Kommentar Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Koch hat keine Sorgen um Nachruhm, Köhlers Äußerung fehlen die Nachwehen und Sommermärchenmädchen Lena hat den Fußballern Last abgenommen.
taz: Was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Der blödsinnige Name "Top Kill".
Was wird besser in dieser?
Muss sich auch keiner merken.
Wann wird das denn nun endlich was mit einer Regierung, da drüben bei euch in NRW?
Die späte Hochkultur der indigenen Ruhrvölker gebar die postdemokratische Regierungsform des sogetrunkenen Rauismus. Regierungshandeln konzentriert sich hier wesentlich auf regelmäßiges Ausstoßen von Mantren wie "Prost", "Du kommst raus" oder ganz zentral dem sogenannten Opel-Mantra "Aber die Arbeitsplätze!". Letzteres umschreibt die dem Rauismus eigene milde Form der Anarchie, in der praktisch jeder machen kann, was er will, wenn er Eon, Bayer, Rheinmetall, RAG oder ersatzweise Investor heißt. Der dynastische Erbrauismus mit den Thronfolgern Clement, Steinbrück und Rüttgers transformierte die vom Ursprung her politische in eine allgemein folkloristische Form, Fachleute sprechen hier von der Epoche der Vermillowitschung. Auch der schieren Größe des Reservates geschuldet, ist den Eingeborenen in dieser Phase zum Teil unklar, ob in Düsseldorf jemand regiert, zum anderen Teil egal. Hier lappt der Rauismus spielerisch ins Buddhistische und ist ältlichen, wahlgebundenen Gesellschaftsformen weit überlegen und voraus. Wie war noch mal die Frage?
Roland Koch ist politische Vergangenheit. Gibt es einen Grund, ihm eine Träne nachzuweinen? Wenigstens eine?
Mit Merz und Koch, vielleicht noch Pflüger und derlei Konsorten brüten Brutusse mit und ohne Dolch im Gewande: Wie kann es sein, dass wir tapferen Christdemokraten 68 gegen jeden Trend in die CDU gegangen sind - und jetzt kommt 68 in die CDU und vergrault uns? - Die Merkelunion stellt Frauen, Schwule, Ausländer, so ziemlich alles nach vorne, wovor die völkisch veranlagten Jungs damals in die konservative Partei getrotzt bis geflohen sind. Dass sich hinter dieser modischen Fassade dufte reaktionäre Politik machen lässt, hat gerade Koch bewiesen. Dass sein Ego nicht durch die Tür passt, die Merkel ihm ließ - wichtiger Ministerpräsident, nicht ins Bundeskabinett -, birgt in der Tat ein Risiko: Die Union kann den Rand nicht mehr halten, den rechten. Kochs Kampagnen gegen Zuwanderung oder "kriminelle Ausländer" mögen endlich verschwinden - die Wähler, die er damit und übrigens völlig zu Recht an die völkische CDU band, bleiben im Lande und suchen sich ihr politisches Gefäß. Nein, ich sage zu Kochs Wirken nicht: Es ist ein schmutziger Job, aber einer muss es tun. - Es kann ein Fehler Merkels sein, das nicht zu sagen.
Friedrich Küppersbusch ist Fernsehproduzent und wird von der taz jede Woche zum Zustand der Welt befragt.
Ein Wort zu seinem designierten Nachfolger Volker Bouffier?
Wenn man seinen Hof bestellt, sucht man einen starken Nachfolger und, tja, muss riskieren, dass der sogar besser ist als man selbst. Oder man setzt einen umstrittenen Mann hin, der älter ist als man selbst und einen heiklen Untersuchungsausschuss an den Hacken hat. So viel zu Roland Kochs Sorge um seinen Nachruhm.
Deutsche Soldaten im Kampf für deutsche Wirtschaftsinteressen: Horst Köhler spricht aus, was alle wissen. Wo liegt der Skandal?
Dass keiner draus wird.
Apple-Produkte waren immer schon designed in California, aber assembled in China. Rächt sich das jetzt mit der Selbstmordserie bei Foxconn?
Hat mich geschockt, der taz-Titel diese Woche.
Beim ZDF wurde der dänische Zeichner Kurt Westergaard von Moderator Markus Lanz tatsächlich für seine Mohammed-Karikatur ins Verhör genommen. Was geht da vor?
Man könnte es Mut nennen. Neulich wurde noch skandaliert, das ZDF habe ihn ausgeladen, nun bricht man sich keinen aus der Krone, die Einladung zu loben. Und Mainz wurde nicht gebombt.
Nun hat Lena tatsächlich gewonnen. Hat Deutschland überhaupt das Zeug, den nächsten Wettbewerb auszurichten, werden die Stadien rechtzeitig fertig, kann die Sicherheit der Gäste garantiert werden?
Vielleicht ist jetzt einfach mal zehn Jahre Ruhe mit Lamento, und, na ja, ein bisschen hat das singende Sommermärchenmädchen Lena den Fußballern Last abgenommen. Die müssen jetzt nicht auch noch Papst werden. Zuletzt ging mir das Mediengebrause um 230 Schlagerträller erhaben auf die Nuss, und es könnte eventuell andere Themen von mäßig vergleichbarer Bedeutung geben, die nun wieder Raum finden.
Lahm Kapitän, Neuer Nummer 1 - eine gute Lösung von Löw?
Immer gut, wenn man keine andere hat.
Und was machen die Borussen bei der WM?
Paraguay! Nicht unterschätzen!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Schuldenbremsen-Dogma bröckelt
Auch Merz braucht Geld
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“