piwik no script img

Die Vorfahren des MenschenDer Neandertaler in uns

Der Neandertaler ist doch ein Vorfahr heutiger Menschen. Außerhalb von Afrika zeugten Homo sapiens und der Neandertaler gemeinsame Nachkommen.

Die Rekonstruktion einer Gruppe Neandertaler im Neandertaler Museum in Krapina, Kroatien. Bild: johannes krause/atelier daynes/kovacic/radovcic/dpa

BERLIN taz | Nun ist es bewiesen: Neandertaler und die Vorfahren des modernen Homo sapiens hatten nicht nur Sex miteinander, sondern auch gemeinsame Nachkommen - und diese haben sich auch fortgepflanzt. So oft und dicht näherten sich die Wege der knollennasigen "Höhlenbewohner" und der Vorfahren des modernen Menschen einander, dass Kontakte aller Art zwischen ihnen nie auszuschließen waren. Aber die Vererbung genetischer Merkmale von einer Gruppe in die andere hielten viele Wissenschaftler bisher für unmöglich.

Dass es dennoch dazu kam, belegt in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science die Dokumentation einer über vier Jahre betriebenen Gen-Sequenzierung. Ein internationale Forschergruppe unter Leitung von Professor Svante Pääbo vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie verglich bei dieser wissenschaftlichen Tour de Force DNA-Proben aus etwa 40.000 Jahre alten Neandertaler-Knochen mit den Genomen von fünf unserer Zeitgenossen aus China, Frankreich, Papua-Neuguinea, Südafrika und Westafrika.

Das Neandertaler-Genom sequenzierten sie immerhin zu 70 Prozent. Ihr Schluss: Nicht Afrikaner, wohl aber Europäer, Asiaten und Papua-Neuguineaner tragen heute zwischen 2 und 4 Prozent Neandertaler-Erbgut in sich. Die Erklärung ist einfach: Homo sapiens und der Neandertaler haben beide ihre Ursprünge in Afrika. Die Neandertaler verließen diesen Kontinent lange vor den Jetztmenschen in Richtung auf Europa, Vorderasien und Südsibirien.

Jene unserer Vorfahren, die Afrika ebenfalls den Rücken kehrten, wandte sich zunächst dem Mittleren Osten zu. Vor etwa 100.000 bis 50.000 Jahren, noch bevor sie sich in Europa und Asien in verschiedene ethnische Gruppen aufspalteten, vermischten sie sich mit dort ansässigen Neandertalern. Vor 30.000 Jahren starben diese aus.

Das in Leipzig analysierte halbe Milligramm Knochenpulver stammt von Funden aus Kroatien, Spanien, Russland und auch von dem 1856 zuerst entdeckten Exemplar, dem im deutschen Neandertal an der Düssel gefundenen Skelett eines Mannes, der der Art ihren Namen gab. Er wies alle wesentlichen Merkmale seiner Gruppe auf: große Nase, fliehende Stirn, eine kräftige Kinnlade und starke Beine und Füße.

Anders als oft dargestellt gingen die Neandertaler aufrecht. Sie verfügten über eine weitgehende Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Lagern, bemalten Schmuck aus Muscheln, behandelten ihre Verwundeten und begruben liebevoll ihre Nächsten. Das im Erbgut von Mensch und Neandertaler identische Gen Foxp2 gilt als entscheidend für die Sprachentwicklung.

Es sind aber die Unterschiede, denen das Hauptaugenmerk Pääbos und seines Teams auch weiterhin gelten wird. Sie wollen herausfinden, was dem modernen Menschen so große Überlebensvorteile einbrachte. Solche Unterschiede entdeckten sie bereits in Genen, die mit kognitiven Funktionen zusammenhängen, mit dem Stoffwechsel, der Entwicklung des Schädels oder Brustkorbs. Wie diese sich auswirkten, können die Wissenschaftler noch nicht sagen.

"Wir wissen nicht, ob der Neandertaler blaue Augen oder braune Haare hatte. Unsere Aussagen über seine Verwandtschaft mit uns heute entstammen erst mal reiner Statistik. Wir haben über das ganze Genom sozusagen erst mal drübergeschaut und festgestellt, da gibt es bei Europäern und Neandertalern mehr Ähnlichkeiten in den Sequenzen als unter Afrikanern und Neandertalern", sagt Johannes Krause, Mitarbeiter im Pääbo-Team.

Ein Problem für die Forscher bildete die starke Verunreinigung der alten DNA mit dem Erbgut von Mikroben, Pilzen und sogar Archäologen. Die Forscher bearbeiteten die Proben in Reinsträumen, reparierten die eigentlichen Neandertaler-DNA-Sequenzen und markierten sie so, dass dies deren Kontaminierung mit fremdem Erbgut während der eigentlichen Sequenzierung ausschloss. Insgesamt werteten die Wissenschaftler vier Milliarden DNA-Basenpaare aus.

Die Entwicklung neuer Sequenziermaschinen hat diesen Durchbruch ermöglicht. "Das menschliche Genom wurde um das Jahr 2000 weltweit in einigen tausend Labors entschlüsselt mit einer Technologie, die es erlaubte, 50 bis 1.000 DNA-Sequenzen mit einem Mal zu bestimmen", sagt Johannes Krause: "Die Arbeit dauerte damals 13 Jahre und kostete 1,5 Milliarden Euro. Heute erbringen wir diese Leistung innerhalb einer Woche für 5.000 Euro."

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • C
    claudia

    >>mit Rassismus oder Außerirdischen hat diese Arbeit sicher nichts zu tun.

  • D
    deinung

    @biologe schön wärs, scheint mir aber in diesem fall etwas anders zu sein. zumal es ja letztendlich auch auf die BEWERTUNG von Forschungsergebnissen ankommt.

    mensch betrachte sich einfach mal die grafik auf http://news.bbc.co.uk/2/hi/science/nature/8660940.stm - rassistischer gehts ja kaum noch.

  • B
    biologe

    Klar sollte man immer kritisch sein aber mit Rassismus oder Außerirdischen hat diese Arbeit sicher nichts zu tun. Finde es schade, dass gerade Genetiker oder Evolutionsforscher häufig in die rechte Ecke gestellt werden. In der Genetik bedeutet Vielfalt Anpassungfähigkeit. Und der Artbegriff dient auch nicht der Distanzierung sondern der Systematisierung der dynamischen Vorgänge der Evolution.

  • TS
    Thomas Sch.

    Naja, wenn man sich so auf machen Foren umschaut, vermute ich doch schon mal, daß der Neandertaler sich in gewissen Hirnwindungen erhalten hat. Wer beispielsweise Autos abfackelt, weil er sie anderen nicht gönnt, befleißigt sich dann doch einer eher steinzeitlichen Methode des Abjagens von Wild.

  • C
    claudia

    >>Vor 30.000 Jahren starben diese aus.>Das im Erbgut von Mensch und Neandertaler identische Gen Foxp2 gilt als entscheidend für die Sprachentwicklung.

  • KN
    Kein Neanderthaler JK

    Das ist noch längst nicht abgeschlossen,

     

    Fakten die im Spektrum der Wissenschaft zu lesen waren können von heute auf morgen zwar umgeschrieben werden, stimmig müssen Sie nicht sein.

    Der Urmensch Homo Sapiens hatte nie irgendwelche Verbindung mit Neandetalern.

    Wer ernsthaft in die Debatte einsteigen sollte muss sich mal am Kopf kratzen - wohlmöglich dass wir 1947 doch Besuch aus dem All hatten, könnte bald in allen Gazetten, und das glaubt dann auch jeder...`?

    Hoffentlich weiß man, dass alles ein Trugschluss sein kann - die Theorie dieser Wissenschaft kann veraltet sein und so zu falschen Schlüssen kommen!

    Wir sind keine Neandertalernachfahren, davon gehe ich aus