Kommentar Wahl in Großbritannien: Hängepartie auf der Insel

Die Hoffnung von Labour, dass die Verhandlungen zwischen Tories und Liberalen scheitern, werden sich wohl als trügerisch erweisen.

Die britischen Wählerinnen und Wähler haben gesprochen. Allerdings haben sie das sehr undeutlich getan. Sie wollen Premierminister Gordon Brown und seine Labour Party nicht mehr, aber die Tories unter David Cameron wollen sie auch nicht so recht. So haben sie den Politikern ein hung parliament, eine Hängepartie, beschert.

Brown klammert sich noch an sein Amt. Ihm steht als Amtsinhaber als Erstem der Versuch einer Regierungsbildung zu, doch er hat in Anbetracht des schlechtesten Labour-Wahlergebnisses seit Jahrzehnten bereits eingewilligt, Cameron dieses Privileg zu überlassen. Wenn an diesem Wahlergebnis etwas eindeutig ist, dann die Tatsache, dass Brown noch unbeliebter ist als seine Partei.

Die Hoffnung von Labour, dass die Verhandlungen zwischen Tories und Liberalen scheitern, werden sich wohl als trügerisch erweisen. Ein Zusammenschluss zwischen Labour und den Liberalen Demokraten, der von den Tories vorsichtshalber bereits als "Koalition der Verlierer" verhöhnt wurde, wäre einer Nation, die Koalitionen nicht gewöhnt ist, ohnehin kaum schmackhaft zu machen. Darüber hinaus hätte auch sie keine absolute Mehrheit. So wird Tory-Chef David Cameron wohl eine Minderheitsregierung bilden.

Die Liberalen Demokraten wären töricht, mit den Konservativen eine formelle Koalition einzugehen. Die neue Regierung muss sparen, um das Rekorddefizit in den Griff zu bekommen. Doch das Sparprogramm der Tories, das ausgerechnet die Reichen mit Samthandschuhen anfasst, ist ebenso wenig kompatibel mit den Vorstellungen der Liberalen wie die meisten anderen Programmpunkte.

Die Tories wehren sich außerdem vehement gegen eine Reform des ungerechten Mehrheitswahlrechts - die Kernforderung der Liberalen Demokraten. Cameron ist höchstens bereit, den Liberalen ein Referendum zu diesem Thema zu versprechen, aber gleichzeitig für ein Nein zu kämpfen. So wäre es keineswegs sicher, ob das Volk eine solche Reform absegnen würde. Schließlich würde diese dazu führen, dass Koalitionen zum Normalzustand werden.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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