Haushaltslage in Ostdeutschland: Ächzen und Sparen

Die neuen Bundesländer leiden unter Steuerausfällen und sinkendem Solidaritätsbeitrag. Sachsen will mit einem strikten Sparkurs à la Griechenland gegensteuern.

Die blühenden Landschaften sind klamm: Rapsfeld in Sachsen. Bild: dpa

DRESDEN taz | In den ostdeutschen Länderhaushalten ist Sparen angesagt. Seit dem Vorjahr sinken die "Sonderbedarf-Ergänzungszuweisungen" des Bundes aus dem Solidarpakt planmäßig und spürbar. 2019 sollen sie endgültig auslaufen. Nun lassen die Steuerausfälle aufgrund der Finanzkrise und der Rezession das Staatssäckel noch schlaffer baumeln. Und das in Ländern, die ihre Haushalte ohnehin nur zu etwas mehr als der Hälfte aus Steuern decken können.

"Wir müssen den bis 2020 vorgesehenen Anpassungsprozess jetzt zu einem erheblichen Teil vorziehen", erklärte Sachsens Finanzminister Georg Unland (CDU).

Nach Steuerausfällen von etwa 850 Millionen Euro in diesem Jahr rechnet der Freistaat für 2011 und 2012 mit Mindereinnahmen von jeweils 1,7 Milliarden Euro. Bei einem Gesamtetat 2010 von etwa 16,3 Milliarden Euro bedeutet dies einen Einnahmeverlust von mehr als 10 Prozent.

In der sächsischen CDU hält man darum hart am Dogma fest, ohne Neuverschuldung auszukommen. Auch der Koalitionspartner FDP ist für diesen Kurs. Sah man sich bislang gern als wirtschaftliches Ost-Musterländle, will man nun beim Sparen Vorbild sein.

Einnahmeverluste sollen komplett durch einen radikalen Ausgabenschnitt ausgeglichen werden. Eine solche schlagartige zweistellige Ausgabenkürzung aber hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben.

Nachbarn wie Thüringen oder Sachsen-Anhalt, die von vergleichbaren Rückgängen betroffen sind, schrecken vor solch drakonischen Maßnahmen vorerst zurück. In Erfurt ging die CDU-SPD-Regierungskoalition Anfang letzter Woche erst einmal ergebnislos auseinander.

Die Frage weiterer Neuverschuldung blieb offen, nachdem schon der laufende Haushalt mit sagenhaften 820 Millionen Euro zu rund 9 Prozent aus neuen Krediten finanziert wird. Und in Sachsen-Anhalt spricht Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) über eine Abkehr von Verschuldungsgewohnheiten, hat aber gerade die Gesamtschulden des kleinen Landes auf rund 20 Milliarden Euro gesteigert.

Was konkret auf die Sachsen zukommt, wird bis zur Haushaltskabinettsklausur Ende Juni derzeit auf Ministerebene ausgefochten. Einen Vorgeschmack lieferte Anfang des Jahres die pauschale "Bewirtschaftungsmaßnahme" von 100 Millionen Euro Kürzungen im laufenden Haushalt.

"Peanuts im Vergleich zu dem, was noch kommt", sagt der Finanzminister. Und doch standen bereits ein paar tausend Pädagogen und Jugendarbeiter vor dem Landtag, weil die Jugendhilfe völlig unsensibel beschnitten wurde.

Unklar ist, nach welchen Kriterien und Prioritäten gespart werden soll. Als die Linksfraktion deswegen Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) Ende April vor den Landtag zitieren wollte, verweigerte sich die Regierung. Stattdessen sorgte Tillich für Verwirrung, als er mit Äußerungen wie "mehr Geld macht nicht automatisch klüger" ins Horn der Kritik des Hessen Roland Koch an den Bildungsausgaben stieß. Zuvor hatte er noch ausdrücklich bestätigt, dass Bildung und Wissenschaft Priorität haben müssten.

Kommt es am Ende womöglich gar nicht so schlimm? Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau rechnet im Landtag gerne vor, dass der Finanzminister 2009 rund 1,6 Milliarden Euro Rücklagen und 910 Millionen für die Bürgschaft nach dem Desaster der Sachsen-Landesbank beiseitegelegt habe.

Auch Finanzpolitiker Mario Pecher von der SPD-Opposition bezeichnet die Haushaltlage als "nicht dramatisch". Einmalige Reserven aber könnten bald aufgezehrt sein, denn die Gesamtlage wird sich mittelfristig nicht verbessern. Der Einwohnerverlust kostet Sachsen bis 2019 außerdem etwa 800 Millionen Euro aus dem Länderfinanzausgleich.

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