Das Phänomen Posaunenchor: Im Spirit der Bläser

Auf dem ökumenischen Kirchentag trifft man sie fast an jeder Ecke: Gut gelaunte Posaunenchöre aus ganz Deutschland. Doch was ist wirklich dran am Glanz der Laien-Bläser?

Altersspanne und musikalisches Repertoire kennen bei den Bläsern keine Grenzen: Bild: thomas dashuber

MÜNCHEN taz | Wo ist die Musik am schönsten?“, ruft Uwe. „Im Posaunenchor!“, schallt es ihm entgegen. Und hoch das Paulaner. 40 Posaunisten, Hornisten, Trompeter und Tuba-Spieler, Männer und Frauen, um ihn herum prosten sich zu, hier im Lido, einem italienischen Restaurant in der Münchner Innenstadt. Um den Bläsern das Bier und die Pizzen zu bringen, muss der Kellner einen kleinen Parcours rund um die sperrigen Instrumentenkoffer veranstalten.

Posaunenchöre findet man beim Kirchentag an jeder Ecke, sie spielen in Gottesdiensten, bei Bibelstunden, geben sogar abendfüllende Konzerte. Im Halbrund sitzend, starren die Laien-Blasmusiker konzentriert in ihre Noten. Das Kondenswasser tropft aus ihren Instrumenten, manch einem rinnt vor Aufregung ein Schweißtropfen die Schläfe hinunter.

Doch was zeichnet die Faszination dieser evangelischen Bläser-Ensembles aus, warum wird noch immer die Tradition des Trötens über Generationen weiter vererbt?

Der Glanz der Posaunenchöre findet sich weniger in der Musik, viel mehr jedoch in den Menschen dahinter und ihren Geschichten. „Ich kann nicht wirklich erklären, was den Funken, den Spirit bei uns ausmacht“, sagt der Posaunist Uwe Damrau. Laien-Bläser seien ein eigener Menschenschlag, setzt er dann an. Es sei die Gemeinschaft und der Zusammenhalt, die bei ihnen zählen, kein Wettkampf untereinander, erklärt der 48-jährige, der in seinem richtigen Leben Diplom-Ingenieur ist und, wie alle hier, vom Niederrhein kommt. „Natürlich spielt der Glauben auch eine wichtige Rolle“, fährt er fort. Die Freude am Leben mit Jesus Christus. Er nimmt einen kräftigen Schluck aus seinem Bierglas, über seinen Bauch wölbt sich ein ausgewaschenes, dunkelblaues T-Shirt.

Uwe streicht es glatt und zeigt voller Stolz den aufgedruckten Trinkspruch vom Anfang, den er vom Kabarettisten Herbert Knebel übernommen („Wo ist der Sport am schönsten? Im Verein!“) und für seine Zwecke umgewandelt hatte. Man merkt ihm an, dass das Blasen der Posaune für ihn mehr ist als ein Hobby, er definiert sich darüber – und sieht rundum zufrieden aus, mit seinen jungen und alten Kollegen am Tisch.

Die Altersspanne kennt bei den Bläsern ebenso wenig Grenzen wie ihr musikalisches Repertoire: Von mittelalterlichen Madrigalen von Schütz, über Musical-Hits wie „Memory“ bis hin zu Michael-Jackson- und ABBA-Songs – die Laien-Musiker setzen auf undogmatischen Spaß am Musizieren. Coolness um jeden Preis ist ihnen nicht wichtig, auch den Twens unter ihnen nicht. „Außerdem spiele ich ja auch manchmal in einer Rockband“, sagt der 21-jährige Tobi, als müsse er sich verteidigen. Bei Songs von Jan Delay wären auch Trompeter wie er gefragt.

In einem Posaunenchor können auch blutige Anfänger mitspielen, entweder bringen sie sich das Spielen selbst bei, oder werden von einem Mitbläser in ihr Instrument eingewiesen. Der Rest kommt mit Übung und Routine.

Ein Sprung ins kalte Wasser war es auch bei Marianne Damrau, Uwes Frau. Sie strahlt über beide Ohren, als sie mit ihrer Geschichte beginnt: „Ich habe vor knapp drei Jahren von einer Bläser-Kreuzfahrt erfahren, die ich mit meinem Mann antreten wollte.“ Sie wollte ihm eine Freude bereiten, konnte jedoch kein Instrument blasen. Dann hat sie sich ein Flügelhorn geschnappt. „Bei meinem ersten Trötenton dachte ich: Das lernst du nie.“ Zehn Monate später spielte sie mit ihrem Mann auf einer Mittelmeer-Kreuzfahrt, „auf den Spuren des Pontius Pilatus“.

Eigentlich kann Marianne gar keine Noten lesen. „Viele versuchen mir zu erklären, wie man im Takt spielt, den Rhythmus zählt, ich verstehe das alles nicht wirklich. Für mich muss Musik vom Herzen her passen.“ Das Bier und die Erinnerung haben ihre Wangen gerötet, sie lehnt sich zurück, mit einem Blick aus dem Fenster.

Hier am Tisch glauben alle an Gott, die meisten sind evangelisch. „Aber Katholiken sind bei uns ebenso willkommen“, sagt Uwe, das sei ihr Beitrag zur Ökumene. Durch die Blasmusik könnten sie eine Brücke zu Gott bauen – aber auch zu den Menschen. Er komme immer wieder mit Fremden ins Gespräch, sagt Uwe. Seine Posaune sei da ein guter Aufhänger.

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