Scheinehe-Prozess: Eklat im Ciftlik-Verfahren
Zeugin bricht nach Verteidiger-Anfeindungen im Gerichtsgebäude zusammen. Zuvor hatte sie den SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Bülent Ciftlik entlastet.
Im Scheinehe-Verfahren um Bülent Ciftlik spielten sich am Montag dramatische Szenen ab: Während einer Vernehmungspause musste die zentrale Zeugin der Verhandlung nach einem Schwächeanfall mit Herzrhythmusstörungen ins Krankenhaus gebracht werden. Ihre Vernehmung wurde unterbrochen. Die 36-jährige Nuran A. hatte unmittelbar zuvor mehreren Aussagen der Mitangeklagten Nicole D. energisch widersprochen und war deshalb von deren Verteidiger Johann Schwenn massiv angegangen worden.
Schwenn hatte die Zeugin zuvor beschuldigt, "ganz offensichtlich eine Falschaussage" zu tätigen und ihr im Falle eines Meineides nicht nur straf-, sondern auch ausländerrechtliche Konsequenzen für sie und ihre Tochter in Aussicht gestellt. Zudem beantragte Schwenn auch noch, das Handy der Zeugin zu beschlagnahmen, weil er dort "verfahrensrelevantes" Beweismaterial witterte.
Diese "infamen Vorwürfe", verbunden mit einer "unglaublichen Drohkulisse", wie Ciftliks Verteidiger Cornelius Weimar das Verhalten seines Kollegen bewertete, waren für die Zeugin offensichtlich zu viel. Während der Mittagspause brach sie im Gerichtsgebäude zusammen, wurde von den herbeigerufenen Ärzten für vernehmungsunfähig erklärt und in eine Klinik gebracht. Ihr Handy übergab die Frau zuvor noch freiwillig dem vorsitzenden Richter.
Schwenns aggressive Attacke hatte Gründe: Gleich mehrfach widersprach die 36-Jährige vehement wesentlichen Angaben von Nicole D., auf deren Geständnis die Anklage gegen ihren Mann Kenan D. und Bülent Ciftlik fußt. So soll Kenan D. ihr Nicole D. schon 2006 als seine Freundin vorgestellt haben, während Nicole D. behauptet, ihren späteren Ehemann erst Ende 2007 durch Ciftlik kennen gelernt zu haben.
Auch habe sie das Paar mehrfach besucht und dabei den Eindruck gewonnen, dass es eine ganz normale Ehe führte und auch zusammen lebte, was die Mitangeklagte bestreitet. Schließlich schilderte Nuran A., die mit Nicole D. zeitweise befreundet war, dass diese während eines Besuchs von ihr am 16. März dieses Jahres völlig verstört aus der ehelichen Wohnung gestürmt sei. Kurz darauf habe sie Nicole D. in einem angrenzenden Park "völlig aufgelöst und weinend" angetroffen.
Ihr Ehemann habe ihr kurz zuvor beiläufig berichtet, dass Ciftlik sich verlobt habe. Nicole D., die kein Hehl daraus macht, noch bis vor kurzem in Bülent Ciftlik verliebt gewesen zu sein, bestreitet hingegen, Nuran A. an diesem Abend überhaupt in ihrer Wohnung empfangen zu haben. Sie räumte aber ein, in Anwesenheit von Nuran A. ihrem Ehemann noch im April bei einem Treffen in dessen Imbiss-Bude am Dammtor den Satz, "Dein Charakter und Bülents Körper - das wäre perfekt", an den Kopf geworfen zu haben.
Nuran A., die nach den Vorhaltungen Schwenns angekündigt hatte, sich nun möglicherweise selber einen Rechtsbeistand zu suchen, soll nun am kommenden Montag weiter vernommen werden und muss damit rechnen, vereidigt zu werden. Da ihre bisherigen Aussagen sich mit denen Ciftliks decken, den sie nach eigenem Bekunden kaum kennt, dürfte ihr in dem Verfahren eine entscheidende Bedeutung zukommen.
Leser*innenkommentare
Jutta B
Gast
Im Sinne von Meinungsvielfalt und einigermaßen objektiver Berichterstattung könnte man ja auch mal jemand anders hinschicken als Marco Carini, dessen Sympathien hier allzu deutlich durchschimmern. Mich würde die Sichtweise und Wahrnehmung der Ereignisse auch gerne von einer ReporterIN interessieren. Muss doch eine Frau in der Redaktion geben, die da mal gerne hingeht. Monopole sind immer schlecht, Meinungsmonopole für eine Zeitung brandgefährlich.
Hatem
Gast
Dieser Artikel schildert die Vorgänge, naja, etwas einseitig.
Einerseits antwortete Nura A. auf Nachfragen ausweichend, was ihre Glaubwürdigkeit nicht gerade erhöht.
Weiterhin widersprach Nicole D. den Aussagen von Nura A.
Und schließlich sagte ein Vorstandsmitglied der türkischen Gemeinde für Ciftlik aus, der die dubiose Mail bekommen hatte, in der Nicole D. einen Tag vor Prozessbeginn ihr Geständnis angeblich zurückzog - was Nicole D. energisch bestritt und durch Einloggen in ihren Mail-Account untermauern konnte.
Als der Zeuge sich auf Wunsch des Richters im Gerichtssaal in seinen Mail-Account einloggte und die Mail aufrief, kam heraus, dass ausgerechnet die Absenderkennung gelöscht war. So ein Zufall.
Also, liebe taz, diesen Verhandlungstag kann man auch ganz anders schildern.
Und das sollte man wohl auch, wenn man sich anschaut, wie dubios sich Ciftlik bisher im Prozess-Verlauf aufgeführt hat. Dass seine Anwälte vor einigen Wochen abrupt ihr Mandat niederlegten, spricht schon für sich. Und nicht für Ciftlik.
Hanna
Gast
Die SPD bietet wieder mal die besten Theaterstücke in der Stadt an: Und das Schönste: Es kommt noch mehr, noch ein Termin und nochmals viel Action.
Wer allerdings Wahlen gewinnen will, der sollte vielleicht mit weniger spektakulären Menschen an den Start gehen, bzw. es wäre gut, wenn sie politisch interessant sind, aber nicht privat. Bis Dahin: Vorhang auf, wann geht's weiter?