piwik no script img

Bericht des Berliner LandesrechnungshofsSpree-Athen versenkt Millionen

Das Land Berlin ist so pleite wie Griechenland - trotzdem werden massiv Steuergelder verschwendet. Etwa bei den Wasserbetrieben und der Charité

Berlin geht damit ziemlich nachlässig um Bild: dpa

Der Landesrechnungshof prangert Steuergeldverschwendung in Millionenhöhe an. In seinen Stichproben stieß er auf 37 Millionen Euro, die das hochverschuldete Land Berlin nicht hätte ausgeben dürfen beziehungsweise zusätzlich hätte einnehmen müssen. Der am Montag veröffentlichte Jahresbericht 2010 listet eine Reihe von Beispielen auf.

Die Berliner Wasserbetriebe, die zur Hälfte dem Land gehören, leisten sich eine Werbekampagne, die 4,4 Millionen Euro allein in den Jahren 2005 bis 2008 kostete. Dies sei "völlig nutzlos", kritisierte Rechnungshof-Präsidentin Marion Claßen-Beblo. Schließlich gebe es keine freie Auswahl der Anbieter, sondern im Gegenteil sogar einen Zwang, Grundstücke an das Kanalsystem der Wasserbetriebe anzuschließen. Auch die gewünschte Imageverbesserung habe es nicht gegeben - das hatten die Wasserbetriebe selbst untersucht. Die Kosten für die Werbekampagne wurden auf die Wassertarife umgelegt. "Dadurch wird im Ergebnis der Zwangskunde zusätzlich belastet", kritisierte Claßen-Beblo. Die Wasserbetriebe dagegen wollen ihre Werbung fortführen: Über die Plakate erreiche man alle Berliner und könne dort auch die Homepage bewerben, auf der es dann Informationen etwa zur Entsorgung von Medikamenten gebe.

Die Deutsche Klassenlotterie Berlin leistet sich eine Kantine, die rund 330.000 Euro Verlust pro Jahr macht. Die Anstalt des öffentlichen Rechts gehört dem Land Berlin, alle Lotto-Einnahmen innerhalb der Landesgrenzen fließen in ihren Topf, aus den Überschüssen werden gemeinnützige Projekte finanziert. Interne Richtlinien sehen vor, dass die Kantine kostendeckend arbeiten soll - doch tatsächlich kommen nur 14 Prozent der Ausgaben wieder herein. Und das vor allem deshalb, weil von den 187 Beschäftigten im Schnitt nur rund 40 in der Kantine essen. Am Montag zum Beispiel gab es Spargel mit Kartoffeln, "aber kein Schnitzel dazu und nicht einmal Rührei", sagt Lottosprecher Lutz Trabalski. Die Preise lägen bei 3 bis 5 Euro pro Essen.

Der Rechnungshof schlägt vor, die Kantine am Kudamm für die Öffentlichkeit zu öffnen, um die Einnahmen zu erhöhen. Trabalski hält das für nicht möglich: "Unser Haus ist ein Sicherheitsbereich", schon alleine wegen des Rechenzentrums. Außerdem würden im Haus auch die personenbezogenen Daten der Lottogewinner verarbeitet.

Die Charité hat ihren Ärzten saftige Gehaltssprünge gewährt: Durch die Einführung eines Haustarifvertrages zum 1. Juli 2007 hat sich die Zahl der Oberärzte auf 374 verachtfacht. Das sorgt für 3,9 Millionen Euro an zusätzlichen Ausgaben für die Charité, die sich ihren jährlichen Verlust aus dem Landeshaushalt decken lässt und mit ihrem Aufsichtsratsvorsitzenden, dem SPD-Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner, einen direkten Draht in den Senat hat. Durch die wundersame Beförderung und durch laut Rechnungshof ungerechtfertigte Zulagen, die sich die Mediziner etwa durch Tätigkeiten als Gerätebeauftragte, Fortbildungsbeauftragte oder Rotationsbeauftragte hinzuverdienen konnten, erhöhte sich ihre monatliche Vergütung um im Schnitt 1.500 bis 2.000 Euro.

Die Charité habe den Tarifvertrag "überwiegend fehlerhaft" umgesetzt, kritisiert der Rechnungshof in seinem Bericht. "Offensichtlich sollte möglichst vielen Oberärzten eine Zulage gewährt und die bereits mit der Vergütung abgegoltene Oberarzttätigkeit zusätzlich honoriert werden", heißt es weiter. Dabei beträgt allein die Grundvergütung bereits bis zu 7.479 Euro pro Monat. Die Mitarbeiter des Wachschutzes, die von der Charité an eine Tochtergesellschaft ausgelagert wurden, verdienen übrigens immer noch nicht den vom Senat geforderten Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • KT
    Kilian Tegethoff

    Als ärztlicher Mitarbeiter der Charité war ich sehr überrascht, wie gut unser Arbeitgeber die Oberärzte lt. Rechnungshofbericht, den ich ebenfalls mit Interesse gelesen hatte, bezahlt; als langjähriger Personalrat in der Charité kann ich diese Zahlen nicht bestätigen; als taz-Abonnent wundere ich mich, dass diese Zahlen unreflektiert veröffentlicht werden. Mit Sicherheit haben sie keine Validierung dieser Daten durch die Charité erhalten.

    Die Entlohnung des Wachschutzes in der Charité ist ohne Zweifel indiskutabel. Als Personalräte haben wir mehrfach Initiativen unternommen, den Arbeitgeber Charité dazu zu bewegen, dass für den Wachschutz der Mindestlohn von € 7,50 gezahlt. Wird. Leider waren wir erfolglos.

    Die Verknüpfung der unkritisch übernommenen Daten aus dem Rechnungshofbericht mit der Entlohnung der Wachschützer passt m. E. nicht zum Renommee der taz. Derartige Berichterstattung erwarte ich von Bild, BZ etc.

    Inhaltlich gilt folgendes: Vor Abschluss des arztspezifischen Tarifvertrags im Jahr 2007 war die Eingruppierung „Oberarzt“ nicht vorhanden. Entsprechend schlecht war die Datenlage in der Charité, d. h. der Arbeitgeber Charité wusste gar nicht, wie viele OberärztInnen bei ihm tätig waren. Von daher ist die Verachtfachung der Anzahl der OberärztInnen nicht belegbar.

    Ebenfalls falsch ist die Gegenüberstellung der Grundvergütungen und den daraus abgeleiteten Bewertungen. Nicht mehr die Grundvergütungen können verglichen werden, sondern nur noch die Jahresvergütungen. Unter dem BAT-System kamen zur Grundvergütung noch diverse Zuschläge (Familienstand, Kinder, allgemeine Zulage) sowie Jahressonderzahlungen (vulgo Urlaubs- und Weihnachtsgeld). Diese Extrazahlungen sind mit Einführung des arztspezifischen Tarifvertrags sei dem Jahr 2007 abgeschafft. Diese differenzierte Recherche hätte ich von der taz erwartet.

  • B
    borstell

    Und da sind Polizeieinsätze und Sicherheitsdienste zur Bewachung eines Zaunes bzw. einer Wiese noch garnicht dabei!

  • A
    Anneliese

    "Wirkunglos, wir machen aber trotzdem weiter". Wurde mal geprueft, in welchem Verhaeltnis die Fuehrungsriege der Wasserbetriebe zu der Marketingagentur steht, die diese Kampagne betreut? Ein Schelm, der Boeses dabei denkt.

     

    Wohin man schaut ... die Grossen bedienen sich schamlos, die Allgemeinheit zahlt es ja. Wann werden Berichte der verschiedenen Rechnungshoefe (egal ob Land oder Bund) mal Konsequenzen haben ?

  • J
    Jemand

    Als wenn die 4,4 Mio. das eigentliche Problem bei der BWB wären... Das Land lässt sich doch von den privaten Investoren regelrecht über den Tisch ziehen. Da sind die 4,4 Mio. mal wirklich nur "Peanuts" im Vergleich