptfigur Jana Winter (Natalia Wörner), Kommissarin in Schleswig, dem Publikum als werdende Mutter vor, seither nimmt das Kind bisweilen indirekt Einfluss aufs Geschehen.
Der zeigt sich in der aktuellen Folge „Der Mörder unter uns“, wenn Winter aus eigenem mütterlichen Empfinden Empathie für eine Frau entwickelt, deren Sohn vor Jahren wegen Vergewaltigung ins Gefängnis musste. Nun hat Ulrich Wolf (Robert Gallinowski) seine Strafe verbüßt und nimmt Medikamente, um seinen unheilvollen Trieb zu unterdrücken. Die Nachbarn im kleinen Ort aber kennen seine Vorgeschichte und ihr Zorn kocht hoch, als sich in unmittelbarer Nähe ein ähnlicher Fall ereignet. Bis zur Selbstjustiz fehlt nur ein kleiner Schritt.
Auch einige der Kriminalisten um Jana Winter glauben, in Ulrich Wolf den Schuldigen ausgemacht zu haben. Winter hingegen sieht das ohnmächtige Leiden Wolfs; sie sieht es gerade auch in den Augen seiner Mutter, die unerschütterlich zu ihrem Sohn hält, ohne dessen Taten entschuldigen zu wollen.
Die Schauspielerin Zora Holt, die ihre Karriere bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ begann und in einer früheren Folge von „Unter anderen Umständen“ eine Nebenrolle spielte, steuert mit „Der Mörder unter uns“ ihr zweites Drehbuch zu dieser Reihe bei, mit sensiblen, psychologisch glaubwürdigen Charakterzeichnungen und unaufdringlichen Allegorien. Polizeiliche Ermittlungen werden als Teamarbeit gezeigt, dazu passen die trockenen Dialoge bar der unfreiwilligen Komik jener TV-Kriminalisten, die einander wortreich ihre Arbeit erklären, weil die Produzenten glauben, dass die Zuschauer sonst nicht folgen können. Es geht auch anders.
■ „Unter anderen Umständen: Der Mörder unter uns“, Sonntag, 21.45 Uhr, ZDFneo
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen